Revision eingelegt (BFH IX R 29/16)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Gesellschafter-Darlehen bei der Ermittlung eines Auflösungsverlustes - keine zwangsläufige Insolvenzreife bei Überschuldung einer Gesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach Aufhebung des § 32a GmbHG durch das MoMiG ist die Definition der "Krise der Gesellschaft" aus § 32a Abs. 1 GmbHG a. F. weiterhin anzuwenden, um festzustellen, ob ein Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst wurde.

2. Auch wenn die GmbH rechnerisch überschuldet ist, liegt Insolvenzreife nicht vor, wenn die Fortführung des Unternehmens nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Überwiegend wahrscheinlich ist die Fortführung der Kapitalgesellschaft, wenn nach pflichtgemäßer Einschätzung eines objektiven fachkundigen Dritten das Unternehmen sanierungsfähig ist und für dessen Sanierung in Anspruch genommene Maßnahmen objektiv geeignet sind, das Unternehmen in überschaubarer Zeit zu sanieren. Liegen diese Voraussetzungen vor und kann auch nicht die Kreditunwürdigkeit der GmbH festgestellt werden, so führt dies dazu, dass das Gesellschafter-Darlehen nicht "in der Krise" gegeben wurde.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1; HGB § 255

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 11.10.2017; Aktenzeichen IX R 29/16)

BFH (Urteil vom 11.10.2017; Aktenzeichen IX R 29/16)

 

Tatbestand

Strittig ist, ob im Rahmen der Ermittlung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG Gesellschafterdarlehen als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind.

Durch Notarvertrag vom 28. Dezember 1995 (Blatt 3-28 Vertragsakten) gründete der Kläger die "X Grundstücksgesellschaft mbH" (nachfolgend kurz X GmbH genannt) mit einem Stammkapital in Höhe von 50.000 DM und ließ sich von ihr zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellen (Blatt 5 Vertragsakten). Unternehmensgegenstand war der An- und Verkauf sowie die Bebauung von Grundstücken, ferner deren Vermietung sowie die Tätigkeit als Bauträger und Baubetreuung im Wohnungs- und Gewerbebau (Blatt 8 Vertragsakten).

Mit notariellem Kaufvertrag vom 4. Januar 1996 erwarb die X GmbH von der Bundesrepublik Deutschland das 3.241 m² umfassende Grundstück N-Straße Hausnummer in K zu einem Kaufpreis in Höhe von 800.000 DM (Blatt 31 PA). Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm die X GmbH bei der Sparkasse K am 3. Januar 1996 ein bis zum 30. Januar 1999 befristetes Darlehen in Höhe von 750.000 DM auf (Blatt 31 PA). Die X GmbH beabsichtigte, das Grundstück zu bebauen. Zur Finanzierung der Baumaßnahme räumte die Sparkasse der X GmbH am 4. Juli 1996 einen Kredit in laufender Rechnung bis zur Höhe von 5.250.000 DM befristet bis zum 31. August 1997 ein (Leitzordner, dort Anlage 1b). Mit Schreiben vom 27. Februar 1997 kündigte die Sparkasse das Darlehen über 750.000 DM fristlos und forderte von der X GmbH die Zahlung von 754.832,71 DM (Blatt 34 PA). Im Rahmen der von der X GmbH erhobenen Vollstreckungsgegenklage gelangte das Landgericht in seinem Urteil vom 26. Juni 1998 (Blatt 30-40 PA) zu dem Ergebnis, dass die Sparkasse den Darlehensvertrag deshalb habe fristlos kündigen dürfen, weil die X GmbH bereits zum Zeitpunkt der nachträglich erklärten ordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 5. Januar 1998 überschuldet gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts K vom 26. Juni 1998 verwiesen.

Eigenen Angaben des Klägers zufolge konnte für die in den Jahren 1997 bis 1999 unter Zwangsverwaltung stehende X GmbH im Jahr 2000 mit der Kreissparkasse M eine finanzierende Bank gefunden werden.

Trotz erklärter Gewinne in den Jahren 1998, 2005 und 2011 wies die Bilanz der X GmbH während ihres gesamten Bestehens einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag aus. Ihre zwischen Gründung und Auflösung erwirtschafteten Verluste summierten sich laut den eingereichten Bilanzen auf eine Gesamthöhe von 247.830,90 € (= ./. 193.992,92 DM in 1996 + ./. 203.429,27 in 1997 + 238.416,99 DM in 1998 + ./. 38.194,51 DM in 1999 + ./. 59.665,44 DM in 2000 + ./. 144.444,35 DM in 2001 + ./. 4.578,89 € in 2002 + ./. 19.191,71 € in 2003 + ./. 23.858,75 € in 2004 + 12.858,23 € in 2005 + ./. 3.469,58 € in 2006 + ./. 1.083,79 € in 2007 + ./. 2.431,76 € in 2008 + ./. 1.079,84 € in 2009 + ./. 1.143,18 € in 2010 + 1.336,66 € in 2011).

Zwischen Januar 1996 und Mai 2011 gewährte der Kläger seiner GmbH in 48 Einzelverträgen "unter Berücksichtigung der Bonität des Darlehensnehmers" ohne jegliche Sicherheiten folgende Darlehensbeträge: 150.000 DM in 1996, 61.500 DM in 1997, 51.500 DM in 1998, 38.000 DM in 1999, 29.000 DM in 2000, 40.000 DM in 2001, 7823 € in 2002, 3.000 € in 2003, 6.300 € in 2004, 107.000 € in 2005, 2.000 € in 2006, 0 € in 2007, 11.300 € in 2008, 0 € in 2009, 1.000 € in 2010 und 400 € in 2011, insgesamt also 328.000 € (Leitzordner, dort Anlage 2a bis Anlage 2.1 z). Die bis zum 15. Dezember 2004 abgeschlossenen Darlehensverträge sahen ursprünglich eine Verzinsung zwischen 3,5 % bis 8 % vor. Auf die Verzinsung verzichtete...

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