IAS 38.8 und IAS 38.54 ff. treffen eine Unterscheidung zwischen Forschungsaufwendungen und Entwicklungsaufwendungen.

  • Forschung zielt darauf ab, zu neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen zu gelangen.
  • Entwicklung ist die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen mit dem Ziel der Verbesserung und Innovation von Materialien, Vorrichtungen, Produkten oder Verfahren.

Die Entwicklungsphase nimmt eine Zwischenstellung zwischen der Forschung und der Aufnahme der kommerziellen Produktion ein. Die Abgrenzung zur Forschungsphase kann im Einzelfall schwierig sein. Soweit sie bei einem Projekt nicht gelingt, sind alle Projektkosten als Forschungsaufwendungen zu behandeln.

Während Forschungsaufwendungen einem Aktivierungsverbot unterliegen, sind Entwicklungsaufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen aktivierungspflichtig. Entwicklungskosten müssen dazu gemäß IAS 38.57 u. a. folgende Bedingungen erfüllen:

  • technologische Realisierbarkeit (technical feasibility) des Projekts,
  • Nutzen des immateriellen Vermögenswerts entweder im Unternehmen selbst oder durch die nachgewiesene Existenz eines Markts für den immateriellen Vermögenswert selbst oder seinen Produktions-Output,
  • Verfügbarkeit der Ressourcen zur Vollendung und Nutzung des immateriellen Vermögenswerts.

Unter Einbeziehung der nachgelagerten Produktpflege ergibt sich hieraus folgendes Prozessmodell:

Abb. 2: Forschungs- und Entwicklungsprozess

Vor allem das Kriterium der technischen Realisierbarkeit ist unscharf und eröffnet faktische bilanzpolitische Spielräume. Deutlich wird dies etwa am Beispiel der Softwareentwicklung. Die technische Realisierbarkeit lässt sich hier über die Komplettierung eines detaillierten Programmdesigns definieren. Die Schwierigkeit in der Anwendung dieses Kriteriums liegt aber darin, "that there is no such thing as a real, specific, baseline design. But you could make it look like you have one as early or as late as you like."[1]

 

Tipp

Da, um das Zitat aufzugreifen, keine greifbare Grenze zwischen nachgewiesener und noch nicht nachgewiesener technischer Realisierbarkeit besteht, wird ein formelles Aktivierungsgebot faktisch zu einem Ansatzwahlrecht.

Die bilanzpolitischen Möglichkeiten erweitern sich noch dadurch, dass IAS 38.53 für den Fall einer fehlenden Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase vorsieht, alle mit dem betreffenden Projekt verbundenen Ausgaben so zu behandeln, als ob sie lediglich in der Forschungsphase angefallen wären.

 

Beispiel

Die Software-GmbH bringt Anfang 03 ein neues Business-to-Business-Produkt auf den Markt. Die FuE-Aufwendungen der Jahre 00, 01 und 02 belaufen sich jeweils auf 500 TEUR. Der als Aktivierungsobergrenze dienende erzielbare Betrag (recoverable amount) wird Ende 01 auf 500 TEUR und Ende 02 auf 900 TEUR geschätzt. Das Projekt hat in 00 als Forschungsvorhaben begonnen und ist in den Jahren 01, stärker noch in 02 in die Entwicklungsphase übergegangen. Die Software-GmbH hat drei Alternativen:

  1. Sie erfasst die gesamten 1,5 Mio. EUR als Aufwand mit dem Argument, dass der Übergang zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase fließend und eine klare Trennung nicht möglich gewesen sei. Nach IAS 38.53 müssten deshalb sämtliche Aufwendungen als Forschungsaufwendungen behandelt und von der Aktivierung ausgeschlossen werden.
  2. Die Software-GmbH definiert die Aufwendungen bis einschließlich 01 noch als Forschungsaufwendungen und findet Gründe dafür, dass Ende 01/Anfang 02 die Entwicklungsphase begonnen hat. Die Software-GmbH behandelt demgemäß 1 Mio. EUR als Forschungsaufwand der ersten beiden Jahre und aktiviert 500 TEUR als Entwicklungsleistung im dritten Jahr.
  3. Die Software-GmbH legt den Schnittpunkt zwischen Forschungs- und Entwicklungsphase auf den Jahreswechsel 00/01 (auch ein unterjähriger Zeitpunkt käme infrage). Sie behandelt demgemäß 500 TEUR als aufwandswirksam und aktiviert 500 TEUR in 01 und weitere 500 TEUR in 02. Der Aktivierungsbetrag von insgesamt 1 Mio. EUR liegt jedoch über dem recoverable amount von 900 TEUR per 31.12.02. Unter Anwendung von IAS 36 "Wertminderung von Vermögenswerten" werden deshalb weitere 100 TEUR abschreibungsweise in den Aufwand genommen. Insgesamt werden 600 TEUR (500 TEUR in 00, 100 TEUR in 02) aufwandswirksam behandelt.

Eine Aktivierung von Entwicklungskosten kann nach allem an zwei Voraussetzungen scheitern:

  • an dem erst gegen Ende der Entwicklung möglichen Nachweis von technischer Realisierbarkeit, Nutzen, Existenz eines Markts usw.,
  • an der mangelnden Trennbarkeit von Forschungs- und Entwicklungsphase.

Das erste Argument wird z. B. standardmäßig in der Pharmaindustrie genutzt.

 

Beispiel

Die Nürnberger Trichter AG hat das Medikament MEM 1414 zur Steigerung von Lern- und Gedächtnisleistungen entwickelt. Die klinischen Tests sind erfolgreich verlaufen. U. a. wurde in einem Doppelblindtest mit Buchhaltern und Beratern der Nachweis erbracht, dass die komplexe Materie der IFRS signifikant schneller erlernt und besser behalten wird. W...

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