Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonderausgabenabzug von Beiträgen für anderweitige Absicherung im Krankheitsfall – Voraussetzung des Bestehens eines Rechtsanspruchs auf Leistungen

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der Sonderausgabenabzug von Beiträgen für die anderweitige Absicherung im Krankheits- und Pflegefall durch einen – nicht unter die in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a bis d EStG genannten begünstigten Träger fallenden - Solidarverein setzt das Bestehen eines Rechtsanspruchs auf Leistungen bei Eintritt des abgesicherten Risikos voraus.
  2. Daran fehlt es, wenn der Leistungsanspruch der Mitglieder des Solidarvereins durch den Bestand eines Beitragsguthabens limitiert wird und eine weitere Leistung aus einem beitragsfinanzierten Solidarfonds im Ermessen des Vereinsvorstands liegt.
 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Buchst. a, b, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a S. 2; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13; VVG § 193 Abs. 3 S. 2 Nr. 2

 

Streitjahr(e)

2013, 2014

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2023; Aktenzeichen X R 10/22)

 

Tatbestand

Streitig ist die Abziehbarkeit von Beiträgen an einen Solidarverein als Sonderausgaben.

Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren 2013 und 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Klägerin war selbständig tätig und zahlte für ihre Absicherung im Krankheits- und Pflegefall folgende jährliche Beiträge an die ”...e.V.“ (V) mit Sitz in A-Stadt:

Krankenabsicherung (Basisabsicherung)

 3.142,11 €

 Krankenabsicherung (Mehrleistungen)

 297,15 €

 Pflegeabsicherung

 124,74 €.

In der Satzung des V vom…heißt es u.a.:

Ӥ 2 Zweck des Vereins

(1) Die V ist eine aufsichtsfreie Personenvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Ziff. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und keine Krankenkasse oder Krankenversicherung.

(2) Zwecke des Vereins sind:

a. Die Mitglieder sichern sich gegenseitig rechtlich verbindlich eine umfassende flexible Krankenversorgung zu, die in Quantität und Qualität mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht; [...].

(3) Die Satzungszwecke werden insbesondere dadurch verwirklicht,

a. dass im Krankheitsfall jedes Mitglied eine umfassende und flexible Krankenversorgung erhält; [...].

(4) Mit der Umsetzung der Satzungszwecke werden die Voraussetzungen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bzw. vergleichbare Ansprüche gemäß § 193 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 VVG erfüllt.“

Die in § 2 Abs. 1 der Satzung in Bezug genommene Norm des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) in der beim Inkrafttreten der Satzung gültigen Fassung (a.F.; heute § 3 Abs. 1 Nr. 1 VAG in der seit 2016 geltenden Fassung) lautete: ”Der Aufsicht nach diesem Gesetz unterliegen nicht: Personenvereinigungen, die ihren Mitgliedern, ohne dass diese einen Rechtsanspruch haben, Unterstützungen gewähren, insbesondere die Unterstützungseinrichtungen und Unterstützungsvereine der Berufsverbände“.

Die Mitglieder des V leisten einkommensabhängige Beiträge nach Maßgabe einer Beitragsordnung (BO). Die Hälfte der Beiträge wird danach einem Individualkonto des Mitglieds gutgeschrieben (§ 4 Abs. 5 Satz 1 BO). Die Auszahlung dieses Guthabens kann jedes Mitglied zur Deckung seiner Krankheitskosten - im Rahmen einer Zuwendungsordnung (ZO) - verlangen (§ 5 Abs. 2 der Satzung). Die andere Hälfte der Beiträge wird einem Solidarfonds gutgeschrieben (§ 4 Abs. 4 BO). Nicht verbrauchte Individualkonten gehen am Jahresende in den Solidarfonds über (§ 4 Abs. 5 Satz 2 BO).

Zu Auszahlungen aus dem Solidarfonds bestimmt § 5 Abs. 3 der Satzung: ”1Aus dem Solidarfonds können weitere Unterstützungen an die Mitglieder erbracht werden, die auch die Hilfe im Pflegefall abdecken. 2Über einen Antrag auf Unterstützung der Kosten für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung oder eine andere gebotene Form der Therapie entscheidet der Vorstand nach Maßgabe der Zuwendungsordnung. 3Ein Anspruch auf Leistung besteht nur in Fällen der medizinischen Notwendigkeit. 4Diese soll dem individuellen Bedarf entsprechen, wobei mindestens das Leistungsniveau der gesetzlichen Pflege- oder Krankenversicherung erreicht werden soll. 5In anderen Fällen entscheidet der Vorstand nach pflichtgemäßem Ermessen.“

In § 4 Abs. 6 Satz 1 BO heißt es: ”Wenn Zuwendungen aus dem Solidarfonds beantragt werden, sind vorher Zahlungen in Höhe des halben Richtbeitrags vom Mitglied zu tragen - entweder vom Individualkonto oder als 'Selbstbehalt' (die Eigenbeteiligungen gemäß der Zuwendungsordnung sind zusätzlich zu tragen).“

Nach der ZO besteht freie Therapiewahl, sodass den Mitgliedern des V die Wahl unter den approbierten Ärzten, Zahnärzten und Therapeuten sowie Heilpraktikern frei zusteht (§ 1 Abs. 1 ZO). Bei medizinisch notwendiger stationärer Heilbehandlung hat jedes Mitglied freie Wahl unter den öffentlichen und privaten Krankenhäusern (§ 1 Abs. 2 ZO). Die Mitglieder sind zunächst Selbstzahler und erhalten in der Regel eine Rechnung nach einer geltenden Gebührenordnung, die sie zur Abrechnung bei V einreichen können (§ 2 ZO). Zur...

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