Rz. 15

Der eigene Geschäftsbereich des Unternehmens wird in § 2 Abs. 6 LkSG definiert als "jede Tätigkeit des Unternehmens zur Erreichung des Unternehmensziels". Weiter heißt es, dass damit "jede Tätigkeit zur Herstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen, unabhängig davon, ob sie an einem Standort im In- oder Ausland vorgenommen wird", erfasst ist. Im Hinblick auf Konzernstrukturen bestimmt das Gesetz, dass in verbundenen Unternehmen eine konzernangehörige Gesellschaft dann zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft gehört, wenn die Obergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die konzernangehörige Gesellschaft ausübt.

 

Rz. 16

Das entscheidende Kriterium bzgl. der Frage, ob eine verbundene Gesellschaft zum eigenen Geschäftsbereich zählt, ist der "bestimmende Einfluss". In der Gesetzesbegründung heißt es diesbzgl., dass erste Voraussetzung immer die Existenz von Einflussmöglichkeiten nach dem jeweiligen anwendbaren nationalen Recht sein muss. Alle erheblichen Gesichtspunkte sind sodann in einer Gesamtschau zu würdigen, wobei hierfür alle wirtschaftlichen, personellen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft im Zusammenhang zu betrachten und zu gewichten sind. Indizien für bestimmenden Einfluss sind eine hohe Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft, die Existenz eines konzernweiten Compliance-Systems, die Übernahme von Verantwortung für die Steuerung von Kernprozessen im Tochterunternehmen, eine rechtliche Struktur, die die Möglichkeit der Einflussnahme abbildet, personelle Überschneidungen auf Geschäftsleitungsebene, ein bestimmender Einfluss auf das Lieferkettenmanagement der Tochtergesellschaft, die Einflussnahme über die Gesellschafterversammlung und Ähnlichkeiten hinsichtlich der Geschäftsbereiche von Ober- und Tochtergesellschaft.[1]

 

Rz. 17

Sofern demnach ein bestimmender Einfluss gegeben ist, fällt auch eine ausländische Tochtergesellschaft in den eigenen Geschäftsbereich der deutschen Muttergesellschaft. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Referat CSR) soll die deutsche Muttergesellschaft dann verpflichtet sein, den kompletten Sorgfaltspflichtenkatalog zu erfüllen, und zwar unabhängig davon, ob die Tochtergesellschaft geschäftlichen Aktivitäten in Deutschland nachgeht oder nach Deutschland exportiert.[2] In dieser Konstellation einer ausländischen Tochtergesellschaft müsste die Obergesellschaft – folgt man der Auslegung des Referats CSR des Bundesministeriums – in Bezug auf den Geschäftsbereich der Tochter sowie auf deren unmittelbare und mittelbare Zulieferer Sorgfaltsmaßnahmen entsprechend dem detaillierten Katalog des Abschn. 2 des Gesetzes wahrnehmen.

 

Rz. 18

Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte dieser weiten Interpretation zukünftig gewisse Schranken auferlegen werden. Insbes. auch aus völkerrechtlicher Sicht erscheint es durchaus nicht unproblematisch, wenn der deutsche Gesetzgeber meint, berechtigt zu sein, (mittelbar mit extraterritorialer Wirkung[3]) regulierend in die Vertragsbeziehungen bspw. einer chinesischen Tochtergesellschaft eines deutschen Konzerns mit einem chinesischen Zulieferer einzugreifen.

 

Rz. 19

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat gleichwohl in den Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz vom 3.1.2023 nochmals seine Sichtweise einer weiten Auslegung bekräftigt:

Bei der Frage, inwieweit Konzerngesellschaften einer deutschen Konzernmutter im Ausland als Teil des "Geschäftsbereichs" in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, heißt es in FAQ BMAS vom 3.1.2023 in Ziffer IV.10, dass die deutsche Konzernmutter bezogen auf die Tochtergesellschaft den kompletten Sorgfaltspflichtenkatalog zu erfüllen hat – sofern sie einen bestimmenden Einfluss auf die ausländische Tochtergesellschaft (vgl. § 2 Abs. 6 LkSG) hat – "unabhängig davon, ob die Tochter geschäftliche Aktivitäten in Deutschland entfaltet oder ob sie nach Deutschland exportiert".

 

Rz. 20

Gegen diese in der Praxis nur schwer umsetzbare Auslegung der Exekutive werden zunehmend an Telos und Gesetzeshistorie orientierte Auslegungsalternativen diskutiert: Mit guten Argumenten lässt sich eine Differenzierung nach dem sog. Marktortbezug vertreten. Demnach erstrecken sich die Sorgfaltspflichten des LkSG nicht auf Produkte und Dienstleistungen ausländischer Tochtergesellschaften, die für ausländische Märkte vorgesehen sind. Die Anknüpfungskriterien des § 1 Abs. 2 LkSG stellen sicher, dass die Pflichten nach dem LkSG nur für Produkte und Dienstleistungen gelten, die in Deutschland erbracht werden.[4]

Dieses Argument stieß i. R.d. Gesetzgebungsprozesses bei der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Kritik. In der Begründung des Änderungsantrags der Grünen zu dem Gesetzentwurf auf Drucksache 19/28649 hieß es, dass der Änderungsantrag vorsehe, neben in Deutschland ansässigen Unternehmen "auch außereuropäische Unternehmen zu erfassen"[5]. Das Gesetz sollte für alle außereuropäischen Unternehmen gelten,...

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