Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Berichtigung des Vorsteuerabzugs, Versäumnis der Ausübung eines ursprünglichen Vorsteuerabzugs, Möglichkeit der Nachholung eines unterlassenen Vorsteuerabzugs

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 184-185

 

Beteiligte

Staatssecretaris van Financiën

Staatssecretaris van Financiën

X

 

Verfahrensgang

Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 26.03.2021; ABl. EU 2021 Nr. C 228/24)

 

Tenor

Die Art. 184 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung

sind dahin auszulegen, dass:

sie es nicht untersagen, einem Steuerpflichtigen, der es versäumt hat, vor Ablauf der vom nationalen Recht vorgesehenen Ausschlussfrist das Recht auf Abzug der Vorsteuer für den Erwerb eines Gegenstands oder einer Dienstleistung auszuüben, die Möglichkeit zu verwehren, diesen Abzug später bei der ersten Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung zum Zweck besteuerter Umsätze im Wege einer Berichtigung vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn weder ein Rechtsmissbrauch noch ein Betrug, noch ein Steuerausfall festgestellt wurden.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 26. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 2021, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

X

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter M. Ilešič und Z. Csehi (Berichterstatter),

Generalanwältin: T. Ćapeta,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von X, vertreten durch A. C. P. A. van Dijk, belastingadviseur
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman, M. A. M. de Ree und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch O. Serdula, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Roels und V. Uher als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 184 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande) und X über die Berichtigung eines versäumten Abzugs der Vorsteuer auf den Erwerb von Baugrundstücken.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.”

Rz. 4

In Art. 135 Abs. 1 Buchst. k dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

k) Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b;”

Rz. 5

Art. 167 der Richtlinie lautet:

„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.”

Rz. 6

Art. 168 der Richtlinie sieht vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

…”

Rz. 7

Art. 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:

a) für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ausgestellte Rechnung besitzen;

…”

Rz. 8

In Art. 179 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Der Vorsteuerabzug wird vom Steuerpflichtigen global vorgenommen, indem er von dem Steuerbetrag, den er für einen Steuerzeitraum schuldet, den Betrag der Mehrwertsteuer absetzt, für die während des gleichen Steuerzeitraums das Abzugsrecht entstanden ist und gemäß Artikel 178 ausgeübt wird.”

Rz. 9

Art. 180 dieser Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten können einem Steuerpflichtigen gestatten, einen Vorsteuerabzug vorzunehmen, der nicht gemäß den Artikeln 178 und 179 vorgenommen wurde.”

Rz. 10

Art. 182 dieser Richtlinie sieht ...

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