Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschulden des Prozeßbevollmächtigten

 

Leitsatz (NV)

Ein berufsmäßiger Vertreter muß in aller Regel das Verfahrensrecht kennen. Ausnahmen gelten nur, wenn in Literatur und Rechtsprechung Unklarheit über den Verfahrensweg oder sonst über das Verfahren besteht.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 155; ZPO § 85 Abs. 2

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wegen Einkommensteuer 1978, 1980 und 1981 (Kläger zu 1) und 1982 (Kläger zu 2) mit Urteil vom 12. April 1994 zum Teil als unbegründet abgewiesen. Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil wurde ausweislich des Empfangsbekenntnisses den Prozeßbevollmächtigten der Kläger am 10. Mai 1994 zugestellt.

Mit der vorliegenden Beschwerde vom 13. Juni 1994, die dem FG am selben Tag mit Telefax übermittelt wurde, begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG habe die Anforderungen an die den Klägern nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) obliegende Mitwirkungspflicht überspannt, die vom Kläger vorgelegten Beweismittel als nicht genügend angesehen, zum Teil falsch gewürdigt und deshalb zu Unrecht Zahlungen von zwei Firmen in den Jahren 1978 und 1982 als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger haben die Frist für die Einlegung der Beschwerde versäumt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung liegen nicht vor.

1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen (§ 115 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 53 FGO). Für die Berechnung der Monatsfrist sind nach § 54 Abs. 2 FGO und § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) u. a. die §§ 187 und 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) maßgebend. Danach wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das für den Anfang der Frist maßgebende Ereignis fällt (§ 187 Abs. 1 BGB); das ist im Streitfall die Zustellung des Urteils. Den Prozeßbevollmächtigten der Kläger ist das Urteil am 10. Mai 1994 zugestellt worden; die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde begann daher am 11. Mai 1994.

Die Frist endete entgegen der Auffassung der Kläger nicht erst mit Ablauf des 13. Juni 1994, sondern bereits mit Ablauf des 10. Juni 1994. Da die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde eine Monatsfrist ist, endete sie nach § 188 Abs. 2 i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher durch seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis -- hier die Zustellung -- fällt, im Streitfall am Freitag, dem 10. Juni 1994. Da dieser Tag auch kein Feiertag war, kommt eine Verlängerung der Frist nach § 222 Abs. 2 ZPO nicht in Betracht. Die erst am 13. Juni 1994 beim FG eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde war danach verspätet.

2. Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) rechtfertigen, haben die Kläger nicht vorgetragen, da die Fristversäumnis -- wie sich aus dem Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 24. Juni 1994 ergibt -- auf deren unzutreffenden Fristberechnung beruht. Deren Rechtsirrtum kann nicht als unverschuldet gelten.

Ein berufsmäßiger Vertreter muß in aller Regel das Verfahrensrecht kennen; Ausnahmen gelten nur, wenn -- anders als im Streitfall -- in Literatur und Rechtsprechung Unklarheit über den Verfahrensweg oder sonst über das Verfahren besteht (z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 20. Februar 1990 VII R 125/89, BFHE 159, 573, BStBl II 1990, 546; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 3. Aufl., § 56 Rz. 32 m. w. N.). Sein Irrtum ist Verschulden, das sich die Kläger zurechnen lassen müssen (§ 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 420536

BFH/NV 1995, 897

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