Leitsatz (amtlich)

1. Zur Behandlung von Kosten, die privaten Arbeitnehmern durch die Benutzung eigener Kraftfahrzeuge auf Dienstfahrten entstehen, wenn der Arbeitgeber ihnen die tatsächlich entstandenen Kosten nicht voll ersetzt.

2. Ersetzt der Arbeitgeber nach dem Dienstvertrag dem Arbeitnehmer bei Dienstfahrten nur die Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel, so kann der Arbeitnehmer, wenn er seinen eigenen Kraftwagen benutzt, seine tatsächlichen Kosten, soweit sie ihm nicht ersetzt werden, als Werbungskosten geltend machen, sofern der Arbeitgeber nicht aus vernünftigen Gründen dem Arbeitnehmer die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel vorgeschrieben, sondern ihm die Benutzung des eigenen Kraftwagens ausdrücklich oder stillschweigend gestattet hat.

2. Zur Anwendung des Kilometersatzes von 0,25 DM (Abschn. 21 LStR).

2. Zur Pflicht des FG, nach der Aufhebung eines unrechtmäßigen Steuerbescheides die Einkommensteuer selbst festzusetzen.

 

Normenkette

EStG 1961 § 9; LStDV 1962 § 20 Abs. 2 S. 2; LStR 1963 Abschn. 21 Abs. 6, 10; FGO § 100 Abs. 1-2

 

Tatbestand

Der Stpfl. verrichtet Montagearbeiten im Bundesgebiet und im Ausland. Im Streitjahr 1963 legte er, wie er vorträgt, mit seinem Opel-Rekord 1,5l insgesamt 25 880 km zurück. Sein Arbeitgeber ersetzte ihm nur die Kosten der öffentlichen Verkehrmittel mit 2 105 DM.

Der Stpfl. verlangte bei der Einkommensteuer-Veranlagung 1963, die Fahrtkosten mit (25 880 km x 0,25 DM =) 6 470 DM abzüglich der erstatteten 2 105 DM als Werbungskosten anzusetzen. Das FA lehnte das ab. Der Arbeitgeber hatte dem FA auf Anfrage das folgende mitgeteilt: "Die von Herrn M ... angeführte Begründung, er erziele durch die Benutzung seines eigenen Kraftwagens eine Verdienststeigerung, muß objektiv bejaht werden. Man wird nicht von der Hand weisen können, daß Monteure, die mit dem Auto reisen, durch ihre größere Beweglichkeit erheblichere Zeitgewinne zu unseren Gunsten aufzuweisen haben als Monteure, die zu ihren Montageeinsätzen die Bundesbahn benutzen. Eine betriebliche Abmachung, wonach unserem Montagepersonal die Wahl des Verkehrsmittels freigestellt ist, besteht nicht. Nach den Steuerrichtlinien ist die Wahl des Verkehrsmittels dem Arbeitnehmer selbst überlassen."

Das FG gab der Klage statt und führte aus, die Kraftwagenkosten für Dienstfahrten, die Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern nicht ersetzen, seien Werbungskosten. Arbeitnehmer könnten wie selbständig Tätige selbst bestimmen, ob sie auf Dienstfahrten ihren Kraftwagen oder die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen wollten. Im Streitfall sei es überdies für den Stpfl. vernünftig gewesen, seinen Kraftwagen zu benutzen, da er dadurch Zeit gespart habe, am Montageort beweglicher gewesen sei und mehr habe verdienen können. Das FG hielt den Kilometersatz von 0,25 DM gemäß Abschn. 21 Abs. 10 LStR 1962 für angemessen.

