Leitsatz

Eine Nachfrage zu einer eingereichten Steuererklärung kann als Untätigkeitseinspruch ausgelegt werden und damit den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmen.

 

Sachverhalt

Der Kläger gab für mehrere Jahre Einkommensteuererklärungen ab, die durch das Finanzamt nicht bearbeitet wurden. Verschiedene Male erinnerte der Kläger an die vorliegenden Steuererklärungen. Im Jahr 2020 teilte das Finanzamt mit, die Veranlagungen für die Jahre 2005, 2009, 2010 und 2013 seien aufgrund eingetretener Festsetzungsverjährung nicht mehr möglich. Gegen diese Mitteilung legte der Kläger Einspruch ein, diese wurden vom Finanzamt als unbegründet zurückgewiesen. Es sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Insbesondere habe der Kläger vor Ablauf der Frist keinen Antrag auf eine Steuerfestsetzung gestellt, sodass es nicht zu einer Hemmung der jeweiligen Festsetzungsfrist gekommen sei. Die Einreichung von Steuererklärungen sei kein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO. Mit der beim zuständigen Finanzgericht erhobenen Klage verfolgte der Kläger weiterhin die Veranlagung in den Streitjahren.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht verpflichtete das Finanzamt, eine Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 2005, 2009, 2010 und 2013 durchzuführen. Grundsätzlich sei hier die Festsetzungsfrist zwar abgelaufen, der Ablauf der Festsetzungsfrist sei jedoch gehemmt. Nach der Rechtsprechung des BFH sei zwar die Abgabe einer Steuererklärung allein nicht als Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO anzusehen. Aufgrund der Umstände im Einzelfall sei aber ersichtlich, dass der Kläger ausdrücklich um eine Steuerfestsetzung in den betreffenden Jahren gebeten habe. Dies sei aus den Schreiben ersichtlich, die der Kläger an das Finanzamt geschickt habe. Diese seien insgesamt in der Weise auszulegen, dass sie als Untätigkeitseinsprüche des Klägers anzusehen seien. Diese Untätigkeitseinsprüche hätten zu einer Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO geführt.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist zutreffend, da die Rechtsprechung des BFH, die durchaus fraglich erscheint, relativiert wird. Nach verschiedenen Urteilen des BFH ist die Abgabe einer Steuererklärung nicht als ein Antrag im Sinne des § 171 Abs. 3 AO zu sehen. Begründet wird dies damit, dass der Steuerpflichtige mit der Abgabe nur seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nachkomme und in der Abgabe somit keine Willenserklärung zu sehen sei. Eine solche sei aber Voraussetzung für einen Antrag. Das Finanzgericht konnte von dieser Rechtsprechung nicht abweichen, legte aber die Nachfragen des Steuerpflichten in der Weise aus, dass diese Untätigkeitseinsprüche des Klägers gewesen sind. Da auch Einsprüche vor Ablauf der Festsetzungsfrist zu einer Hemmung führen, hatte die Klage Erfolg. Das Finanzamt muss die Veranlagungen durchführen.

Die Entscheidung ist aktuell nicht rechtskräftig, die Revision zum BFH wurde zumindest zugelassen.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.06.2022, 16 K 16128/21

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