Tz. 166

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Nach IFRS 10 hat ein Investor darüber hinaus die Art seiner Beziehungen zu dritten Parteien im Allgemeinen zu berücksichtigten und zu beurteilen, ob diese Dritten in seinem Namen handeln, auch wenn keine expliziten vertraglichen Verpflichtungen hierzu bestehen (sog. De-facto-Agenten). Es reicht aus, wenn ein oder mehrere Investoren oder diejenigen, die Aktivitäten des Investors bestimmen können, die Möglichkeit haben, eine andere Partei anzuweisen, in seinem bzw. ihrem Namen zu handeln (IFRS 10.B73f.). Die von De-facto-Agenten gehaltenen Rechte und erhaltene Renditen sind, wie bei anderen Agenten auch, dem Investor zuzurechnen und von ihm bei der Beurteilung, ob er die Beherrschung über ein Beteiligungsunternehmen ausübt, ebenso zu berücksichtigen wie die Art der Interaktion zwischen den beteiligten Parteien untereinander sowie zwischen ihnen und dem Investor (IFRS 10.B74). Obwohl der IASB in IFRS 10 klargestellt hat, dass Verfügungsgewalt grds. auf Rechtspositionen basiert (power arises from rights, IFRS 10.10), wird somit auch in Bezug auf Agenten das Konzept der faktischen Beherrschung explizit in IFRS 10 geregelt. Ein Fall hierzu befindet sich im ESMA Report, 24th extract, decision ref. EECS/0120–04, Tz. 29 bis 44: Ein berichtendes Unternehmen (der Investor) hielt 39 % an einem anderen Unternehmen X. Das berichtende Unternehmen wurde auf oberster Ebene von Person A beherrscht. Person A hielt zudem über ein anderes Unternehmen Z weitere 4 % an dem Unternehmen X. Da Person A den Investor beherrschte und Person A die Möglichkeit hatte, das Unternehmen Z anzuweisen, zum Vorteil des Investors zu handeln, galt das Unternehmen Z als De-facto-Agent des Investors (IFRS 10.B74). In diesem Fall mussten somit für die Beurteilung der Beherrschung des Investors über das Unternehmen X die Stimmrechte des Unternehmens Z dem Investor zugerechnet werden.

 

Tz. 167

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

IFRS 10.B75 enthält Beispiele für Parteien, die als De-facto-Agenten eines berichtenden Unternehmens agieren können:

  • Parteien, die laut Definition in IAS 24 nahestehende Parteien darstellen;
  • Parteien, die eine enge Geschäftsbeziehung (close business relationship) zum Investor unterhalten (zB zwischen Dienstleistungsunternehmen und ihren wesentlichen Kunden);
  • Parteien, bei denen die Mehrheit der wesentlichen Entscheidungsträger personenidentisch mit denen des Investors sind;
  • Parteien, die ihre betrieblichen Aktivitäten nicht ohne Unterstützung des berichtenden Unternehmens finanzieren können;
  • Parteien, die ihren Anteil aus dem Beteiligungsunternehmen in Form eines Darlehens oder anderen Beitrags vom Investor erhalten;
  • Parteien, die ihre Beteiligung am Beteiligungsunternehmen nicht ohne Zustimmung des Investors veräußern, übertragen oder verpfänden dürfen.
 

Tz. 168

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Die in den Beispielen genannten sowie sonstige, beteiligte Parteien sind allerdings nicht automatisch De-facto-Agenten des Investors. Vielmehr ist eine sorgfältige Analyse der Beziehungen unter Berücksichtigung sämtlicher Sachverhalte und Umstände, vor allem auch des Zwecks und der Gestaltung des Beteiligungsunternehmens (vgl. Tz. 67 ff.) dahingehend erforderlich, ob Beherrschung des Investors über den De-facto-Agenten vorliegt. Beispielsweise kann die finanzielle Unterstützung sämtliche implizite oder explizite Zahlungsverpflichtungen des Investors gegenüber dem Beteiligungsunternehmen, zB Kredit- oder Liquiditätszusagen, Performance-Garantien, Zusagen zum Erwerb von Vermögenswerten des Beteiligungsunternehmen, Patronatserklärungen und andere Eventualverbindlichkeiten, umfassen. Erst wenn aus diesen finanziellen Zusagen eine derartige Abhängigkeit existiert, dass der Investor die Möglichkeit hat, die andere Partei anzuweisen, in seinem bzw. ihrem Namen zu handeln, kann ein Agent vorliegen. Der Zusammenhang zwischen möglichen und tatsächlichen De-facto-Agenten sowie nahestehenden Parteien iSd. IAS 24 ist in Abbildung 3 dargestellt (vgl. EY, International GAAP 2023, Kap. 6, Abschn. 7):

Abb. 3: Zusammenhang zwischen De-facto-Agenten und nahestehenden Parteien

 

Tz. 169

Stand: EL 51 – ET: 10/2023

Bei der Konsolidierung von Strukturen, an denen De-facto-Agenten beteiligt sind, ist zu berücksichtigen, dass der Investor lediglich seinen Anteil an den schwankenden Renditen berücksichtigt (inkl. der Anteile, die von Tochterunternehmen gehalten werden). Ansprüche auf bzw. Beteiligungen an schwankenden Renditen, die vom De-facto-Agenten gehalten werden, sind dagegen als Anteile nicht beherrschender Gesellschafter im Konzernabschluss zu bilanzieren. Hält etwa Investor A 40 % der Stimmrechte am Beteiligungsunternehmen B und liegt ein De-facto-Agent C vor, der weitere 20 % am Beteiligungsunternehmen hält und im Sinne des Investors A handelt (zB weil A und C nahestehende Parteien sind, da beide zur selben, übergeordneten Unternehmensgruppe gehören), ist im Konzernabschluss von A ein nicht beherrschender Anteil von 60 % auszuweisen. Zudem is...

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