Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Das Stockwerkseigentum im Sinne des nach Art. 182 EGBGB in der ehemaligen Rheinprovinz aufrechterhaltenen Rechts ist als Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG anzusehen.

 

Normenkette

GrEStG § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Bf. erwarb durch Vertrag vom 5. März 1955 an einem Gebäude in Trier das Stockwerkseigentum "an den im Erdgeschoß des südlichen Flügels eines Gebäudes gelegenen sechs Räumen nebst Nebengelaß und Zwischengeschoß".

Streitig ist, ob das Stockwerkseigentum als Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG anzusehen ist. Das Finanzamt hat diese Frage bejaht und den Bf. zur Grunderwerbsteuer herangezogen.

Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen; lediglich der Höhe nach wurde die Steuer durch das Berufungsurteil anderweitig festgesetzt.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist ohne Erfolg.

Allerdings kennt das BGB kein Stockwerkseigentum. Jedoch wird im § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG auch nicht von Grundstücken im Sinne des BGB, sondern von Grundstücken im Sinne des bürgerlichen Rechts gesprochen. Dazu ist im Art. 182 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum BGB (EGBGB) bestimmt, daß das bei Inkrafttreten des BGB bestehende Stockwerkseigentum aufrechterhalten bleibt. Auch nach dem 31. Dezember 1899 sind Vorschriften über das Stockwerkseigentum nicht ergangen. Nach Art. 182 Satz 2 EGBGB bestimmt sich somit das Rechtsverhältnis der Beteiligten untereinander nach den bisherigen Gesetzen, d. h. nach dem Recht aus der Zeit vor dem 1. Januar 1900. Bisheriges Gesetz sind, soweit die damalige Rheinprovinz in Betracht kommt, die Bestimmungen des Code Civil, insbesondere die des Art. 664.

Wie das Oberlandesgericht Köln in einem Beschluß vom 2. Mai 1896 ausführt (Rhein, Archiv Bd. 90 S. 237), gehören beim Stockwerkseigentum die einzelnen Stockwerke eines und desselben Hauses verschiedenen Eigentümern als Alleineigentümern, dagegen sind die Hauptmauern und das Dach, sofern nicht durch Vertrag ein anderes bestimmt ist, als gemeinschaftliches Eigentum der mehreren Stockwerkseigentümer anzusehen; gleiches gilt für die Bodenfläche, auf der das Gebäude errichtet ist und ohne die das Gebäude nicht bestehen kann. In ähnlicher Weise äußert sich dasselbe Oberlandesgericht in einem Beschluß vom 30. September 1896 (Rhein, Archiv Bd. 91 S. 70; Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts, 1897, Bd. 16 S. 525). In den bezeichneten Beschlüssen des Oberlandesgerichts Köln wird auf eine zum badischen Landrecht ergangene Entscheidung des Reichsgerichts Nr. 228/93 II vom 12. Januar 1894 (Juristische Wochenschrift 1894 S. 95) hingewiesen. Auch danach ist in den Fällen des Stockwerkseigentums, wenn nichts anderes bestimmt ist, die Bodenfläche, worauf das Gebäude sich befindet, "als im ungeteilten Miteigentum der verschiedenen Eigentümer der Stockwerke stehend zu erachten".

Die vorerwähnten Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln bringen unmißverständlich zum Ausdruck, daß nach dem in der Rheinprovinz geltenden Recht das Stockwerkseigentum "als selbständiges Grundstück" zu behandeln und daß das Stockwerkseigentum "als wahres Eigentum", nicht aber lediglich als dingliches Recht an fremder Sache aufzufassen ist; das Wesen des Stockwerkseigentums, so wird ergänzend ausgeführt, bestehe darin, daß eine Teilung der Bodenfläche nicht erzwungen und daß das Alleineigentum an den einzelnen Stockwerken von dem Eigentum an der gemeinschaftlichen Bodenfläche nicht getrennt werden könne. Demgemäß wird anerkannt, daß am Stockwerkseigentum rechtsgültig eine Hypothek eingeräumt werden kann.

Die vom Oberlandesgericht Köln für das rheinische Recht vertretene Auffassung wird überwiegend vom Schrifttum geteilt. Siehe Cretschmar, Das Rheinische Civilrecht, Düsseldorf, 1896, Seite 113; Meisner-Stern-Hodes, Nachbarrecht, 2. Aufl., 1955, § 3 (S. 40 ff.) sowie die dort und im Beschluß des Oberlandesgerichts Köln vom 2. Mai 1896 genannte Literatur. Gleicher Ansicht ist überwiegend die französische Rechtslehre (siehe Meisner-Stern-Hodes, a. a. O., Fußnote 40), worauf hingewiesen sei, weil das rheinische Recht wesentlich das Recht des Code Civil ist.

