Rz. 46

Ungewisse Geldleistungsverpflichtungen sind mit dem Betrag anzusetzen, den das Unt voraussichtlich wird zahlen müssen, um die Schuld zu begleichen. Bei Sachleistungsverpflichtungen bemisst sich der Erfüllungsbetrag nach dem Wertverzehr für das Bewirken der geschuldeten Leistung. Das sind die der Erfüllungshandlung direkt oder im Weg einer Schlüsselung zurechenbaren Vollkosten.[1]

 

Rz. 47

Orientierungsmaßstab für die Abgrenzung der zu berücksichtigenden Aufwendungen ist das Gebot des vollständigen Schuldenausweises. Danach sind alle Aufwendungen zurückzustellen, die das Unt in Kauf nehmen muss, um sich der Außenverpflichtung zu entledigen. Dazu gehören auch Fixkosten, wenn die betreffenden Kapazitäten nicht abgebaut werden können, ohne zusätzliche Aufwendungen zur Erfüllung der ungewissen Verbindlichkeit tätigen zu müssen. Das trifft etwa auf die planmäßigen Abschreibungen einer Halle zu, in der Gewährleistungen erbracht werden. Die Abschreibung des Verwaltungsgebäudes, in dem ausschl. administrative Tätigkeiten verrichtet werden, ist dagegen nicht Teil der in die Rückstellung einzurechnenden Vollkosten. Die betreffenden Aufwendungen fallen nicht in Erfüllung einer Rechtsverpflichtung an. Sie sind daher der Erfüllungshandlung nicht mittelbar zuzurechnen.

 

Rz. 48

Ebenfalls nicht rückstellungsfähig sind vermeidbare Unterbeschäftigungskosten (Leerkosten). Dazu zählen Aufwendungen nicht genutzter Kapazitäten. Diese können abgebaut werden, ohne die Erfüllungshandlung zu beeinträchtigen. Die Eliminierung von Leerkosten bei Kapazitäten, die zur Erfüllung einer Sachleistungsverpflichtung eingesetzt werden, scheidet dagegen aus. Das gilt jedenfalls, wenn die gleiche Leistung unter Einsatz vorhandener Ressourcen nicht zu niedrigeren Kosten erbracht werden könnte. Eine Angemessenheitsprüfung, wie sie bei der Bewertung der vom Unt hergestellten VG obligatorisch ist, kollidiert auf der Passivseite mit dem Gebot des vollständigen Schuldenausweises. Es verlangt die Einbeziehung aller unvermeidbaren Aufwendungen in den Erfüllungsbetrag, unabhängig davon, ob diese für die Leistungserbringung notwendig sind oder nicht. Allerdings gibt eine signifikante Unterauslastung von Anlagegütern Anlass, eine außerplanmäßige Abschreibung der betreffenden VG zu prüfen (Rz 255). Sie reduziert ggf. die in die Rückstellung einzubeziehenden Aufwendungen auf ein übliches Maß.

 

Rz. 49

Die Vorgabe, Rückstellungen zum notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen, macht es erforderlich, erwartete Steigerungen der Faktorpreise bis zum Zeitpunkt des Anfalls der Aufwendungen bei der Bewertung vorwegzunehmen. Darin liegt kein Bruch mit dem Stichtagsprinzip. Schulden sind "zum Abschlussstichtag … zu bewerten" (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Diese Formulierung lässt zumindest Raum für einen Zugriff auf die künftigen Preise aus Sicht des Abschlussstichtags. Zudem trägt diese Verfahrensweise dem Zukunftsbezug des Bewertungsmaßstabs für Rückstellungen Rechnung.

 

Rz. 50

Auch rückläufige Preisentwicklungen sind zu antizipieren. Der Einwand, in der Begründung zum BilMoG sei nur von Kostensteigerungen die Rede,[2] überzeugt nicht. Erklärtes Ziel der Gesetzesänderung war es, klarzustellen, "dass die Höhe einer Rückstellung von den Preis- und Kostenverhältnissen im Zeitpunkt des tatsächlichen Anfalls der Aufwendungen – mithin der Erfüllung der Verpflichtung – abhängt". Auf diese Weise sollte "die Über- und Unterdotierung der Rückstellungen eingeschränkt" und die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage "stärker als bisher den tatsächlichen (wirtschaftlichen) Verhältnissen angenähert werden".[3] Eine einseitige Berücksichtigung nur sich abzeichnender Preis- und Kostensteigerungen würde dieses Grundanliegen konterkarieren.[4]

 

Rz. 51

Neben den am Abschlussstichtag feststehenden Faktorpreisänderungen bis zum Erfüllungszeitpunkt (z. B. aus abgeschlossenen Tarifvertragsabschlüssen) sind erwartete Änderungen im Mengen- und Preisgerüst einer Rückstellung zu berücksichtigen. Eine Begrenzung ergibt sich aus der gesetzlichen Anweisung, nur den nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen. Sie verlangt nach "ausreichende(n) objektive(n) Hinweise(n), die auf den Eintritt künftiger Preis- und Kostensteigerungen schließen lassen".[5] Diese Forderung trägt dem Gedanken der Bilanzobjektivierung Rechnung und gilt in gleicher Weise für die Schätzung des künftigen Mengengerüsts der Erfüllungshandlung.

Einen wichtigen Anhaltspunkt für erwartete Änderungen des Preisniveaus liefern vom bilanzierenden Unt ermittelte Trends der Vergangenheit.[6] Verfügt das Unt über keine dokumentierten eigenen Erfahrungswerte, bietet sich der Rückgriff auf Veröffentlichungen von Branchenverbänden oder anderen Institutionen an (z. B. Deutsche Bundesbank, Europäische Zentralbank, Institut für Wirtschaftsforschung, Institut für Weltwirtschaft).[7] Abweichungen zwischen den der Rückstellung zugrunde gelegten Erfahrungen des Unt und Branchentrends sind zu begründen.

Die Tr...

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