rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgabenordnung, Umsatzsteuer: Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Vorsteuerabzug aus Strohmanngeschäften; Erkundigungspflicht des Geschäftsführers nach der Unternehmereigenschaft des Rechnungsausstellers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Geschäftsführer einer GmbH ist verpflichtet, beim Vorliegen von offensichtlichen Ungereimtheiten und Auffälligkeiten bezüglich der Rechnungsaussteller wie: - die Rechnungsaussteller verfügen nicht über genügend Fahrzeuge für die Durchführung der abgerechneten Anlieferungen, - sie treten stets in Begleitung auf bzw. lassen sich durch einen Handlungsbevollmächtigen vertreten und - sie rechnen bereits unmittelbar nach ihrer Gewerbeanmeldung sehr hohe Liefermengen gegen Barzahlung von fünf- bzw. sechsstelligen €-Beträgen ab Auskünfte über die Unternehmereigenschaft der Rechnungsaussteller einzuholen, um sicherzustellen, dass die Rechnungsstellung nicht der Verschleierung einer Steuerhinterziehung der tatsächlich Leistenden dient.

2. Es genügt insoweit nicht, wenn der Geschäftsführer von den Rechnungsausstellern lediglich die Vorlage der Gewerbeanmeldung sowie der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung verlangt. Vielmehr ist insbesondere erforderlich, dass der Geschäftsführer der GmbH den Sitz der einzelnen Rechnungsaussteller überprüft.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1; AO §§ 69, 71, 121

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).

2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.

a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialien auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur...

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