Tz. 74

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Wenn nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob eine Beherrschung durch Stimmrechtsmehrheit vorliegt, besteht ein wichtiger Schritt der Klärung dieser Frage darin, die maßgeblichen Tätigkeiten des Beteiligungsunternehmens zu identifizieren und ein Verständnis dafür zu gewinnen, wie Entscheidungen bei diesen Aktivitäten getroffen werden (IFRS 10.B10). Tätigkeiten des Beteiligungsunternehmens sind als "maßgeblich" einzustufen, wenn sie die Renditen des Beteiligungsunternehmens wesentlich beeinflussen (IFRS 10.10, IFRS 10 Appendix A). Je nach Zweck und Gestaltung des Beteiligungsunternehmens kann es sich um andere maßgebliche Tätigkeiten handeln (vgl. hierzu Tz. 67 ff.). Maßgebliche Tätigkeiten eines Unternehmens sind bspw. (nicht vollständig) Kauf und Verkauf von Waren und Dienstleistungen, Forschung- und Entwicklung oder Vermögensverwaltung (IFRS 10.B11). Beispiele für Entscheidungen über maßgebliche Tätigkeiten sind (IFRS 10.B12):

  • Festlegung der Geschäftspolitik;
  • Finanzentscheidungen;
  • Ernennung/Abberufung von Mitgliedern der Unternehmensleitung des Beteiligungsunternehmens;
  • Ernennung/Abberufung von wichtigen Dienstleistern;
  • Verwaltung der zugrunde liegenden Beteiligungen.
 

Tz. 75

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Die Identifizierung kann in manchen Fällen komplex und auslegungsbedürftig sein. Die Bestimmung der maßgeblichen Tätigkeiten ist vor allem bei strukturierten Unternehmen von erheblicher Bedeutung, da bei diesen die Verfügungsgewalt gerade nicht auf Stimmrechten oder ähnlichen Rechten basiert und die Identifikation derjenigen Aktivitäten, welche die Renditen des Beteiligungsunternehmens erheblich beeinflussen, regelmäßig ebenso wenig offenkundig ist wie die Bestimmung des Investors, der diese maßgeblichen Tätigkeiten steuern kann.

 

Tz. 76

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Häufig werden die Renditen des Beteiligungsunternehmens auch durch mehrere maßgebliche Tätigkeiten erheblich beeinflusst, die von unterschiedlichen Investoren bestimmt werden können. In diesen Fällen verfügt derjenige Investor über Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen, der die Tätigkeit steuern kann, welche die Renditen am stärksten beeinflusst (IFRS 10.13). Für diese Beurteilung sind zuerst die schwankenden Renditen zu bestimmen, vgl. Tz. 145 ff.), um anschließend den stärksten Einfluss zu identifizieren. Der stärkste Einfluss kann hierbei durchaus auch quantitativ bspw. anhand Gewinnmarge, Ertrag und Wert des Beteiligungsunternehmens oder dem Geschäftsrisiko, das den Investoren aus schwankenden Renditen entsteht, zu bestimmen sein (IFRS 10.B13, Beispiel 1). Dabei ist auch die Auswirkung der Entscheidungskompetenz der einzelnen Investoren auf die Rendite des Beteiligungsunternehmens zu berücksichtigten sowie Zweck und Gestaltung des Beteiligungsunternehmens.

 

Tz. 76a

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Manchmal werden Tätigkeiten erst mit dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses zu maßgeblichen Tätigkeiten. Finden maßgebliche Tätigkeiten zu verschiedenen Zeiten statt und werden von unterschiedlichen Investoren bestimmt, verfügt ebenfalls derjenige Investor über die Verfügungsgewalt über das Beteiligungsunternehmen, der die Tätigkeit steuern kann, die die Renditen am stärksten beeinflusst (IFRS 10.13). Beispielsweise können bei einem Biotechnologieunternehmen zuerst die maßgeblichen Tätigkeiten die Entwicklung eines neuen Medikaments und anschließend die Vermarktung und der Vertrieb des Medikaments sein (vgl. IFRS 10.B13 Beispiel 1). Hieraus könnte überlegt werden, ob im Zeitablauf die Beherrschung des einen Investors endet und mit Eintritt des Ereignisses der andere Investor die Beherrschung erlangt.

Sofern die Änderung der maßgeblichen Tätigkeiten im Zeitablauf bereits zu Beginn der Zusammenarbeit der Investoren vertraglich feststeht, ist allerdings davon auszugehen, dass einer der beiden Investoren von Beginn an die Verfügungsgewalt über die relevanteste Tätigkeit hat und sich diese Einschätzung im Zeitablauf nicht ändert. Wenn bspw. der Vertrieb des Medikaments als die relevanteste Tätigkeit eingestuft wird, dann hat der Investor von Beginn der Zusammenarbeit an Verfügungsgewalt, der den Vertrieb des Medikaments bestimmt. Die Einschätzung ist dabei regelmäßig zu überprüfen, vor allem wenn sich die bestimmenden Sachverhalte und Umstände geändert haben könnten (IFRS 10.B13; vgl. hierzu Tz. 175 ff.). Allein die Tatsache, dass die maßgeblichen Tätigkeiten sich im Zeitablauf (wie vertraglich vereinbart) ändern, führt aber nicht zwangsläufig zu einer Neueinschätzung der Verfügungsgewalt.

 

Tz. 76b

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Bei einem weiteren Beispiel des IFRS 10.B13 wird eine Investmentgesellschaft gegründet, die ein Portfolio an Vermögenswerten, bspw. Forderungen, hält, die durch den Eigenkapitalgeber verwaltet werden. Aus dieser maßgeblichen Tätigkeit entstehen durch die Zinszahlungen und das Kreditausfallrisiko der Schuldner schwankende Renditen, die maßgeblich durch Auswahl, Kauf und Verkauf der einzelnen Forderunge...

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