Tz. 91

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Das Vorratsvermögen ist mit Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zu bewerten. Ist der Nettoveräußerungswert (vgl. Tz. 25f.) niedriger als die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, ist zwingend auf diesen niedrigeren Wert abzuschreiben (IAS 2.9). Damit werden zwei maßgebende Grundsätze der Vorratsbewertung festgelegt. Zum einen werden die (historischen) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten als Wertobergrenze für den Ansatz von Vermögenswerten des Vorratsvermögens fixiert, die auch nach Wertaufholungen nicht überschritten werden dürfen. Zum anderen besteht eine Abschreibungspflicht auf einen niedrigeren Nettoveräußerungswert am Bilanzstichtag.

 

Tz. 92

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Ursächlich für eine Abschreibung können Beschädigungen, Veralterungen oder Preisrückgänge sein, Abschreibungen sind ebenso vorzunehmen, wenn die geschätzten Kosten der Fertigstellung oder die noch anfallenden Kosten bis zum Verkauf gestiegen sind. Maßgebend für die Wertfeststellung sind dabei grundsätzlich die Verhältnisse zum Abschlussstichtag. Der Ansatz des niedrigeren Wertes aus Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und Nettoveräußerungswert folgt der Ansicht, dass Vermögenswerte des Vorratsvermögens nicht mit höheren Werten zum Ansatz kommen dürfen, als sie bei einem Verkauf oder einem Gebrauch zu realisieren sind (IAS 2.28).

 

Tz. 93

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen wird keine Abwertung vorgenommen, wenn das Fertigerzeugnis, in das die Stoffe eingehen, mindestens zu seinen Herstellungskosten abgesetzt wird (IAS 2.32). Dh., nur wenn sich bei dem gesamten Herstellungs- und Absatzvorgang des Fertigerzeugnisses ein Verlust abzeichnet, wird eine isolierte Bewertung der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe vorgenommen (vgl. Tz. 100). Für die Ermittlung des stichtagsbezogenen Wertes dieser Stoffe ist dann der Wiederbeschaffungswert als Vergleichsmaßstab zu verwenden.

 

Tz. 94

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Durch die Verpflichtung zur Abschreibung auf den Nettoveräußerungswert soll eine verlustfreie Bewertung des Vorratsvermögens gewährleistet werden. Damit stellt IAS 2 eigene Vorschriften zur Behandlung von Wertminderungen im Vorratsvermögen zur Verfügung. Korrespondierend dazu ist IAS 36 bei Vorräten nicht anwendbar (IAS 36.2). Das Handelsrecht beinhaltet ähnliche Regelungen. Das handelsrechtliche Niederstwertprinzip (hier: strenges Niederstwertprinzip) unterscheidet sich von den IASB-Vorschriften indes dadurch, dass andere Niederstwertkategorien vorgesehen sind und der Anwendungsbereich des strengen Niederstwertprinzips nicht auf Vorräte begrenzt ist, sondern das gesamte Umlaufvermögen umfasst (§ 253 Abs. 4 HGB).

a. Definition und Bestimmung des Nettoveräußerungswertes

 

Tz. 95

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Der Nettoveräußerungswert (vgl. Tz. 25f.) ist der geschätzte Verkaufspreis zum Bewertungsstichtag im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs abzüglich der geschätzten Kosten der Fertigstellung und der geschätzten notwendigen Verkaufskosten (IAS 2.6). Die Ermittlung des Nettoveräußerungswertes richtet sich nach den Verhältnissen des Absatzmarktes. Eine beschaffungsmarktorientierte Wertermittlung kennen die Vorschriften des IASB grundsätzlich nicht (aber vgl. Tz. 100). Ein Zwangs- oder Notverkauf ist nicht zu unterstellen (vgl. ADS Int 2002, Abschn. 15, Tz. 123).

 

Tz. 96

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Unter dem Nettoveräußerungswert ist nicht zwingend der aktuelle Verkaufswert in Form eines gegenwärtigen Marktpreises zu verstehen, zu dem der Vorratsgegenstand in seinem gegenwärtigen Zustand verkauft werden kann (vgl. Tz. 27ff.). Eine solche Interpretation würde bei Gegenständen, für die keine Verkaufsabsicht besteht oder ein Verkauf in ihrem derzeitigen Zustand nicht beabsichtigt ist, zu keinen sachgerechten Ergebnissen führen, wenn immer eine absatzmarktorientierte Stichtagswertermittlung durchgeführt würde. Bspw. hätten unfertige Erzeugnisse, die noch keinen oder einen zu vernachlässigenden Wert als Verkaufsprodukt haben und gleichzeitig keinen Wert mehr als Rohstoffe besitzen, einen Nettoveräußerungswert von null. Für eine Abwertung besteht allerdings keine Notwendigkeit, solange die Erzeugnisse, in welche die unfertigen Erzeugnisse eingehen, mindestens zu ihren Herstellungskosten verkauft werden können. Eine Abschreibung folgt zwar dem Vorsichtsprinzip (prudence principle) (F.37 (1989)), widerspricht jedoch dem going concern principle (F.23 (1989)). Da kein Anlass und keine Wahrscheinlichkeit besteht, die Stoffe selbst in ihrem derzeitigen Zustand zu verkaufen, ist der Betrag, zu dem die Stoffe verkauft werden könnten, unerheblich. In diesem Falle muss eine Abschreibung unterbleiben.

 

Tz. 97

Stand: EL 45 - ET: 11/2021

Als geschätzter Verkaufspreis ist der Erlös ohne Umsatzsteuer aus der Veräußerung anzusetzen. Davon sind Erlösschmälerungen abzuziehen. Ebenfalls in Abzug zu bringen sind die Produktionskosten (estimated costs of completion), die voraussichtlich noch anfallen werden, um den Vermögenswert herzustellen. Fraglich ist, wie diese Kosten abzugren...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Baetge, Rechnungslegung nach IFRS (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge