Tz. 169

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Das zweite zur Klassifizierung herangezogene Kriterium hat eine eingehendere Betrachtung der vertraglichen Zahlungsströme zum Gegenstand. Hintergrund dieser Anforderung ist das Bestreben des IASB, keine finanziellen Vermögenswerte für eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten zuzulassen, die als komplex einzustufen sind (darunter fallen insbesondere gehaltene strukturierte Produkte). Infrage kommen sollen demnach lediglich schuldrechtliche Instrumente, deren Vertragsbedingungen zu vorbestimmten Zeitpunkten zu Zahlungen führen, welche ausschließlich Tilgungen des investierten Kapitalbetrags sowie Zinszahlungen auf den ausstehenden Kapitalbetrag widerspiegeln ("are solely payments of principal and interest", sog. SPPI-Test), wobei die Prüfung in der Währung vorzunehmen ist, auf die das Instrument lautet (vgl. IFRS 9.4.1.2(b) und 4.1.2A(b) iVm. B4.1.7f.). Der IASB spricht in diesem Zusammenhang von einfachen oder elementaren Kreditvereinbarungen ("basic lending arrangements"), wobei dieser Terminus losgelöst von der Frage ist, ob das Instrument verbrieft oder unverbrieft sei (vgl. IFRS 9.B4.1.7A). Für derartige Finanzinstrumente hat sich im Jargon der Ausdruck Plain-vanilla-Instrumente etabliert. Begründet wird diese Sichtweise damit, dass die Anwendung der Effektivzinsmethode nur bei diesen Instrumenten zu relevanten und entscheidungsnützlichen Informationen führt (vgl. IFRS 9.BC4.23, 165 und 171f.).

a. Begriffliche Abgrenzung von Kapitalbetrag und Zins

 

Tz. 170

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Der Kapitalbetrag eines finanziellen Vermögenswerts wird als dessen beizulegender Zeitwert zum Zugangszeitpunkt definiert, der sich im Zeitablauf aber ändern kann (insbesondere durch Tilgungen; vgl. IFRS 9.4.1.3(a) iVm. B4.1.7B). Es mutet kurios an, dass der IASB an dieser Stelle auf den bewerteten Zugangsbetrag abstellt und nicht etwa den (unbewerteten) Nominalbetrag, der den Vertragsbedingungen zugrunde liegt und üblicherweise die juristische Basis für die Zinsberechnung bildet. Die dafür als Begründung herangezogene Sichtweise des Kreditgebers, der seine Investition mit den vertraglich vereinbarten Zahlungsrückflüssen vergleichen möchte (vgl. IFRS 9.BC4.182(a)), erscheint allenfalls beim Erwerb von Kapitalmarktprodukten nachvollziehbar; im Zusammenhang mit der Ausreichung von Krediten ist sie wenig überzeugend.

 

Tz. 171

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Die Definition des Zinses stellte sich in der Entwicklung von IFRS 9 als deutlicher herausfordernder dar, als der IASB dies zu Beginn erwartet hatte. Ausgehend vom Gedanken eines Entgelts für die Überlassung von Finanzmitteln auf Zeit hatte der Board in der ersten Fassung von IFRS 9 vom November 2009 geregelt, dass der Zins nichts anderes widerspiegeln solle als den Zeitwert des Geldes (time value of money) sowie einen Aufschlag für das dem jeweiligen Finanzinstrument übernommene Kreditrisiko. So abgegrenzt könnte man den Zins als laufzeit- und bonitätskongruentes Finanzierungsentgelt bezeichnen. In dieser engen Definition hätte sich aber vermutlich kaum eine gebräuchliche Zinsvereinbarung für den SPPI-Test qualifiziert, da im Zins üblicherweise noch andere Vergütungsbestandteile enthalten sind (selbst wenn diese ex post nicht mehr als einzelne Bausteine nachweisbar sind, wie das häufig bei der Vorkalkulation im Controlling der Fall ist). In diesem Zusammenhang sind insbesondere Entgelte für die Übernahme anderweitiger Risiken wie Liquiditätsrisiken, Verwaltungskostenzuschläge sowie die Gewinnmarge zu nennen. In der endgültigen Fassung von IFRS 9 wurde die Definition für den Zins um entsprechende Bestandteile erweitert (vgl. IFRS 9.4.1.3(b) iVm. B4.1.7A und BC4.182(b); s. a. Berger/Struffert/Nagelschmitt, WPg 2014, S. 1082). Ferner weist der IASB an derselben Stelle daraufhin, dass in Situationen wie dem gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld die Vertragsbedingungen für den Halter auch einen Negativzins vorsehen können, ohne dass dies im Widerspruch zu einer elementaren Kreditvereinbarung stehe.

 

Tz. 172

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Die Vertragsbestimmungen für den Zins dürfen keine Elemente aufweisen, mit denen ein einer Kreditbeziehung atypisches Risiko hinzugefügt wird (bspw. Zahlungen aufgrund veränderter Indexstände oder Aktien- oder Rohstoffpreise), weil diese nicht mit Einklang mit einer einfachen Geldleihevereinbarung stünden (vgl. IFRS 9.B4.1.7A). Auch sind Vertragsbedingungen für eine SPPI-Einstufung schädlich, die eine Hebelwirkung (leverage) vorsehen. Das bedeutet, dass Derivate und so gut wie alle strukturierten Finanzaktiva (für mögliche Ausnahmen vgl. Tz. 177) die Zinsbedingung nicht erfüllen und sich damit unter keinen Umständen als elementare Kreditvereinbarung klassifizieren (vgl. IFRS 9.B4.1.9). Darunter fallen bspw. Kreditvereinbarungen und Anleihen, bei denen die Zins- und Tilgungszahlungen in unterschiedlichen Währungen erfolgen (vgl. Deloitte LLP 2018, S. 94f.).

 

Tz. 173

Stand: EL 37 – ET: 2/2019

Besondere Aufmerksamkeit schenkt der IASB dem Konzept zum Zeitwert des Geldes. In einer idealtypis...

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