Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. k i.V.m. Art 12 Abs. 1 und 3 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass die Lieferung eines unbebauten Grundstücks, das durch den für die Errichtung eines Neubaus vorgenommenen Abriss darauf befindlicher Altgebäude entstanden ist, nicht umsatzsteuerfrei ist.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. k MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten die Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL. Art. 12 Abs. 3 MwStSystRL sieht vor, dass als "Baugrundstück" erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten gelten. Die Niederlande haben die Bestimmungen des Art. 135 Abs. 1 Buchst. k i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 MwStSystRL (vormals Art. 13 Teil B Buchst. h i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie) durch Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 des NL-UStG umgesetzt. Danach sind umsatzsteuerfrei die Lieferung von Grundstücken und Rechten daran. Ausgenommen von der Steuerbefreiung ist die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor oder spätestens zwei Jahre nach dem Erstbezug erfolgt, sowie die Lieferung von Baugrundstücken. Für die Anwendung von Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 gilt nach Art. 11 Abs. 4 NL-UStG als Baugrundstück jedes unbebaute Grundstück, an dem Arbeiten vorgenommen werden oder wurden, in Bezug auf das Maßnahmen getroffen werden oder wurden, die ausschließlich dem Grundstück dienen, in dessen Umgebung Maßnahmen getroffen werden oder wurden oder für dessen Bebauung eine Baugenehmigung erteilt worden ist. Nach niederländischem Recht ist zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei einem mehrwertsteuerpflichtigen Erwerb von Immobilien dieser Erwerb von der auf den Kaufpreis zu berechnenden GrESt befreit. Die Lieferung eines Baugrundstücks ist mehrwertsteuerpflichtig. Die Lieferung eines unbebauten Grundstücks ist dagegen von der MwSt befreit und bleibt der GrESt unterworfen.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 einer Gemeinde (Verkäufer) eine Grundstücksparzelle. Zu diesem Zeitpunkt stand auf der Parzelle ein Altgebäude. Neben dem Gebäude befand sich ein öffentlicher gepflasterter Parkplatz. Der Kaufvertrag sah vor, dass die Lieferung des Kaufgegenstands in erschlossenem Zustand erfolgen sollte, da die Klägerin beabsichtigte, auf der Parzelle Wohnungen, gegebenenfalls in Kombination mit Büroräumen und Parkmöglichkeiten, bauen zu lassen. Hierzu war vereinbart worden, dass der Verkäufer für den Abriss des Gebäudes sowie für die Entfernung des Parkplatzpflasters sorgen sollte. Der Kaufpreis für die Parzelle enthielt auch die Abrisskosten. Im Jahr 2007 ließ der Verkäufer das Altgebäude vollständig abreißen und den angefallenen Bauschutt abtransportieren. Im Anschluss daran lieferte der Verkäufer die Parzelle notariell beurkundet an die Klägerin. Zu diesem Zeitpunkt war der Parkplatz noch in Gebrauch; das Pflaster war noch nicht entfernt worden. Nach der Lieferung wurde der Teil der Parzelle, auf dem das Altgebäude gestanden hatte, im Auftrag und für Rechnung der Klägerin eingeebnet. Sie machte geltend, dass die Lieferung der Parzelle gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. a Nr. 1 NL-UStG umsatzsteuerpflichtig sei und sie deshalb nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. a des NL-VerkehrsteuerG für den Erwerb der Parzelle keine GrESt schulde. Die niederländische Finanzverwaltung war hingegen der Ansicht, dass die Lieferung ein unbebautes Grundstück betreffe damit der GrESt unterliege. Infolgedessen erging an die Klägerin ein Bescheid über die Nacherhebung von GrESt.

Die Vorinstanz hatte mit Hinweis auf das EuGH-Urteil v. 19.11.2009, C-461/08, Don Bosco Onroerend Goed, entschieden, dass der Verkäufer ein unbebautes Grundstück an die Klägerin geliefert habe. Nach ständiger Rechtsprechung des Hoge Raad der Nederlanden ist Art. 11 Abs. 4 Buchst. a NL-UStG dahin auszulegen, dass beim vollständigen Abriss eines Gebäudes das nicht mehr bebaute Grundstück erst dann als Baugrundstück anzusehen ist, wenn nach dem Abriss Arbeiten am Grundstück für eine neue Bebauung vorgenommen worden sind. Beim Abriss selbst handelt es sich nach der Rechtsprechung des Hoge Raad somit nicht um Arbeiten im Sinne von Art. 11 Abs. 4 Buchst. a NL-UStG, und zwar selbst dann nicht, wenn der Abriss für einen späteren Neubau auf dem nicht mehr bebauten Grundstück vorgenommen worden ist.

Im vorliegenden Verfahren wurde die Frage aufgeworfen, ob diese Auffassung mit dem EuGH-Urteil v. 19.11.2009, C-461/08, Don Bosco Onroerend Goed, vereinbar ist. In seinem Urteil v. 28.3.1996, C-468/93, Gemeente Emmen, hatte der EuGH festgestellt, dass es in Anbetracht der ausdrücklichen Verweisung in Art. 4 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie auf die Begriffsbestimmungen der Baugrundstücke durch die Mitgliedstaaten deren Sache sei, für die Anwendung von Art. 13 Teil B Buchst. h der 6. EG-Richtlinie die Grundstücke zu bestimmen, die als Ba...

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