Leitsatz

1. Dient eine vom Unternehmer begebene Inhaberschuldverschreibung dazu, seine umsatzsteuerpflichtige Unternehmenstätigkeit zu finanzieren, ist der Unternehmer aus den bei der Ausgabe der Inhaberschuldverschreibung entstehenden Kosten zum Vorsteuerabzug berechtigt.

2. Zur richtlinienkonformen Auslegung von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL.

 

Normenkette

§ 4, § 15 UStG 1999/2005, Art. 17 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine AG, begab zur Aufnahme von Kapital für ihre umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit Inhaber-Teilschuldverschreibungen und machte vergeblich die Vorsteuer für die zur Begebung der beiden Anleihen entstandenen Kosten geltend.

 

Entscheidung

Die Revision führte zur Zurückverweisung, denn die Feststellungen des FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.06.2009, 12 K 1944/09, Haufe-Index 2204672, EFG 2009, 1861) erlaubten keine Beurteilung, ob die Eingangsleistungen steuerpflichtig waren. War dies nicht der Fall, entfällt der Vorsteuerabzug, weil nur die "geschuldete" USt als Vorsteuer abziehbar ist. Zu prüfen waren die Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 Buchst. d und Buchst. e UStG.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist ein weiterer Schritt zur Klärung der umstrittenen Sphärentheorie. Der EuGH bestätigte die Rechtsprechungsrichtung:

1.§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG und Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-RL haben zwar nicht ganz denselben Wortlaut, aber denselben Inhalt: Abziehbar sind Vorsteuerbeträge nur, wenn die Leistungen für Zwecke der besteuerten Umsätze des Unternehmers bezogen sind, wenn also die Eingangsleistung direkt und unmittelbar mit den zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätzen zusammenhängt.

2. Zunächst ist zu prüfen, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, besteht. Die Eingangsleistungen müssen "zu den Kostenelementen der zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören" (vgl. EuGH, Urteil vom 29.10.2009, C-29/08, BFH/NV 2009, 2099, SKF, Rz 62); das bedeutet nicht, dass sie vorherige Kalkulationsgrundlage für den Preis der Ausgangsleistung sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die Ausgaben ausschließlich der betreffenden Ausgangstätigkeit zuzurechnen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 29.10.2009, C-29/08, BFH/NV 2009, 2099, SKF Rz. 72).

3. Besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, ist der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn die Kosten für die betreffenden Leistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Kostenelemente seiner Lieferungen oder Dienstleistungen sind. Abziehbar ist die Vorsteuer dann (nur), soweit es sich dabei um Umsätze mit dem Recht auf Vorsteuerabzug handelt.

4. Geht der Unternehmer neben den steuerpflichtigen oder steuerfreien wirtschaftlichen Tätigkeiten auch nicht wirtschaftlichen, d.h. nicht in den Anwendungsbereich der USt fallenden Tätigkeiten, nach (z.B. das Halten von Beteiligungen ohne Eingriff in die Verwaltung), ist der Abzug der Vorsteuer auf Aufwendungen für bezogene Leistungen nur zulässig, soweit die Aufwendungen der wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind.

5. Bezieht eine Gesellschaft mit besteuerten Umsätzen Dienstleistungen bei der Aufnahme eines Gesellschafters gegen Bareinlage oder beim Erwerb einer Beteiligung zur Finanzierung ihrer besteuerten Umsätze, erhält sie den Vorsteuerabzug, obwohl dies für sich betrachtet keine wirtschaftlichen Tätigkeiten sind, weil die Kosten dieser Dienstleistungen zu ihren allgemeinen Kosten gehören und deshalb grundsätzlich direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen. Gleiches gilt für die erstmalige Ausgabe von Aktien oder die Begebung von Inhaberschuldverschreibungen (beides Wertpapiere) – zu unterscheiden vom Verkauf bestehender Wertpapiere der betreffenden Art. Vom Standpunkt der ausgebenden Gesellschaft aus besteht das Ziel im Erwerb von Kapital und nicht in der Erbringung einer Dienstleistung. Aus der Sicht des Anteilseigners stellt die Zahlung der zur Kapitalerhöhung erforderlichen Beträge keine Gegenleistung dar, sondern eine Investition oder Kapitalanlage.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.05.2010 – V R 29/09

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