Rz. 130

Im Interesse einer Objektivierung der Bewertungsannahmen ist ein normierter Abzinsungssatz zu verwenden.[1] Die Barwertermittlung hat auf der Grundlage eines durchschnittlichen Marktzinssatzes unter Berücksichtigung der Restlaufzeit der Rückstellungen bzw. der diesen zugrunde liegenden Verpflichtungen zu erfolgen. Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen sind mit einem zehnjährigen Durchschnittszinssatz abzuzinsen, alle übrigen Rückstellungen mit einem siebenjährigen Durchschnittszinssatz. Anzuwenden ist der jeweilige Durchschnittszinssatz der letzten sieben bzw. zehn Jahre für Laufzeiten, die der Fristigkeit der ungewissen Verbindlichkeit am jeweiligen Stichtag entsprechen (zur Ermittlung der anzuwendenden Zinssätze vgl. Rz 136).[2]

 

Rz. 131

Rechtsgrundlage für die Zinssatzermittlung durch die Deutsche Bundesbank ist die Verordnung über die Ermittlung und Bekanntgabe der Sätze zur Abzinsung von Rückstellungen (RückAbzinsV).[3] Die Datengrundlage zur Bestimmung der Marktzinssätze liefert danach eine Null-Kupon-Euro-Zinsswapkurve, in die auf Euro lautende Festzins-Swapsätze mehrerer Swap-Anbieter für unterschiedliche Laufzeiten von einem Jahr bis 50 Jahre eingehen. Die veröffentlichten Zinssätze berücksichtigen zusätzlich einen Aufschlag für auf Euro lautende Unternehmensanleihen aller Laufzeiten mit einer hochklassigen Bonitätseinstufung (AA oder Aa).[4]

 

Rz. 132

Die Verwendung eines Durchschnittszinssatzes soll Ergebnisschwankungen entgegenwirken, die sich allein aus der Wahl von Jahr zu Jahr unterschiedlicher Zinssätze ergeben.[5] Mit der Entscheidung für einen Marktzins hat der Gesetzgeber einer von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unt unabhängigen Schuldenbewertung den Vorzug gegeben. Sie schließt im Interesse des Vorsichts- und Höchstwertprinzips eine allein auf die sinkende Bonität des Unt zurückgehende niedrigere Rückstellungsbemessung aus. Schließlich wurde die Ermittlung der für die Diskontierung ungewisser Schulden maßgeblichen Zinssätze der Deutschen Bundesbank übertragen. Sie stellt monatlich die von allen Unt heranzuziehenden Abzinsungssätze auf ihrer Website zur Verfügung. Aufgrund der differenzierten Abzinsungsregelung sind dort sowohl die Durchschnittszinssätze auf Basis eines zehnjährigen Durchschnittszinssatzes (Altersversorgungsverpflichtungen) wie auch auf Basis eines siebenjährigen Durchschnittszinssatzes verfügbar.[6] Die dreifache Normierung der Zinssätze (Durchschnittszinssatz, Marktzinssatz, zentrale Ermittlung) soll die Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse in Bezug auf die Bewertung längerfristiger Rückstellungen gewährleisten. Zudem erspart sie den Unt die Aufwendungen für die Herleitung des Abzinsungssatzes.

 
Wichtig

Die Zinssätze unterliegen seit 2022 einer deutlichen Aufwärtsentwicklung. Dies hat auch dazu geführt, dass die vormals immer höheren Zehn-Jahresdurchschnittszinssätze jetzt aufgrund der Zinswende bald von den Sieben-Jahresdurchschnittszinssätzen "überholt" werden. Per 31.7.2023 belaufen sich die von der Bundesbank veröffentlichten Zinssätze nach § 253 Abs. 2 HGB beim Sieben-Jahresdurchschnitt auf 1,60 % (bei unterstellter 15-jähriger Restlaufzeit), während bei der zehnjährigen Durchschnittsbildung ein Wert von 1,81 % anzuwenden ist. Hier zeigt sich auch eine Schwäche in der handelsrechtlichen Bewertungskonzeption. Für die Zinsen werden aus den Sieben- bzw. Zehn-Jahresdurchschnitten abgeleitete Werte herangezogen, während für die Ermittlung von Preis- und Kostensteigerungen aktuelle Werte heranzuziehen sind, die aus den Inflationserwartungen am Abschlussstichtag abzuleiten sind.

Schaut man sich die in IFRS-Abschlüssen derzeit verwendeten Abzinsungssätze an, die auf den Verhältnissen am Abschlussstichtag beruhen, so sind diese derzeit weitaus höher als die nach HGB anzuwendenden Abzinsungssätze.

 

Rz. 133

Für die Barwertermittlung ist der am Bewertungsstichtag gültige Zinssatz heranzuziehen, der der Restlaufzeit der Rückstellung entspricht. Diese lässt sich problemlos für Verpflichtungen ermitteln, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft fällig und erfüllt werden. Das betrifft etwa Gratifikations- und Jubiläumsverpflichtungen, Abfindungsverpflichtungen, Verpflichtungsüberschüsse aus Beschaffungsgeschäften über aktivierungspflichtige VG oder einfache Entfernungsverpflichtungen. Bei diesen stellt sich allenfalls die Frage, welcher Abzinsungssatz bei nicht ganzjährigen Fristigkeiten zu verwenden ist. Drei Lösungen sind denkbar:[7]

  • Lineare Interpolation der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze auf die exakte Rückstellungsrestlaufzeit;
  • Verwendung des jeweils niedrigeren Ganzjahreszinssatzes (Vorsichtsprinzip; diese Variante steht unter dem Vorbehalt einer "normalen" Zinsstrukturkurve[8]);
  • Verwendung des Zinssatzes, der näher an der tatsächlichen Restlaufzeit liegt.
 
Praxis-Beispiel

Eine zum 31.12.01 zu bewertende Gratifikationsverpflichtung ist zum 31.3.06 unter der Bedingung der bis dahin fortgesetzten Betriebszugehörigkeit der beg...

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