Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Abzugsfähigkeit von Beiträgen an eine Solidargemeinschaft als Sonderausgaben

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Solidargemeinschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, deren Mitglieder sich gegenseitig eine umfassende Krankenversorgung zusichern, ist keine Einrichtung, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gewährt und auf deren Leistungen ein Rechtsanspruch besteht.

2. Wenn die Vereinssatzung keine ausdrücklichen Anspruchsgrundlagen für Leistungen vorsieht, wie sie etwa §§ 20 ff. i.V.m. § 11 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung enthalten, besteht kein Leistungsanspruch, welcher Voraussetzung für die Abziehbarkeit der Beiträge als Sonderausgaben ist.

 

Normenkette

SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, § 11 Abs. 1 S. 1, § 176; VVG § 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 2; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a S. 1, Nr. 3 Buchst. b, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; BGB § 194 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2023; Aktenzeichen X R 21/22)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für 2017 (Streitjahr) die Berücksichtigung von Beiträgen an einen Solidarverein im Rahmen des Sonderausgabenabzuges streitig.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie zahlten für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall an den Verein „X e.V.” (im Folgenden: Solidargemeinschaft) Beiträge in folgender Höhe:

Kläger

Klägerin

Krankenabsicherung (Basisabsicherung)

3.757 €

823 €

Krankenabsicherung (Mehrleistungen)

355 €

87 €

Pflegeabsicherung

236 €

218 €

Die im Streitjahr gültige Satzung der Solidargemeinschaft, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, (im Folgenden: Satzung) enthält – u.a. – die folgenden Regelungen:

㤠2 Zweck des Vereins

(1)

Die Solidargemeinschaft ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung.

(2)

Zwecke des Vereins sind:

a.

Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht; […].

(3)

Die Satzungszwecke werden insbesondere dadurch verwirklicht,

a.

dass im Krankheitsfall jedes Mitglied eine umfassende und flexible Krankenversorgung erhält; […].

(4)

Mit der Umsetzung der Satzungszwecke werden die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG erfüllt.

(…)

§ 5 Beiträge, Individualkonto und Solidarfonds

(1)

Beiträge werden in der Beitragsordnung geregelt, und der Umfang der Zuwendungen ergibt sich aus der Zuwendungsordnung. Erlass und Änderungen der Beitrags- und Zuwendungsordnung regelt § 8 Abs. 6 der Satzung. Die Beitragsordnung und die Zuwendungsordnung werden durch den Vorstand so gestaltet, dass die vorgesehenen Zuwendungen aus den Beiträgen auch bei Schwankungen des Leistungsverlaufs erbracht werden können und darüber hinaus eine ausreichende Reserve für größere Zuwendungsfälle aufgebaut und erhalten werden kann. Um die Leistungsfähigkeit weiter zu sichern, werden, soweit erforderlich, auch Anpassungen der Beiträge, angemessene Nachschüsse oder angemessene Sonderzahlung vorgesehen sowie Möglichkeiten zu angemessener Anpassung der vorgesehenen Zuwendungen durch den Vorstand vorbehalten. Dabei wird darauf geachtet, dass Art und Umfang der medizinischen Versorgung entsprechend den in § 2 Abs. 2 Buchstabe a) der Satzung festgelegten Kriterien beibehalten wird, und das finanzielle Belastungen, die für ein Mitglied im Einzelfall untragbar sind, vermieden werden.

(2)

Jedes Mitglied kann verlangen, dass das Guthaben auf seinem Individualkonto im Rahmen der Zuwendungsordnung zur Deckung seiner Krankheitskosten im ambulanten und stationären Bereich ausgezahlt wird.

(3)

Aus dem Solidarfonds können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder eine andere gebotene Form der Therapie entscheidet der Vorstand nach Maßgabe der Zuwendungsordnung. Ein Anspruch auf Leistungen besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit. Diese soll dem individuellen Bedarf entsprechen, wobei mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Pflege- oder Krankenversicherung erreicht werden soll. In anderen Fällen entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen.

(…)

§ 11 Streitfälle

(1)

Im Streitfall unter den Vereinsmitgliedern oder zwischen einem Mitglied und dem Verein ist das Schlichtungsverfahren einzuleiten. Die streitenden Parteien benennen aus den Mitgliedern des Vereins oder deren Regionalgruppen je einen Vertreter als Schlichter. Die Schlichter benennen gemeinsam ein weiteres Vereinsmitglied als weiteren Schlichter, der den Vorsitz des Schlichtu...

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