Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung; Duldungsbescheid und Eintragung einer Sicherungshypothek

 

Leitsatz (NV)

1. Ein Ablehnungsgesuch, das auf offenkundige Verkennung des Sachverhalts durch den abgelehnten Richter und auf Nichtberücksichtigung eines neben dem Hauptantrag gestellten weiteren Antrags gestützt wird, hat in der Regel keinen Erfolg. Das gilt erst recht, wenn die gerügten Fehler augenscheinlich nicht vorliegen.

2. Wird ein Duldungsbescheid angefochten, so ist Gegenstand des Verfahrens allein die Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids, nicht aber auch die Rechtmäßigkeit einer aufgrund des Duldungsbescheids auf Antrag der Vollstreckungsbehörde vom Grundbuchamt ins Grundbuch eingetragenen Sicherungshypothek.

 

Normenkette

AO 1977 § 322 Abs. 3; FGO § 51 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 42, 44 Abs. 2

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) auf Aussetzung der Vollziehung des gegen sie ergangenen Duldungsbescheids des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt -- FA --) als unbegründet zurückgewiesen. Mit nachfolgendem Antrag begehrte die Antragstellerin die Berichtigung des Tatbestands des Beschlusses hinsichtlich des unstreitigen Sachverhalts und lehnte gleichzeitig die an dem Beschluß beteiligten Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Zur Begründung stützte sich die Antragstellerin im wesentlichen darauf, daß das FG in dem genannten Beschluß die Eigentumsverhältnisse der vom Duldungsbescheid betroffenen Eigentumswohnungen unzutreffend dargestellt und insbesondere nicht festgestellt habe, daß die Antragstellerin von ihrem Ehemann nur die Hälfte der Wohnungen X und Y erworben habe. Entsprechend sei der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung in vollem Umfang zurückgewiesen worden, obwohl der angefochtene Duldungsbescheid sich offenbar rechtswidrig auf die Wohnungen X und Y insgesamt bezogen habe und die vom Grundbuchamt auf Veranlassung des FA ins Grundbuch eingetragenen Sicherungshypotheken diese Wohnungen insgesamt und nicht nur jeweils zur Hälfte belasteten. Das FG habe weitere Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht begangen, so daß sich objektiv der Verdacht aufdränge, die Richter des FG-Senats hätten verkannt, "daß sie insbesondere zum Schutze der Bürger im Hinblick auf die Macht des Finanzamts berufen" seien "und keinesfalls eine Art Hilfsorgan des Finanzamts" darstellten, das die Aufgabe habe, "dem Staat ohne Rücksicht auf Tatsachen und die Rechtslage im Einzelfall möglichst viel Geld zu verschaffen".

Das FG hielt -- in anderer Besetzung -- den Ablehnungsantrag zwar für zulässig, aber nicht für begründet. Weder die einzelnen Ablehnungsgründe noch ihre Gesamtheit seien geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Das Richterablehnungsverfahren schütze nicht gegen unzutreffende Sachverhaltsermittlungen oder unrichtige Rechtsansichten des Richters, es sei denn, es würden Gründe dargetan, daß die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ablehnenden Beteiligten beruhe. Die Fehlerhaftigkeit müsse ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen. Solche Gründe seien von der Antragstellerin aber nicht vorgetragen worden. Selbst wenn sich die beschließenden Richter über die Eigentumsverhältnisse der von dem Duldungsbescheid betroffenen Wohnungen im Irrtum befunden haben sollten, so sei jedenfalls nicht vorgetragen und auch nicht erkennbar, weshalb dieser Fehler auf eine unsachliche Einstellung der abgelehnten Richter der Antragstellerin gegenüber schließen ließen. Im übrigen beziehe sich der Duldungsbescheid entgegen der Darstellung der Antragstellerin lediglich auf die ihr von ihrem Ehemann übertragenen Hälften der Wohnungen X und Y.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, ein Irrtum des FG über den absolut eindeutigen Wortlaut der von ihr gestellten Anträge und der dazu dargelegten Begründung sei nicht vorstellbar. In der Klageschrift habe sie unter Hinweis auf den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beantragt, die im Grundbuch eingetragenen Sicherungshypotheken zu löschen. Diese auch nach dem angefochtenen Duldungsbescheid des FA absolut rechtswidrige Belastung des gesamten Wohneigentums mit Sicherungshypotheken sei einer der Hauptgründe für die hier eingeleiteten Verfahren. Wenn das FA unter diesen Umständen eine der beiden Haupttatsachen für dieses ganze Verfahren überhaupt nicht zur Kenntnis genommen habe, so könne dies nicht einfach auf einem Irrtum beruhen. Da es ausgeschlossen erscheine, daß die Richter des FG die erste Seite der Klagebegründung nicht gelesen oder nicht verstanden hätten, bleibe nach den Denkgesetzen nur übrig, daß sie völlig unabhängig von der Rechtslage nicht zu ihren -- der Antragstellerin -- Gunsten hätten entscheiden wollen. Dafür gebe es durchaus Gründe, die zum Teil auch im Unbewußten lägen. So fühlten sich die Richter als treue Staats diener mehr dem Staat als dem rechtsuchenden Bürger gegenüber verpflichtet. Schließlich brauche der Staat zur Zeit viel Geld und erwarte zweifelsfrei auch von den Finanzrichtern, daß sie das ihre dazu beisteuerten.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde der Antragstellerin, die der Senat trotz des damit verbundenen Antrags, gemäß den in erster Gerichtsinstanz gestellten Anträgen zu entscheiden, nicht als -- unzulässige -- Beschwerde in der Sache (Aussetzung der Vollziehung), sondern, wie von der Antragstellerin formuliert, als Beschwerde "gegen den Beschluß vom ... ", also lediglich gegen die Zurückweisung des Befangenheitsantrags durch das FG, versteht, hat keinen Erfolg.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es nach ständiger Rechtsprechung darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlaß hat, die Voreingenommenheit des ober der abgelehnten Richter zu befürchten (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. September 1994 VIII B 64--76/94, BFH/NV 1995, 526). Gemäß § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Mißtrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen.

