Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhöhte Absetzungen bei nur kurzfristiger Nutzung innerhalb eines Veranlagungszeitraums

 

Leitsatz (NV)

Die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG sind grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum ein Gebäude nur eine kurze Zeit im vom Gesetz vorgegebenen räumlichen Umfang zu Wohnzwecken nutzt und anschließend die Nutzung ändert. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die kurzfristige Nutzung innerhalb eines Veranlagungszeitraumes abschließender Teil einer längerfristigen Nutzung ist und keine Anhaltspunkte für einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) vorliegen.

 

Normenkette

EStG 1986 § 7b Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) nutzte bis zum 15. Januar 1986 eine ihm bereits mehrere Jahre gehörende Eigentumswohnung zu eigenen Wohnzwecken; danach vermietete er diese Wohnung an eine Firma zu gewerblichen Zwecken.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) ließ in der (bestandskräftigen) Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres 1986 -- wie in den Vorjahren -- erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 10 000 DM zum Abzug zu. Anläßlich einer Änderung dieser Steuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) machte das FA jedoch unter Hinweis auf § 177 AO 1977 in Höhe eines zu berücksichtigenden Beteiligungsverlustes von 4 816 DM den bislang gewährten Abzug der erhöhten Absetzungen wieder rückgängig; dem Kläger stünden keine erhöhten Absetzungen zu, weil er die Eigentumswohnung im Streitjahr nur kurzfristig zu Wohnzwecken genutzt habe.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 16 veröffentlichtes Urteil ab.

Mit seiner Revision rügt der Kläger Verletzung des § 7 b EStG.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und -- unter Berücksichtigung der erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG und Rückgängigmachung der Saldierung in Höhe von 4 816 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung -- die Einkommensteuer 1986 herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat zu Unrecht entschieden, daß im Streitfall deshalb keine er höhten Absetzungen nach § 7 b EStG zu gewähren seien, weil der Kläger die Eigentumswohnung lediglich in den ersten beiden Wochen des Streitjahres 1986 zu Wohnzwecken genutzt hat.

1. Nach § 7 b Abs. 1 EStG kann der Erwerber bei im Inland belegenen Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen, die zu mehr als 66 v. H. Wohnzwecken dienen, abweichend von § 7 Abs. 4 und 5 EStG im Jahr der Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v. H. der Anschaffungskosten ab setzen.

a) Die Auslegung des § 7 b Abs. 1 EStG unter Berücksichtigung des Zwecks und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (siehe dazu Begründung zum Entwurf des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern, Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Drs. 1949 Nr. 892, zu Abschnitt 1, § 1 Ziffer 2; vgl. ferner BTDrucks 8/286, S. 1, 11) ergibt, daß die im Gesetz enthaltene 66 -v. H.-Grenze nicht das zeitliche Mindestmaß der Nutzung zu Wohnzwecken im Veranlagungszeitraum bezeichnet, sondern nur -- räumlich -- den für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen mindestens Wohnzwecken dienenden Anteil des Gebäudes vorgibt. Davon ist der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Rechtsprechung -- stillschweigend -- ausgegangen; er hat bei der Veräußerung eines im (nach dem Gesetz erforderlichen) räumlichen Umfang zu Wohnzwecken genutzten Gebäude dem Steuerpflichtigen die vollen erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG zugebilligt, ohne darauf abzustellen, ob der Zeitraum bis zur Veräußerung mindestens die Hälfte bzw. sogar 66 des Veranlagungszeitraumes ausmachte (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1957 VI 234/56 U, BFHE 66, 182, BStBl III 1958, 72 -- Veräußerung nach vier Monaten). Auch der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats liegt diese Überzeugung zugrunde; so hat er im Urteil vom 13. Oktober 1992 IX R 102/88 (BFH/NV 1993, 229) trotz einer nur drei Monate des Veranlagungszeitraums umfassenden Nutzung zu Wohnzwecken und anschließender freiberuflicher Nutzung der Wohnung dem Steuerpflichtigen unter Hinweis auf die Veräußerungsähnlichkeit des Vorgangs die vollen erhöhten Absetzungen zuerkannt. Im diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob -- wie die Vorinstanz meint -- in Veräußerungsfällen die Nutzung zu Wohnzwecken im Regelfalle unverändert bleibt; denn auf die Verhältnisse des Erwerbers kommt es bei der den Veräußerer betreffenden Frage der Zuerkennung der erhöhten Absetzungen nicht an.

Danach sind die erhöhten Absetzungen grundsätzlich auch dann zu gewähren, wenn der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum ein Gebäude nur eine kurze Zeit im vom Gesetz vorgegebenen räumlichen Umfang zu Wohnzwecken nutzt und anschließend die Nutzung ändert (ebenso Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 b EStG Anm. 130; anderer Auffassung z. B. Abschn. 55 Abs. 3 Einkommensteuer-Richtlinien 1984 i. V. m. R 52 Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 1996; Handzik in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 7 b EStG Rdnr. 53 f.; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 7 b Rz. 33). Dies gilt jedenfalls dann, wenn die kurzfristige Nutzung innerhalb eines Veranlagungszeitraumes abschließender Teil einer ununterbrochenen längerfristigen Nutzung ist und -- wie im Streitfall -- keine Anhaltspunkte für einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) vorliegen.

b) Die Rechtsprechung des BFH zur Zuordnung von Räumen nach dem Anteil der räumlich und zeitlich überwiegenden Nutzung (z. B. BFH-Urteil vom 24. April 1986 IV R 283/83, BFH/NV 1986, 728, m. w. N.) steht der vorstehenden Beurteilung nicht entgegen; sie betrifft nur die Frage, wann im Veranlagungszeitraum gleichzeitig gewerblichen (beruflichen) Zwecken und Wohnzwecken dienende Räume zur Wohnfläche i. S. von § 7 b Abs. 1 EStG zu zählen sind (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 14. August 1964 VI 186/83, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 19; Urteil in BFH/NV 1986, 728).

2. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG sind im Streitjahr abzuziehen. Die vom FA bei der Änderung der Steuerveranlagung des Streitjahres vorgenommene Saldierung nach § 177 AO 1977 ist rückgängig zu machen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 422266

BFH/NV 1997, 834

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