Entscheidungsstichwort (Thema)

Fusionsrichtlinie, Austausch von Anteilen, Wertsteigerung von Anteilen, Wertsteigerung bei Anteilsaustausch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 8 der Richtlinie 90/434/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geänderten Fassung, angepasst durch den Beschluss 95/1/EG, Euratom, EGKS des Rates der Europäischen Union vom 1. Januar 1995, ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach die aus einem unter die Richtlinie fallenden Austausch von Anteilen entstandene Wertsteigerung anlässlich des Austauschs festgestellt wird, ihre Besteuerung aber bis zu dem Jahr aufgeschoben wird, in dem das den Aufschub der Besteuerung beendende Ereignis ‐ im vorliegenden Fall die Veräußerung der erworbenen Anteile ‐ eintritt.

2. Art. 8 der Richtlinie 90/434 in der durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden geänderten Fassung, angepasst durch den Beschluss 95/1, ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach die auf einen Austausch von Anteilen entfallende Wertsteigerung, für die ein Besteuerungsaufschub gewährt wurde, bei einer späteren Veräußerung der erworbenen Anteile auch dann besteuert wird, wenn die Veräußerung nicht der Steuerhoheit dieses Mitgliedstaats unterliegt.

3. Art. 49 AEUV ist dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach, falls die spätere Veräußerung der erworbenen Anteile nicht in die Steuerhoheit dieses Mitgliedstaats fällt, die Wertsteigerung, deren Besteuerung aufgeschoben ist, zum Zeitpunkt dieser Veräußerung ohne Berücksichtigung einer dabei gegebenenfalls realisierten Wertminderung besteuert wird, während eine solche Wertminderung berücksichtigt wird, wenn der steuerpflichtige Anteilsinhaber zum Zeitpunkt der Veräußerung seinen steuerlichen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hat. Es ist Sache der Mitgliedstaaten, unter Beachtung des Unionsrechts, im vorliegenden Fall insbesondere der Niederlassungsfreiheit, Modalitäten zur Anrechnung und Berechnung dieser Wertminderung vorzusehen.

 

Normenkette

EWGRL 434/90 Art. 8; AEUV Art. 49

 

Beteiligte

Jacob

Ministre des finances et des comptes publics

Marc Jacob

Ministre des finances et des comptes publics

Marc Lassus

 

Verfahrensgang

Conseil d Etat (Frankreich) (Beschluss vom 19.07.2016; Abl.EU 2016, Nr. C 305/17)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Direkte Besteuerung ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Fusionen, Spaltungen, Einbringung von Unternehmensteilen und Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen ‐ Richtlinie 90/434/EWG ‐ Art. 8 ‐ Austausch von Anteilen ‐ Auf diesen Vorgang entfallende Wertsteigerung ‐ Aufschub der Besteuerung ‐ Wertminderung bei der späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ‐ Steuerhoheit des Wohnsitzmitgliedstaats ‐ Ungleichbehandlung ‐ Rechtfertigung ‐ Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten“

In den verbundenen Rechtssachen C-327/16 und C-421/16

betreffend zwei Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Staatsrat, Frankreich) mit Entscheidungen vom 31. Mai 2016 und 19. Juli 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2016 und 28. Juli 2016, in den Verfahren

Marc Jacob

gegen

Ministre des Finances et des Comptes publics (C-327/16),

und

Ministre des Finances et des Comptes publics

gegen

Marc Lassus (C-421/16),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Präsidenten des Gerichtshofs K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, sowie der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter), A. Arabadjiev und E. Regan,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Jacob, vertreten durch E. Ginter und J. Bellet, avocats,

‐ der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und S. Ghiandoni als Bevollmächtigte,

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,

‐ der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, N. Otte Widgren, H. Shev und F. Bergius als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch N. Gossement und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 15. Novembe...

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