Rz. 87

Nach IAS/IFRS sind selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte aktivierungspflichtig. Da insbesondere die Aktivierungsfähigkeit von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten schwierig zu beurteilen ist, sind neben den allgemeinen Bestimmungen für den Ansatz und die erstmalige Bewertung die besonderen Vorschriften der IAS 38.52-67 anzuwenden (IAS 38.51). Aufgrund der strengen Kriterien zur Aktivierung von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten wird allerdings die Auffassung vertreten, es sei "unwahrscheinlich, dass [sie, der Verf.] in großem Umfang in die Bilanz aufgenommen werden können".[1] Zur Beurteilung der Aktivierungsfähigkeit von selbst geschaffenen immateriellen Vermögenswerten wird der Erstellungsprozess nach IAS 38.52 in:

  • eine Forschungsphase und
  • eine Entwicklungsphase

getrennt.

 

Rz. 88

Die Forschung (Research) wird nach IAS 38.8 als die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen definiert. Dazu gehören nach IAS 38.56 z. B. die Aktivitäten zur Gewinnung neuer Erkenntnisse sowie die Beurteilung und die endgültige Auswahl von Anwendungen für die Forschungsergebnisse, aber auch die Suche nach Alternativen für Materialien, Vorrichtungen, Produkte, Verfahren, Systeme oder Dienstleistungen. Die Entwicklung (Development) zeichnet sich dadurch aus, dass die Forschungsergebnisse oder anderes Wissen in der Entwicklungsphase zur Produktion oder wesentlichen Verbesserung von Materialien, Vorrichtungen, Produkten, Verfahren, Systemen oder Dienstleistungen eingesetzt werden (IAS 38.8). Somit weist die Entwicklung im Gegensatz zur Forschung einen direkten Produktbezug auf.[2] Dennoch stellen diese Definitionen häufig keine trennscharfe Abgrenzung zwischen den beiden Phasen dar, weshalb sich für das bilanzierende Unternehmen dadurch ein Ermessensspielraum ergibt, dass bestimmte Sachverhalte als Forschungs- oder als Entwicklungskosten behandelt werden.[3] Dieses faktische Wahlrecht wird jedoch vom IAS 38.53 relativiert,[4] nach dem Aufwendungen für einen Vermögenswert – sofern die Forschungsphase von der Entwicklungsphase nicht abgegrenzt werden kann – so zu behandeln sind, als ob sie in der Forschungsphase angefallen sind.

 

Rz. 89

Für Forschungsaufwendungen besteht nach IAS 38.54 ein Aktivierungsverbot. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass der künftige wirtschaftliche Nutzen, der durch die Erzeugung des Vermögenswerts entstehen wird, in der Forschungsphase noch nicht festgelegt werden kann oder als unsicher gilt.[5]

 

Rz. 90

Für Aufwendungen der Entwicklungsphase besteht eine Aktivierungspflicht, wenn die folgenden Objektivierungskriterien vom entstehenden Vermögenswert kumulativ erfüllt sind (IAS 38.57):

  • technische Realisierbarkeit der Fertigstellung zur Nutzung oder zum Verkauf,
  • Absicht der Fertigstellung bzw. der internen Nutzung oder des Verkaufs,
  • Fähigkeit des Unternehmens zur eigenen Nutzung oder zum Verkauf des immateriellen Vermögenswerts,
  • Nachweis der Art und Weise der künftigen wirtschaftlichen Nutzenerzielung,
  • Verfügbarkeit von adäquaten technischen, finanziellen und sonstigen Ressourcen zum Abschluss der Entwicklung sowie zum späteren Verkauf bzw. zur späteren Nutzung,
  • Fähigkeit zur verlässlichen (reliability) Ermittlung der zurechenbaren Ausgaben.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann durch verschiedene Mittel wie z. B. eine DCF-Analyse über das Bestehen eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens oder einen Geschäftsplan über die Verfügbarkeit von hinreichenden Ressourcen zur Realisation der Entwicklung nachgewiesen werden. Somit eröffnet sich insbesondere für Unternehmen, die die notwendigen Nachweise erbringen können, ein implizites Wahlrecht, ob sie diese Nachweise tatsächlich erbringen.[6]

Die aktivierungsfähigen Entwicklungskosten sind zum Zeitpunkt der erstmaligen Erfüllung dieser Kriterien zu aktivieren. Dabei sind sie mit dem Wert der direkt dem Entwicklungsprozess zuzuordnenden Kosten anzusetzen. Früher als zu diesem Zeitpunkt (auch im selben Geschäftsjahr) entstandene Entwicklungsaufwendungen dürfen nicht nachträglich aktiviert werden (IAS 38.71). Somit ist die Konstellation denkbar, dass ein immaterieller Vermögenswert nur mit einem Teil seiner Herstellungskosten aktiviert wird.[7]

 

Rz. 91

Ferner bestehen explizite Aktivierungsverbote für den selbst geschaffenen (originären) Firmenwert (IAS 38.48) sowie für selbst geschaffene Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte und Kundenlisten sowie ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte (IAS 38.63).

[1] Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, 25. Aufl. 2018, S. 193.
[2] Vgl. Buchholz/Weis, DStR 2002, S. 516.
[3] Vgl. Euler, BB 2001, S. 2636; Kirsch, BB 2003, S. 1112.
[4] Vgl. Baetge/von Keitz, in Baetge u. a., Rechnungslegung nach IFRS, Kommentar auf der Grundlage des deutschen Bilanzrechts, IAS 38 Rz. 57, Stand: Juni 2020.
[5] Vgl. Engel-Ciric, DStR 2002, S. 781.
[6] Vgl. Buchholz, Internationale Rechnungslegung, 14. Aufl. 2018, S. 66; Wagenho...

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