Tz. 15

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Eine Schuld (liability) wird in IAS 37.10 als gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens definiert, die aus vergangenen Ereignissen resultiert und deren Erfüllung für das Unternehmen erwartungsgemäß mit einem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen verbunden ist. Diese Definition entspricht wortgleich der allgemeinen Definition für Schulden im framework 2010 (F.4.15 (2010)). Sie gilt für Rückstellungen und sonstige Schulden (Verbindlichkeiten) gleichermaßen. Eine Erläuterung der verschiedenen Definitionsmerkmale der Schulden (gegenwärtige Verpflichtung; vergangene Ereignisse; erwarteter Nutzenabfluss) erfolgt im Zusammenhang mit der Kommentierung der Ansatzvorschriften für Rückstellungen, da diese gleichermaßen Ansatzkriterien darstellen (vgl. Tz. 28 ff.).

Die in IAS 37.10 vorliegende Definition einer Schuld wurde bisher nicht an die Definition nach dem überarbeiteten conceptual framework 2018 angepasst. Hierauf weist eine Fußnote in IAS 37.10 hin (vgl. Tz. 3 und 14).

 

Tz. 16

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Die Abgrenzung zwischen Rückstellungen und sonstigen Schulden (Verbindlichkeiten) erfolgt nach dem Grad der Unsicherheit hinsichtlich des Fälligkeitszeitpunkts bzw. -zeitraums sowie der Höhe des künftigen Ressourcenabflusses (vgl. auch Tz. 14). Nach dem Willen des IASB kann allerdings auch mit den sonstigen Schulden ein gewisser Grad an Unsicherheit hinsichtlich ihrer Fälligkeit und/oder ihrer Höhe verbunden sein. Dieser Unsicherheitsgrad ergibt sich aus den gelegentlich erforderlichen Schätzungen des Erfüllungszeitpunkts und des Betrags der Schuld. Der Unsicherheitsgrad einer sonstigen Schuld ist gemäß IAS 37.11 im Allgemeinen indes wesentlich geringer als bei Rückstellungen. So zählen zu den sonstigen Schulden (other liabilities) zB Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen, bei denen der Verkäufer von bereits gelieferten Gütern oder Dienstleistungen diese in Rechnung gestellt hat oder die Abrechnung zumindest formal mit dem Verkäufer vereinbart wurde. Daneben zählt der IASB zu den sonstigen Schulden aber auch sog. abgegrenzte Schulden (accruals), bei denen die bereits gelieferten Güter bzw. Dienstleistungen vom Verkäufer weder in Rechnung gestellt wurden noch mit dem Verkäufer die Abrechnung formal vereinbart wurde. Hierzu zählen gem. IAS 37.11 ua. Verpflichtungen aus ausstehenden Rechnungen für bereits gelieferte Waren sowie Abgrenzungen von Urlaubsgeldern. Weitere Beispiele für solche abgegrenzten Schulden sind Kosten der externen Jahresabschlussprüfung, Beiträge zur Berufsgenossenschaft oder zur IHK (vgl. Förschle/Holland/Kroner, 6. Aufl., 2003, S. 122).

 

Tz. 17

Stand: EL 44 – ET: 06/2021

Die bilanzielle Behandlung der sonstigen Schulden respektive der abgegrenzten Schulden fällt nicht in den Anwendungsbereich des IAS 37. Insofern wird in IAS 37.11 lediglich klargestellt, dass abgegrenzte Schulden in der Regel mit den anderen sonstigen Schulden zusammen ausgewiesen werden, zB als sonstige Verbindlichkeiten, während die Rückstellungen in einem separaten Posten der Bilanz ausgewiesen werden (vgl. auch Schrimpf-Dörges, in: Beck IFRS-Handbuch, § 12, Tz. 15). Die nicht verpflichtende Formulierung in IAS 37.11 ("werden häufig") bezüglich des Ausweises könnte vermuten lassen, dass ein Ausweis der abgegrenzten Schulden mit den Rückstellungen nicht verboten respektive – wie nach HGB – möglich ist. Die nicht verpflichtende Formulierung bezieht sich uE allerdings allein auf die Frage, ob die abgegrenzten Schulden gemeinsam mit den Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und den sonstigen Verbindlichkeiten ausgewiesen werden oder alternativ separat. Ein Ausweis gemeinsam mit den bzw. als Teil der Rückstellungen scheidet hingegen nicht zuletzt aufgrund von IAS 1.54 aus. Danach sind Rückstellungen separat auszuweisen (zu den Mindestposten gemäß IAS 1.54 vgl. IFRS-Komm., Teil B, IAS 1, Tz. 110 ff.) und somit auch separat von den abgegrenzten Schulden, die definitionsgemäß von den Rückstellungen abzugrenzen sind. In der Praxis – so das Ergebnis einer Untersuchung in Form von Experteninterviews – erfolgt die Abgrenzung von Rückstellungen und den unter den Verbindlichkeiten ausgewiesenen accruals uneinheitlich (vgl. Küting, 2011, S. 153f.). Aufgrund der Bedeutung der Differenzierung von Rückstellungen und abgegrenzten Schulden bei der Abschlussanalyse (vgl. Tz. 36) ist eine stringentere Differenzierung wünschenswert.

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