Der Senat schließt sich der in der Rechtsprechung und überwiegend im Schrifttum vertretenen Rechtsmeinung an. Danach ist das Stockwerkseigentum zivilrechtlich und damit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG auch grunderwerbsteuerlich als Grundstück anzusehen, zumal das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum und ohne Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten tatsächlich festgestellt hat, daß das Stockwerkseigentum im Streitfall auch einen unteilbaren Anteil am Grund und Boden umfaßt.

Dem Bf. ist grundsätzlich darin zuzustimmen, daß als Grundstücke im Sinne des bürgerlichen Rechts abgegrenzte Teile der Erdoberfläche zu verstehen sind, die im Grundbuch eine besondere Stellung haben. Siehe dazu das Urteil des Reichsgerichts Rep. V 368/13 vom 12. März 1914 (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 84 S. 265) und Palandt, Kommentar zum BGB, 18. Aufl., 1959, Vorbem. 1 vor § 873 (S. 784) sowie außerdem die Begründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 (RStBl 1940 S. 387 ff., 393). Jedoch handelt es sich insoweit nur um den Regelfall. In Sonderfällen liegt ein Grundstück auch dann vor, wenn von einem abgegrenzten Teil der Erdoberfläche nicht gesprochen werden kann.

Zum Beispiel ist das Wohnungseigentum im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes vom 15. März 1951 ein Grundstück im Sinne des bürgerlichen Rechts und demgemäß auch ein Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG. Der Wechsel im Wohnungseigentum wird daher wie jeder andere Grundstücksumsatz zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Siehe Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 5. Aufl., 1957, § 2 Bem. 8 Abs. 4 (S. 117, 118).

Das Stockwerkseigentum ähnelt dem Wohnungseigentum. Es ist, um es zu wiederholen, ein Eigentum besonderer Art an dem in horizontaler Richtung abgegrenzten Teil eines Gebäudes und außerdem ein Miteigentum an dem Grund und Boden, auf dem das Gebäude steht. Dabei können, wie bereits ausgeführt wurde, das Eigentum an dem Stockwerk und der Miteigentumsanteil an dem Grund und Boden nicht voneinander getrennt werden, so daß jede Verfügung über das Eigentum an dem Stockwerk notwendig auch eine Verfügung über den Miteigentumsanteil an dem Grundstück selbst bedeutet. Demgemäß ist auch ein innerer Grund, das Wohnungseigentum grunderwerbsteuerlich anders als das Stockwerkseigentum zu behandeln, nicht gegeben.

Richtig mag sein, worauf das Finanzgericht hinweist, daß das Wohnungseigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz vom 15. März 1951 von vornherein entsprechend den Begriffen des BGB anders als das Stockwerkseigentum konstruiert worden ist. Das Wohnungseigentum stellt ein besonders ausgestaltetes Miteigentum dar, während beim Stockwerkseigentum das Miteigentum ein Anhängsel des Sondereigentums ist. Trotz dieser Verschiedenheit ist aber der Zweck der beiden Rechtsinstitute ungefähr der gleiche (siehe auch Diester, Kommentar zum Wohnungseigentumsgesetz, 1952, S. 21), so daß es nicht gerechtfertigt ist, lediglich aus diesem Grunde die Steuerpflicht zu verneinen.

Zutreffend ist, wie der Bf. geltend macht, daß für das im Streitfall in Betracht kommende Stockwerkseigentum kein besonderes Grundbuchblatt geschaffen, sondern daß es auf dem Grundbuchblatt des Grundstücks, an dem das Stockwerkseigentum bestand, "vermerkt" wurde. Diesem Umstand steht jedoch, wie schon das Oberlandesgericht Köln in dem vorerwähnten Beschluß vom 30. September 1896 ausführte, die Tatsache entgegen, daß es sich tatsächlich und rechtlich um ein Stockwerkseigentum handelt.

Damit ist im Streitfall ein Grundstück im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG zu Recht angenommen worden. Die Rb. mußte somit als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409490

BStBl III 1959, 454

BFHE 1960, 523

BFHE 69, 523

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