Das FA rügt mit der Revision unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nur die Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel erstatte, so seien die erstatteten Kosten gewöhnlich nicht nur ein Zuschuß, sondern ein vollständiger Ersatz der dienstlich notwendigen Fahrtauslagen. Wenn der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel verweise, weil er z. B. auf eine sichere und pünktliche Beförderung zum Montageort Wert lege, so sei der Arbeitnehmer an diese Weisung gebunden. Setze er sich darüber hinweg, so handle er nicht aus beruflichen, sondern aus privaten Erwägungen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

In den Entscheidungen des Senats VI 101/62 U vom 28. Juni 1963 (BFH 77, 290, BStBl III 1963, 425), VI 173/64 vom 13. August 1965 (HFR 1965, 554) und VI R 309/66 vom 4. August 1967 (BFH 89, 532, BStBl III 1967, 728) sind die Kraftfahrzeugkosten privater Arbeitnehmer auf Dienstfahrten grundsätzlich als Werbungskosten anerkannt worden. Ersetzt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Fahrtauslagen in Form von Kilometergeldern, so ist zu prüfen, ob die Kilometersätze durch Einzelberechnungen ermittelt worden sind und ob sie die Fahrtauslagen voll ersetzen sollen oder ob der Arbeitgeber in den Kilometersätzen dem Arbeitnehmer nur einen Zuschuß geben will und im übrigen erwartet, daß der Arbeitnehmer den Rest der Kosten aus seiner Tasche trägt, weil das Gehalt entsprechend höher bemessen worden ist. Sind die Kilometervergütungen nur als Zuschuß des Arbeitgebers gedacht, so kann der Arbeitnehmer seine den Zuschuß übersteigenden Auslagen als Werbungskosten geltend machen. Diese werden bis zu einem Kilometersatz von 0,25 DM bzw. 0,18 DM ohne Einzelnachweis erkannt. Macht der Arbeitnehmer höhere Kosten als 0,25 DM bzw. bei Kleinstkraftwagen als 0,18 DM je Kilometer geltend, so muß er seine beruflichen Aufwendungen nachweisen (Urteile des Senats VI R 309/66, a. a. O.; VI R 268/67 vom 15. Dezember 1967, das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt ist).

Die Kraftwagenkosten auf Dienstfahrten können aber, wie das FA zutreffend bemerkt, nur Werbungskosten sein, wenn der Arbeitgeber entweder die Reise mit dem eigenen Kraftwagen des Arbeitnehmers angeordnet oder wenigstens ausdrücklich oder stillschweigend zugelassen hat. Verlangt der Arbeitgeber aus vernünftigen Gründen, daß der Arbeitnehmer auf Dienstfahrten nicht den eigenen Wagen, sondern die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt und ersetzt er ihm deshalb nur die Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel, so sind, wenn der Arbeitnehmer trotzdem seinen Kraftwagen benutzt, die dadurch entstehenden Mehrkosten keine Werbungskosten, weil sie nicht durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind, sondern durch einen mit der Erfüllung des Dienstverhältnisses unvereinbaren Entschluß des Arbeitnehmers (vgl. das zur amtlichen Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats VI 33/65 vom 15. Dezember 1967). Innerhalb dieser Grenzen kann aber der Arbeitnehmer selbst entscheiden, ob er eine vom Arbeitgeber angeordnete Dienstfahrt mit seinem eigenen Wagen machen will (vgl. Urteil des Senats VI R 172/66 vom 30. Mai 1967, BFH 89, 187, BStBl III 1967, 570).

Das angefochtene Urteil entspricht zwar sachlich diesen Rechtsgrundsätzen. Das FG konnte aus der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers entnehmen, daß er damit einverstanden war, daß der Stpfl. auf den Dienstfahrten seinen Kraftwagen benutzte und die ersetzten Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel nur ein Zuschuß zu den Fahrtauslagen sein sollten. Die Vorentscheidung mußte trotzdem aufgehoben werden, weil das FG sich zu Unrecht darauf beschränkt hat, den Einkommensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben. Nach den Grundsätzen des Urteils des Senats VI R 215/66 vom 14. Juni 1967 (BFH 89, 253, BStBl III 1967, 610) und des Urteils VI R 217, 218/67 vom 15. Dezember 1967 (BStBl II 1968, 205) mußte das FG den Einkommensteuerbetrag selbst festsetzen. Zu diesem Zweck wird die Sache an das FG zurückverwiesen, das dabei auch noch prüfen muß, ob die Zahl der vom Stpfl. angegebenen Fahrtkilometer anerkannt werden kann. Gegen die Anwendung eines Kilometersatzes bis zu 0,25 DM hat der Senat keine Bedenken (Urteil des Senats VI R 268/67, a. a. O.).

 

Fundstellen

BStBl II 1968, 395

BFHE 1968, 164

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