Rz. 67

Einer der umstrittensten Punkte i. R. d. Gesetzgebungsverfahrens war die Frage der Einführung einer zivilrechtlichen Schadenersatzhaftung deutscher Unternehmen in Fällen von Menschenrechtsverletzungen in der Lieferkette, selbst wenn diese keinen eigenen kausalen Verursachungsbeitrag geleistet haben, aber ggf. ihre Sorgfaltspflichten nach dem LkSG nicht erfüllt haben. Insbes. die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen wünschte umfassende deliktische Haftungstatbestände zulasten deutscher Unternehmen, einschl. einer Beweislastumkehr. I. R. d. kontroversen politischen Diskussionen wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die OECD-Leitsätze ausschließen, die Verantwortung vom Verursacher eines negativen Effekts auf das Unternehmen zu verlagern, mit dem der Verursacher eine Geschäftsbeziehung hat.[1] Ein weiteres zentrales Argument ist das unkalkulierbare Haftungsrisiko, welches deutsche Unternehmen im Gegensatz zu ihren internationalen Wettbewerbern zu schultern hätten.

 

Rz. 68

Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens einigte man sich auf die Aufnahme des § 3 Abs. 3 LkSG, welcher bestimmt, dass die "Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz … keine zivilrechtliche Haftung" begründet. Ferner heißt es klarstellend, dass eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung unberührt bleibt.

Nach der Gesetzesbegründung sollen durch das LkSG keine "zusätzlichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken für Unternehmen" geschaffen werden. Die Sorgfaltspflichten sollen vielmehr in Verwaltungsverfahren und mit Mitteln des OWiG durchgesetzt werden. Die Gesetzesbegründung scheint sodann – wenn auch sprachlich missglückt – dem LkSG den Charakter eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB explizit absprechen zu wollen.

 

Rz. 69

Abzuwarten bleibt, wie sich die abzeichnende NGO-Klageindustrie mit diesen Aussagen arrangieren wird und ob ggf. Zivilgerichte gleichwohl Wege finden (wollen), eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung zu begründen. Einzelne juristische Stimmen argumentieren bereits für die (faktische) Anwendbarkeit des LkSG i. R. d. § 823 Abs. 1 BGB bzw. für eine gleichwohl bestehende Sorgfaltspflichthaftung.[2]

[1] Vgl. Stöbener de Mora/Noll, NZG 2021, S. 1285.
[2] Vgl. Ehmann/Berg, GWR 2021, S. 291; Wagner/Ruttloff, NJW 2021, S. 2150.

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