Im Streitfall kann dahinstehen, ob die Antragstellerin in ihrem Ablehnungsgesuch solche Ablehnungsgründe überhaupt substantiiert dargelegt hat, denn jedenfalls ist die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs durch das FG in anderer Besetzung des Spruchkörpers nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das FG unter Verweis auf die Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112) ausgeführt, daß das Richterablehnungsverfahren nicht gegen unrichtige Rechtsansichten des Richters und auch nicht gegen unzutreffende Ermittlungen des Sachverhalts bzw. unrichtige Darstellungen des Sachverhalts in der richterlichen Entscheidung schützt. Nur bei leicht feststellbarer und gravierender Fehlerhaftigkeit, die den Schluß auf unsachliche Erwägungen oder unsachliche Einstellung des Richters erlaubt, kann ausnahmsweise die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt sein.

Die Antragstellerin wendet sich in erster Linie gegen die nach ihrer Ansicht völlig offenkundige Verkennung des Sachverhalts in den Gründen des die Aussetzung der Vollziehung ablehnenden Beschlusses. Der Senat kann indessen eine solche offenkundige Fehlerhaftigkeit nicht feststellen. Wie vom FG bereits ausgeführt und wie in der Beschwerdeschrift von der Antragstellerin entgegen früherem Vorbringen auch eingeräumt, bezieht sich der Duldungsbescheid des FA vom ... ausdrücklich jeweils lediglich auf den halben Anteil an den Wohnungen X und Y, den Anteil jeweils also, den der Ehemann der Antragstellerin übertragen und dessen Erwerb das FA mit dem Bescheid angefochten hatte. Die Bezugnahme des FG in seinem Beschluß auf diesen Duldungsbescheid spricht eher dafür, daß sich die Richter des FG über die Eigentumsverhältnisse an den Wohnungen nicht im Irrtum befanden. Selbst wenn man aus anderen Ausführungen der Sachverhaltsdarstellung auf einen solchen Irrtum schließen wollte, so wäre dies für die Entscheidung des Aussetzungsverfahrens unbeachtlich, denn angefochten und damit alleiniger Streitgegenstand war der Duldungsbescheid, und nur über dessen Rechtmäßigkeit hatte das FG im summarischen Aussetzungsverfahren zu befinden.

Soweit die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung ihres weiteren Antrags auf Löschung der am ... ins Grundbuch eingetragenen Sicherungshypotheken, die nach ihren Angaben in Abweichung vom Duldungsbescheid das gesamte Eigentum an den Wohnungen X und Y belasteten, durch das FG als graviierenden Fehler rügt, unterliegt sie selbst einem Rechtsirrtum. Angefochten und Gegenstand sowohl des Vorverfahrens als auch des Aussetzungsverfahrens und des noch anhängigen Hauptverfahrens war und ist allein die Frage der Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheids. Davon zu unterscheiden -- als anderer Streitgegenstand -- ist die Frage der Durchsetzung des Duldungsbescheids im Wege der Vollstreckung. Gemäß § 322 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) wird die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen eingeleitet durch einen Antrag der Vollstreckungsbehörde auf Eintragung u. a. einer Sicherungshypothek beim Grundbuchamt. Dabei hat die Vollstreckungsbehörde zu bestätigen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen. Nach der Rechtsprechung des Senats stellt der Eintragungsantrag zumindest dann einen Verwaltungsakt dar, der selbständig angefochten werden kann und auch aussetzungsfähig ist, wenn er diese Bestätigung enthält (Senatsbeschluß vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236; Senatsurteil vom 17. Oktober 1989 VII R 77/88, BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44).

Diesen Eintragungsantrag des FA als Vollstreckungsbehörde hat die Antragstellerin offensichtlich nicht selbständig angefochten, was Voraussetzung dafür wäre, nach erfolgreicher Anfechtung ggf. vom FA die Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Sicherungshypotheken zu erreichen (BFHE 158, 310, BStBl II 1990, 44). Jedenfalls ist nicht vorgetragen, daß insoweit das erforderliche außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren stattgefunden hat. Eine unmittelbare Anfechtung der Vollstreckungsmaßnahme mit der Klage beim FG ist nicht zulässig (vgl. Senatsbeschluß vom 15. Dezember 1992 VII B 132/92, BFH/NV 1993, 711). Da ferner nicht vorgetragen ist, daß das FA mit einem erfolglosen Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des Eintragungsantrags befaßt war (§ 69 Abs. 4 Satz 1 FGO) bzw. daß die Voraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO vorliegen, scheidet insoweit auch ein gerichtliches Aussetzungsverfahren aus.

Aus diesen Gründen war die dem Aussetzungsantrag beigegebene Maßgabe (deren Übergehen die Antragstellerin beanstandet), das FA zur Löschung der Sicherungshypotheken zu verurteilen, jedenfalls nicht geeignet, im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung des Duldungsbescheids eine andere, der Antragstellerin günstigere Entscheidung des FG herbeizuführen. Bei vernünftiger, objektiver Betrachtung mag es daher, auch wenn eine entsprechende Klarstellung wünschenswert gewesen wäre, verständlich erscheinen, daß das FG in seinem Beschluß hierzu nichts weiter gesagt hat. Jedenfalls läßt sich aus alldem nicht auf unsachliche Erwägungen oder unsachliche Einstellung der beteiligten Richter schließen.

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 830

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