Rz. 119

Sonderkosten der Fertigung können sowohl Einzel- als auch Gemeinkosten sein.[1] Sie fallen etwa für Modelle, Spezialwerkzeuge, Entwürfe, Schablonen, Materialversuche sowie Lizenzgebühren ohne Vertriebsbezug an. Die Zuordnung der Sonderkosten zu den Einzel- oder Gemeinkosten muss sich am Merkmal der unmittelbaren Zurechenbarkeit orientieren.[2]

 

Rz. 120

Auftrags- oder objektgebundene Kosten sind als Sondereinzelkosten der Fertigung aktivierungspflichtig.[3]

 

Rz. 121

Neuentwicklungskosten für Erzeugnisse dürfen mangels Zusammenhang mit einem bestimmten VG nicht als Einzelkosten, wohl aber ggf. als Gemeinkosten aktiviert werden.[4] Kosten der Weiterentwicklung von Produkten, die sich bereits in der Produktion befinden, sind als (Sonder-)Gemeinkosten der Fertigung zu aktivieren.[5]

 

Rz. 122

Probleminhärent bei der Bilanzierung der Sonderkosten der Fertigung ist die Abgrenzung zu aktivierungsverbotenen Forschungs- und aktivierbaren Entwicklungskosten (Rz 184 ff.), wobei insb. die Grenze zu den aktivierungsverbotenen Forschungskosten relevant ist.

 

Rz. 123

Prototypen zeichnen sich nicht durch ihre Materialität, sondern vielmehr durch ihre Entwicklungsleistung aus. Ihre körperliche Komponente hat i. d. R. lediglich eine Trägerfunktion. Als selbst geschaffene immaterielle Anlagegüter unterliegen die Kostenanteile, die nicht unmittelbar der Produktion der Prototypen zugeordnet werden können, dem Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 HGB.[6] Die direkt der Produktion zurechenbaren Teile sind als Sonderkosten der Fertigung zu aktivieren.

 

Rz. 124

Forschungskosten (Rz 147 f.) sind dagegen aktivierungsverboten. Die Forschungsphase ist durch den fehlenden Bezug zu konkreten Produkten oder Produktionsverfahren sowie die fehlende Möglichkeit der marktorientierten Bewertung gekennzeichnet.

 

Rz. 125

Werden dagegen im Auftrag Dritter Forschungs- und Entwicklungsarbeiten getätigt, sind diese bis zu ihrer Fertigstellung als Sondereinzelkosten der Fertigung zu aktivieren.[7]

 

Rz. 126

Zur Zuordnung einzelner Steuerarten zu den Sonderkosten der Fertigung vgl. Rz 154.

[1] Bis zum BilMoG war umstritten, ob die Sondergemeinkosten, die in Abs. 2 nicht explizit aufgeführt waren/sind, den Sondereinzelkosten "zugeordnet" werden sollten und entsprechend aktivierungspflichtig waren (so etwa Ballwieser, in MünchKomm. HGB, 3. Aufl., § 255 Rn 64) oder ob für ihre Aktivierung ein Wahlrecht bestand (so etwa ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 150). Relevant war diese Zuordnungsdebatte insb. bei Kosten der Weiterentwicklung, deren Zuordnung zu den Einzel- bzw. Gemeinkosten strittig war/ist. Mit der Einführung der Aktivierungspflicht für angemessene Teile der Fertigungsgemeinkosten hat sich diese Diskussion – zumindest im Ergebnis – erübrigt.
[2] Vgl. Art. 35 Abs. 3 Buchst. a der 4. EG-Richtlinie.
[3] Vgl. Ballwieser, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 255 HGB Rn 64.
[4] Ebenso etwa Knop/Küting/Knop, in Küting/Weber, HdR-E, § 255 HGB Rn 195, 280, Stand: 11/2016.
[5] Eine Zuordnung zu den Sondereinzelkosten vornehmend Ballwieser, in MünchKomm. HGB, 4. Aufl. 2020, § 255 Rn 64; eine Aktivierung als Sondergemeinkosten erwägend Schubert/Hutzler, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 255 HGB Rz 458.
[6] Im Ergebnis ebenso ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 152.
[7] Vgl. Kahle, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz 171, Stand: 12/2021.

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