Leitsatz (amtlich)

1. Ist die Revision unzulässig, so kann nicht mehr mit Erfolg beantragt werden, einen geänderten Verwaltungsakt nach § 68, § 123 Satz 2 FGO zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

2. Der die Unzulässigkeit der Revision begründende Mangel, daß der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM nicht übersteigt, kann daher auch nicht durch einen Antrag nach § 68 FGO, der einen Streitwert von mehr als 1 000 DM betrifft, geheilt werden.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 115 Abs. 1, § 123 S. 2, § 127

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde durch Bescheid des Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) vom 11. April 1973 zu einer Einkommensteuer von 0 DM veranlagt. Nachdem sein nicht näher begründeter Einspruch erfolglos geblieben war, erhob er Klage, mit der er beanstandete, daß von ihm geltend gemachte Werbungskosten und Verluste aus selbständiger Tätigkeit nicht im beantragten Umfange berücksichtigt worden seien. Nach Klageerhebung änderte das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1970 nach § 218 Abs. 4 der AO aufgrund einer Mitteilung des FA D und setzte im Bescheid vom 25. April 1974 eine Einkommensteuer 1970 von 1 048 DM fest. Sowohl das FA als auch das FG wiesen den Kläger auf die Möglichkeit hin, den geänderten Bescheid nach § 68 FGO zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zu machen. Am 12. August 1974 schrieb der Kläger an das FG, ein berichtigter Einkommensteuerbescheid sei ihm noch nicht zugegangen. Am 24. September 1974 teilte das FA mit, dem Kläger sei eine Abschrift des Bescheides vom 25. April 1974 übersandt worden. Am 25. November 1974 erinnerte das FG den Kläger an die Aufforderung zur Stellungnahme, insbesondere an das Schreiben des Berichterstatters vom 11. Juli 1974, mit dem dieser darauf hingewiesen hatte, daß die Klage unzulässig sei, wenn nicht der Antrag nach § 68 FGO gestellt werde.

Am 18. Juni 1975 erließ das FG sodann die angefochtene Entscheidung (Vorbescheid), mit der es die Klage als unzulässig abwies, weil der formelle Gegenstand des Rechtsstreits dadurch weggefallen sei, daß der angefochtene Verwaltungsakt durch einen anderen ersetzt, ein Antrag nach § 68 FGO aber nicht gestellt worden sei. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Klage nicht (zunächst) auch deshalb unzulässig gewesen sei, weil der Kläger durch einen Steuerbescheid über 0 DM nicht in seinen Rechten verletzt worden sei.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, er habe bislang keinen berichtigten Einkommensteuerbescheid erhalten und deshalb nur vorsorglich in einem Schreiben an das FG vom 24. August 1974 den Antrag nach § 68 FGO stellen können.

Nachdem das FA dem Kläger erneut eine Abschrift des Bescheides vom 25. April 1974 zugesandt hatte (nunmehr mit Postzustellungsurkunde), beantragte dieser, den Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Da im Streitfall gegen die angefochtene Entscheidung am 25. August 1975, also vor dem 15. September 1975, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BFH-EntlastG vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932), Revision eingelegt worden war, richtet sich deren Zulässigkeit allein nach den Vorschriften der FGO. Hiernach ist die Revision, wenn sie nicht - was hier nicht in Betracht kommt - nach § 116 FGO zulassungsfrei hätte erhoben werden können, nur zulässig, wenn sie vom FG zugelassen worden ist oder der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM übersteigt (§ 115 Abs. 1 FGO). Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Die Revisionssumme ist nicht erreicht.

Der Kläger hat im Klageverfahren einen auf 0 DM lautenden Steuerbescheid angefochten, und zwar mit einem Begehren, das, da es nach keinem erkennbaren Gesichtspunkt über die Einkommensteuerveranlagung 1970 hinausreicht, nicht einmal eine Beschwer, jedenfalls aber keinen Streitwert von mehr als 1 000 DM zu begründen vermag. Der Streitgegenstand und dessen Wert haben sich auch nicht dadurch geändert, daß das FA den berichtigten Bescheid vom 25. April 1974 erlassen hat. Denn dieser Bescheid wurde gerade nicht nach § 68 FGO Gegenstand des Verfahrens, weil der Kläger beim F G einen dementsprechenden Antrag nicht gestellt hat. Der Kläger behauptet zwar in seiner Revisionsbegründung, mit einem Schreiben vom 24. August 1974 einen vorsorglichen und mangels Kenntnis vom Berichtigungsbescheid nicht detallierten Antrag nach § 68 FGO gestellt zu haben. Ein solcher Antrag ist aber dem Gericht, wie sich aus den Akten und letztlich auch aus der Begründung der Vorentscheidung ergibt, nicht zugegangen; das kann auch dem Kläger nicht verborgen geblieben sein, da ihn das FG nochmals mit Schreiben vom 25. November 1974 unter Fristsetzung an die Gegenäußerung zur Frage der Antragstellung nach § 68 FGO erinnert hat. Ist somit aber der Berichtigungsbescheid nicht zum Gegenstand des Verfahrens geworden, so kann auch nicht dessen (über 1 000 DM liegender) Wert des Streitgegenstandes bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision berücksichtigt werden. Streitgegenstand blieb der ursprüngliche Bescheid. Sein Wert liegt unter der Revisionssumme des § 115 Abs. 1 FGO. Gegen die Vorentscheidung, die die Klage gegen diesen Bescheid abwies, war daher eine Revision nicht zulässig.

Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß der Kläger noch in der Revisionsinstanz nach § 68 FGO beantragt hat, den berichtigten Bescheid vom 25. April 1974 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Ein solcher Antrag kann zwar auch noch im Revisionsverfahren gestellt werden (§ 123 Satz 2 FGO). Voraussetzung ist aber, daß die Revision zulässig erhoben wurde (so auch Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 127 FGO Anm. 5; Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 127 FGO). Das war jedoch, weil der Wert des Streitgegenstandes 1 000 DM nicht überstiegen hat, nicht der Fall. Wenn aber deshalb ein Antrag nach § 68 FGO nicht mehr mit Erfolg gestellt werden konnte, so konnte der Umstand, daß der Streitwert, wenn der Antrag hätte gestellt werden können, nun die Grenze des § 115 Abs. 1 FGO überschritten hätte, nicht dazu führen, daß nun die Revision nachträglich zulässig geworden wäre (vgl. zum umgekehrten Fall - keine nachträgliche Unzulässigkeit wegen Absinkens des Streitwerts aufgrund eines Antrags nach § 68 FGO - das Urteil des BFH vom 26. März 1969 V 171/65, BFHE 96, 28, BStBl II 1969, 524).

Die Revision war somit nach § 124 Satz 2, § 126 Abs. 1 FGO als unzulässig zu verwerfen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72058

BStBl II 1977, 352

BFHE 1977, 305

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