Zusammenfassung

 
Überblick

Der Arbeitgeber hat bei jeder Lohnzahlung die Steuerabzugsbeträge für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten. Diese gesetzliche Abzugsverpflichtung lässt die Eigenschaft des Arbeitnehmers als Steuerschuldner unberührt. Allerdings kann der Arbeitgeber anstelle des Arbeitnehmers als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er seiner Verpflichtung nicht rechtmäßig nachkommt. Besonders im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung stellt sich häufig die Frage, ob die Lohnsteuernachforderung gegenüber dem Arbeitnehmer, der nach § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer ist, oder gegenüber dem Arbeitgeber als Haftungsschuldner geltend zu machen ist. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist deshalb von Interesse, ob das Finanzamt das ihm zustehende Auswahlermessen zutreffend ausgeübt hat. Dabei kann das Finanzamt das Auswahlermessen solange ausüben, wie die zugrunde liegende Lohnsteuer noch nachgefordert werden kann.

Die Festsetzungsfrist für den Lohnsteuer-Haftungsbescheid endet nicht vor Ablauf der Frist für die Lohnsteuerfestsetzung (BFH, Beschluss v. 17.3.2016, VI R 3/15, BFH/NV 2016 S. 994). Umgekehrt wird durch eine Lohnsteuer-Außenprüfung beim Haftungsschuldner auch die Festsetzungsverjährung der Lohnsteuerschuld beim Arbeitnehmer gehemmt. Wird der Arbeitnehmer zur Einkommensteuer veranlagt, tritt dieselbe Ablaufhemmung hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung durch das Wohnsitzfinanzamt ein. Die Einkommensteuerbescheide dürfen so lange geändert werden, als die Festsetzungsfrist für die Lohnsteuererhebung beim Arbeitgeber noch möglich ist. Der Gleichlauf der Festsetzungsfristen beim Arbeitgeber als Steuerentrichtungsschuldner und dem Arbeitnehmer als Steuerschuldner ist durch § 171 Abs. 15 AO geregelt.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen finden sich in § 42d EStG. Die Verwaltung hat in R 42d.1–7 LStR Stellung genommen.

1 Haftungsumfang

Der Arbeitgeber haftet nur für folgende im Gesetz abschließend aufgezählte Sachverhalte[1]:

  • die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat,
  • die Lohnsteuer, die er beim betrieblichen Lohnsteuer-Jahresausgleich zu Unrecht erstattet hat,
  • die Einkommensteuer/Lohnsteuer, die aufgrund fehlerhafter Angaben in dem von ihm zu führenden Lohnkonto oder in der Lohnsteuerbescheinigung verkürzt worden ist.

In diesen Fällen gilt die Haftung auch bei Lohnzahlung durch Dritte, soweit der Arbeitgeber zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet ist.[2]

2 Arbeitgeberhaftung oder Nachforderung beim Arbeitnehmer

2.1 Inanspruchnahme des Arbeitnehmers

Die im Lohnsteuerverfahren zu wenig einbehaltenen Steuerabzugsbeträge sind beim Arbeitnehmer im Wege eines Lohnsteuernachforderungsbescheids oder aber im Wege einer Änderung des Einkommensteuerbescheids, falls eine Einkommensteuerveranlagung durchgeführt worden ist, immer dann nachzuerheben, wenn der Erlass eines Haftungsbescheids gegenüber dem Arbeitgeber entweder gesetzlich oder im Rahmen der Ermessensausübung ausgeschlossen ist.

2.1.1 Gesetzlicher Ausschluss des Arbeitgebers

Die Haftung entfällt insbesondere in folgenden gesetzlich geregelten Fällen:

  • Der Arbeitnehmer hat ihm obliegende Anzeigepflichten verletzt und die Lohnsteuer ist deshalb nachzufordern, z. B. weil der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Anzeige freiwilliger Trinkgelder nicht nachgekommen ist.[1]
  • Der Arbeitgeber ist seiner unverzüglichen Verpflichtung zur Anzeige, dass er von seiner Berechtigung zur nachträglichen Einbehaltung von Lohnsteuer keinen Gebrauch machen will, nachgekommen.[2]
 
Wichtig

Haftungsbefreiende Arbeitgeberanzeige

Die Möglichkeit einer haftungsbefreienden Anzeige für zu wenig einbehaltene Lohnsteuer sieht das Gesetz vor, falls

  • Änderungen bei den Lohnsteuerabzugsmerkmalen eines Arbeitnehmers, die nach Beginn des Dienstverhältnisses vorgenommen worden sind, auf einen Zeitpunkt vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückwirken,
  • der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keinen Arbeitslohn mehr bezieht oder
  • der Arbeitgeber nach Ablauf des Kalenderjahres bereits die Lohnsteuerbescheinigung ausgeschrieben hat.

Die Anzeige muss der Arbeitgeber schriftlich beim lohnsteuerlichen Betriebsstättenfinanzamt vornehmen.

  • Eine Nachversteuerung von geldwerten Vorteilen aus der Überlassung von Vermögensbeteiligungen[3] ist vorzunehmen oder
  • der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer nach den Vorgaben einer Lohnsteuer-Anrufungsauskunft bzw. im Einklang mit einem BMF-Schreiben einbehalten[4] oder
  • die Haftungsanforderung übersteigt nicht 10 EUR.[5]

2.1.2 Ermessensausschluss des Arbeitgebers

In allen übrigen Fällen sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner der Lohnsteuer, d. h., dass das Finanzamt im Rahmen seines Ermessens zu entscheiden hat, welcher der beiden für die zu wenig einbehaltene Lohnsteuer in Anspruch zu nehmen ist. Die Ermessungsgründe sind spätestens im Klageverfahren vorzubringen. Eine Heilung von Ermessensfehlern im Revisionsverfahren ist nicht zulässig.[1]

Wird im Anschluss an...

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