Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzung

 

Leitsatz (NV)

1. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist nur möglich, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen auch die Revisionsbegründung eingereicht wird.

2. Die Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. von §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO dar.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 116 Abs. 1 Nr. 3, § 120

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) hat nach der im Klageverfahren ... erzielten Einigung mit den Klägern und Revisionsklägern (Kläger) ändernde Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 1968 bis 1977 erlassen. Der Einspruch der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide 1968, 1972 bis 1977 und die Umsatzsteuerbescheide 1968 bis 1977 blieb mangels Begründung erfolglos.

Mit der Klage rügten die Kläger eine unrichtige rechnerische Umsetzung der erzielten Einigung und kündigten eine weitere rechnerische Begründung der Klage an. Der Berichterstatter forderte die Kläger nach §65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, den Gegenstand des Klagebegehrens bis zum 14. Juni 1995 zu bezeichnen. Binnen der gesetzten Frist trugen die Kläger erneut vor, die Berechnung in den angeforderten Bescheiden entspreche nicht der vereinbarten Minderung der Steuerlast um 20 % auf der Grundlage der Minderung der Einnahmeerhöhung im gleichen Umfang. Aufgrund der Progression müsse sich eine Minderung der Steuerforderung von etwa gleicher Höhe ergeben haben. Die Kläger kündigten an, das Zahlenwerk unverzüglich zu ergänzen. Antragsgemäß wurde die gesetzte Frist bis zum 20. März 1996 verlängert. Weitere Verlängerungsanträge wurden nicht mehr beschieden. Nachdem das Finanzgericht (FG) die Klage durch Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesen hatte, beantragten die Kläger mündliche Verhandlung. In der auf den 12. März 1997 anberaumten mündlichen Verhandlung war für die Kläger niemand erschienen. Mit einem zuvor, am gleichen Tag, eingegangenen Telefax hatte der Kläger die Verlegung des Termins mit der Begründung beantragt, daß die Klägerin auf der Fahrt zum Gericht einen andauernden Schwindelanfall erlitten habe. Er habe sie daher zum Arzt begleiten müssen.

Das FG wies die Klage als unzulässig zurück. Es führte aus, der Gegenstand des Klagebegehrens sei binnen der gesetzten Ausschlußfrist nicht hinreichend bezeichnet worden. Die Klage lasse nicht erkennen, worin die Kläger die Verletzung ihrer Rechte sähen (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99). Es könne dahinstehen, ob die Ausschlußfrist aufgrund des Schreibens des Gerichts vom 1. März 1996 endgültig am 20. März 1996 geendet habe oder die Kläger von einer stillschweigenden Verlängerung bis zum 10. Mai 1996 hätten ausgehen können. Denn auch diese Frist sei fruchtlos verstrichen. Das Schreiben vom 14. Juni 1995, mit dem die Kläger nur allgemein eine unrichtige Steuerberechnung rügten, reiche zur Bezeichnung des Streitgegenstandes nicht aus. Es sei nicht zu erkennen, in welchen konkreten Punkten die Kläger in ihren Rechten verletzt seien. Das Vorbringen lasse konkrete Angaben dazu vermissen, inwieweit die getroffene Vereinbarung in den angefochtenen Bescheiden nicht korrekt umgesetzt worden sein sollte. Da die Bezeichnung bis heute ausstehe, komme Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht.

Auch dem Antrag auf Verlegung des Termins sei nicht zu entsprechen. Dabei könne dahinstehen, ob die geltend gemachten gesundheitlichen Gründe hinreichend glaubhaft gemacht worden seien. Jedenfalls werde der Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Ablehnung der Terminsverlegung nicht verletzt. Die Kläger wären der ihnen obliegenden Prozeßverantwortung, aktiv an dem Verfahren mitzuwirken, nicht nachgekommen. Insofern würde die Ablehnung der Terminsverlegung allenfalls dann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen, wenn besondere Umstände eine Beeinträchtigung der Rechte der Kläger erkennen ließen (vgl. z. B. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 1972 III B 75/71, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1973, 197, und BFH-Beschluß vom 20. Juni 1974 IV B 55--56/73, BFHE 113, 4, BStBl II 1974, 637). Das sei nicht der Fall.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des formellen und materiellen Rechts. Die angekündigte weitere Begründung ist nicht eingegangen.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht statthaft (§124 Abs. 1 FGO) und daher durch Beschluß zu verwerfen (§126 Abs. 1 FGO).

Abweichend von §115 Abs. 1 FGO findet nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs die Revision nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat der erkennende Senat durch Beschluß vom heutigen Tag zurückgewiesen. Die eingelegte Revision ist auch nicht nach §116 Abs. 1 FGO statthaft. Die Kläger haben die eingelegte Revision nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist begründet, so daß auch eine zulassungsfreie Revision wegen möglicher wesentlicher Verfahrensmängel nicht in Betracht kommt. Da die angefochtene Entscheidung lt. Empfangsbekenntnis des Klägers ihm am 11. April 1997 zugestellt worden ist, lief die Revisionsfrist von einem Monat am 12. Mai 1997 und die Revisionsbegründungsfrist (§120 Abs. 1 Satz 1 FGO) einen Monat später, am 12. Juni 1997, ab (vgl. §54 Abs. 2 FGO i. V. m. §222 der Zivilprozeßordnung und §§187, 188 des Bürgerlichen Gesetzbuches).

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war den Klägern nicht zu gewähren (§56 Abs. 1 FGO). Da die Kläger ihre Anträge vom 3. und 11. Juli 1997 auf Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist zur Begründung der Revision gestellt haben, konnte diese Frist nicht mehr wirksam verlängert werden. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre nur möglich gewesen, wenn innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen auch die Revisionsbegründung eingereicht worden wäre (BFH-Beschlüsse vom 1. Dezember 1986 GrS 1/85, BFHE 148, 414, BStBl II 1987, 264; vom 7. Dezember 1995 III R 100/95, BFH/NV 1996, 423, und vom 1. Dezember 1994 IV R 68/94, BFH/NV 1995, 627). Mit der am 12. Mai 1997 eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde haben die Kläger lediglich eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs wegen Ablehnung eines Vertagungsantrages gerügt. Ein etwaiger Verstoß würde aber keinen wesentlichen Verfahrensmangel i. S. des §116 Abs. 1 Nr. 3 FGO darstellen (BFH-Beschluß vom 15. Januar 1996 IX R 32/95, BFH/NV 1996, 490).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67403

BFH/NV 1998, 1104

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