Leitsatz

1. Anteile an einer "Corporation" nach US-amerikanischem Recht gehören zu den ähnlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG.

2. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG knüpft typisierend an die Höhe der nominellen Beteiligung am Grund- oder Stammkapital der (inländischen) Kapitalgesellschaft an; bei Auslandskapitalgesellschaften ist auf eine entsprechende Bezugsgröße abzustellen, die die kapitalmäßige Beteiligung des Gesellschafters in vergleichbarer Weise wiedergibt.

3. Diese Bezugsgröße muss bei Auslandskapitalgesellschaften, die nicht dem deutschen Gesellschaftsrecht unterliegen, Auskunft über das tatsächlich übernommene Gesellschaftskapital geben. Maßgeblich ist, welchen Beitrag der Gesellschafter zu dem durch Einlagen gebildeten Gesellschaftsvermögen erbracht hat; damit korrespondiert sein Anspruch auf Beteiligung an der Substanz der Kapitalgesellschaft. Auf eine Größe, die dem genehmigten Kapital nach deutschem Recht entspricht, kann in diesem Zusammenhang auch dann nicht abgestellt werden, wenn sie sich als einzige aus einem öffentlichen Register ergibt.

4. Die Feststellung des ausländischen Rechts gehört revisionsrechtlich zu den – den BFH bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) – tatsächlichen Feststellungen des FG.

 

Normenkette

§ 17 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG, § 118 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

Der Vater des Klägers und Erblasser war Alleingesellschafter einer GmbH, die er im Tausch gegen Anteile an einer Delaware-Gesellschaft veräußerte (Anschaffung der Anteile). Die Gesellschaft war in den Jahren 2008 und 2009 an der SEC gelistet. Aus den zuletzt bei der SEC hinterlegten Quartals- und Jahresberichten der Gesellschaft ergab sich, wie viele der 150 Mio. "authorized shares" von der Gesellschaft ausgegeben waren (issued/outstanding). Am 31.12.2009 wurden die Anteile der Gesellschaft von der Börse genommen. Im Zuge einer konzerninternen Verschmelzung wurden die Anteile des Erblassers "aufgehoben"; im Gegenzug erhielt er in den Streitjahren 2011 und 2012 in Tranchen Anteile an einer anderen Gesellschaft mit einem höheren Wert (Veräußerung der Anteile). In beiden Jahren ergaben sich Veräußerungsgewinne in erheblicher Höhe. Gemessen an der Summe der "au­thorized shares" war der Erblasser nicht maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt gewesen, gemessen an den "issued and outstanding shares" dagegen schon. Das FA nahm eine relevante Beteiligung an. Das FG hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, es komme auf die "issued and outstanding shares" an (FG Nürnberg, Urteil vom 28.4.2021, 5 K 1490/20, Haufe-Index 15099725).

 

Entscheidung

Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der BFH hat die rechtlichen Erwägungen des FG bestätigt und sich in tatsächlicher Hinsicht (Inhalt des ausländischen Rechts) an die Feststellungen des FG gebunden gesehen. Danach war der Erblasser wesentlich beteiligt.

Beiläufig hat der BFH klargestellt, dass er der Auffassung des FG Münster (FG Münster, Urteil vom 27.11.2013, 11 K 3468/11 E, EFG 2014, 341 und Urteil vom 6.12.2016, 7 K 3225/13 E, EFG 2017, 129) nicht folgt, das für die erhebliche Beteiligung an einer Limited englischen Rechts bzw. eine nach dem Recht des US-Bundesstaats Nevada gegründete "Inc." auf das "au­thorized capital" abgestellt hatte.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil klärt erstmals und in grundlegender Weise, wie die für § 17 EStGmaßgebliche Beteiligungshöhe bei ausländischen Kapitalgesellschaften zu bestimmen ist.

1. In Betracht kommen alle ausländischen Gesellschaften, die nach dem sog. Typenvergleich einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar sind. Das ist bei einer nach dem Recht des US-Staats Delaware gegründeten "Corporation" der Fall.

2. Für die Höhe der Beteiligung kommt es im Inlandsfall allein darauf an, in welchem Umfang der Gesellschafter zur Aufbringung des Stamm- oder Grundkapitals beigetragen hat. Bezugsgröße ist das Stamm- oder Grundkapital. Davon abweichende Gewinn- oder Stimmrechte oder Auseinandersetzungsansprüche beeinflussen die steuerlich maßgebliche Beteiligungsquote nicht. Der Gesetzgeber hat bewusst einen typisierenden Ansatz gewählt, um u.U. komplizierte Ermittlungen und Würdigungen im Einzelfall zu vermeiden.

3. Im Auslandsfall muss nach einer entsprechenden Größe gesucht werden. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft nicht über ein Stamm- oder Grundkapital i.S.d. deutschen Gesellschaftsrechts verfügt. Die Bezugsgröße muss über das tatsächlich übernommene Gesellschaftskapital Auskunft geben und berücksichtigen, in welchem Umfang der Gesellschafter an der Substanz der Gesellschaft (stille Reserven) beteiligt ist.

4. Die Eintragung (der Bezugsgröße) in einem öffentlichen Register ist keine zwingende Voraussetzung. Die einfache und rechtssichere Handhabung der Relevanzschwelle (Anknüpfung an eine feste Maßgröße) ist zwar im Inlandsfall gegeben, bei der Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft aber nicht das entscheidende Kriterium. Es genügt vielmehr, wenn sich die maßgebliche Bezugsgröße ermitteln ...

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