Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Gewinnausschüttung an minderjährige Gesellschafter. Übertragung von Geschäftsanteilen. Begrenzung der Aufklärungspflicht des Gerichts bei der Beschlagnahme von Unterlagen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gesellschaftsanteile können bereits vor der Eintragung der GmbH in das Handelsregister aufschiebend bedingt übertragen werden.

2. Die Schenkung eines Gesellschaftsanteils an einen Minderjährigen erfordert die Mitwirkung des Vormundschaftsgerichts.

3. Dem Bestimmtheitsgebot ist bei der Übertragung eines Gesellschaftsanteils Genüge getan, wenn im Weg der Auslegung zweifelsfrei feststellbar ist, welcher Geschäftsanteil übertragen werden soll.

4. Ist ein Minderjähriger wirksam Gesellschafter einer GmbH geworden, ist ihm eine verdeckte Gewinnausschüttung aus dem verbilligten Verkauf von Fahrzeugen an eine andere GmbH zuzurechnen, deren Gesellschafter mit dem Minderjährigen in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen.

5. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er keinen Zugriff auf vom Finanzamt beschlagnahmte Unterlagen hat, wenn er dem Gericht nicht aufgrund des Beschlagnahmeverzeichnesses darlegt, welche Unterlagen er zur sachgerechten Verfolgung seines Begehrens benötigt. Ein Unterlassen eines diesbezüglichen Vortrags begrenzt die Aufklärungsmöglichkeiten und -pflichten des Gerichts.

 

Normenkette

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; BGB § 1629 Abs. 2 S. 1, § 1795 Abs. 1 Nr. 1, §§ 1909, 181, 133, 157; GmbHG § 17; KStG § 8 Abs. 1, 3 S. 2; EStG § 4 Abs. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.08.2013; Aktenzeichen VIII R 10/10)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 1.04.2005 wird der Einkommensteuerbescheid 1998 vom 27.06.2003 geändert. Die verdeckte Gewinnausschüttung wird auf 325.000 EUR reduziert. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Berechnung der Einkommensteuer wird dem Beklagten auferlegt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte zu 1/4, im Übrigen der Kläger.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat der Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung zugerechnet werden kann.

Der Kläger war im Streitjahr 5 Jahre alt. Die von ihm eingereichte Einkommensteuererklärung wurde nach zwischenzeitlich unstreitigen Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt. Aufgrund einer Kontrollmitteilung erfuhr der zuständige Sachbearbeiter, dass dem Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 387.500 DM zuzurechnen sei. Aufgrund dieser Kontrollmitteilung änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid am 27.06.2003 und erfasste neben den bisher erklärten Einkünften auch die vorgenannte vGA.

Dieser liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notariellem Vertrag vom 12.03.1993 gründeten G (die Großmutter des Klägers), B (jun.) und C (die letztgenannten sind die Eltern des Klägers) die Firma A & B Handels- und Leasing GmbH mit Sitz in Y. Das Stammkapital der Gesellschaft sollte 50.000 DM betragen, die Stammeinlagen wurden von G in Höhe von 20.000 DM, C und B jeweils in Höhe von 15.000 DM übernommen. Nach § 6 des Gesellschaftsvertrages bedarf die Verfügung über Geschäftsanteile der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Diese ist beschlussfähig, wenn die Gesellschafter ordnungsgemäß geladen sind und mindestens 75% des Stammkapitals anwesend oder vertreten sind (§ 16 des Gesellschaftsvertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde Urk.Rolle…) Bezug genommen. Zum ersten Geschäftsführer wurde B bestimmt. Mit notariellem Vertrag vom 19.07.1993 wurde der Name der GmbH wegen Einwendungen der IHK in A & B Leasing GmbH geändert; der Geschäftsführer B wurde abberufen, C wurde zur neuen Geschäftsführerin bestellt. Zugleich genehmigten die Gesellschafter, dass B seine Stammeinlage an der GmbH i.G. an Herrn F verkaufen und übertragen kann. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Urkunde Bezug genommen (Urk.Rolle … ff.). Mit notariellem Vertrag vom selben Tag veräußerte B jun. seine Beteiligung an F und übertrug ihm seinen künftigen Geschäftsanteil (Urk.Rolle …).

F übertrug seine künftige Stammeinlage mit notariellem Vertrag vom 20.08.1993 (Urk.Rolle …) an G. Die gemäß § 6 des Gesellschaftsvertrages erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung sollte nachgereicht werden, II. Ziffer 4 der Urkunde. Die Genehmigung der Gesellschafterversammlung ergibt sich nicht aus den Akten des Handelsregisters.

Die Gesellschaft wur...

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