EU-Taxonomie für Sustainable Finance: Wie das Controlling die Umsetzung unterstützen kann
Controller als Transformationsunterstützer gefragt
Seit einigen Jahren ist zu beobachten, wie das Thema „Nachhaltigkeit“ immer näher an die Kernprozesse von Unternehmen heranrückt. Diese Entwicklung betrifft in besonderem Maße die Controllingabteilungen, die in ihrer neuen Rolle als Transformationsunterstützer zunehmend in den Fokus der Nachhaltigkeitsdebatte rücken. Ihre Aufgabe wird vermehrt in der Ausgestaltung einer integrierten Unternehmenssteuerung gesehen, die neben traditionell ökonomischen auch soziale und ökologische Unternehmensziele umfasst.
Um Kapitalströme in nachhaltige Geldanlagen zu lenken und die nachhaltige Transformation der europäischen Wirtschaft zu finanzieren, wurde der EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen entwickelt. Bestandteil dieses Aktionsplans ist die EU-Taxonomie für Sustainable Finance (kurz: EU-Taxonomie).
Was ist die EU-Taxonomie?
Die EU-Taxonomie ist ein Rahmenwerk für eine nachhaltige Unternehmensführung, mit dem sich die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen auf Basis einheitlicher Richtwerte bestimmen und gegenüber den Stakeholdern kommunizieren lässt. Derzeit ist die EU-Taxonomie in ihrem Umfang noch auf die Themen „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ beschränkt. Die Kriterien für die weiteren Umweltziele und eine soziale Taxonomie sind derzeit in Bearbeitungen.
Welche Unternehmen betrifft die EU-Taxonomie?
Aktuell fallen kapitalmarktorientierte Unternehmen unter die Non Financial Reporting Directive (NFRD). Damit sind diese Unternehmen ab 2022 (also bereits für das Geschäftsjahr 2021) verpflichtet, bestimmte taxonomiebezogene KPIs im (Konzern-)Lagebericht oder einem separaten Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen. Was die taxonomiebezogene Berichtspflicht für Unternehmen angeht, deuten sich allerdings schon heute Verschärfungen der aktuellen Regelungen an. So weitet die im April 2021 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die eine Überarbeitung der NFRD darstellt, den Anwendungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf alle großen Unternehmen aus, und zwar unabhängig von deren Kapitalmarktorientierung oder Rechtsform. Gemäß CSRD-Entwurf sollen Unternehmen ab einer Beschäftigtenzahl von 250 Mitarbeitenden in Verbindung mit der Erfüllung einiger zusätzlicher Kriterien nach aktuellem Stand ab 2024 verpflichtende Angaben zu Nachhaltigkeitsaspekten auf Basis der EU-Taxonomie machen und diese im Rahmen ihres Lageberichts veröffentlichen.
Grundprinzipien der EU-Taxonomie
Die Bewertungssystematik der EU-Taxonomie basiert auf der Betrachtung der ökologischen Nachhaltigkeit der einzelnen Wirtschaftsaktivitäten in Unternehmen. Eine Wirtschaftsaktivität ist dann ökologisch nachhaltig, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zu mindestens einem der in Abb. 1 beschriebenen Umweltziele leistet und gleichzeitig keines der anderen Umweltziele erheblich beeinträchtigt. Als drittes Kriterium muss ein Mindestschutz für Arbeitssicherheit und Menschenrechte gewährleistet sein.
Zentrale KPIs der EU-Taxonomie
Hintergrund der Berichtspflicht nach EU-Taxonomie sind einerseits die stärkere Einbindung der Nachhaltigkeit in Entscheidungen der Unternehmensführung und andererseits die zielgerichtete Allokation von Investitionen aus dem Finanzmarkt in nachhaltige Geschäftsmodelle. Für die betroffenen Unternehmen hat das zur Folge, dass sie zukünftig ihre Umsätze, Kosten und Investitionen daraufhin untersuchen müssen, wie groß der darin enthaltende „Nachhaltigkeits-Anteil“ tatsächlich ist. Zu berichten sind:
Umsatz:
Anteil am Umsatz, den ein Unternehmen mit seinen Produkten und Dienstleitungen erzielt, die auf Wirtschaftsaktivitäten zurückgehen, welche die Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie erfüllen (Taxonomie-KPI „turnover“)
Betriebskosten:
Anteil an den Betriebskosten, die einem Unternehmen aus Wirtschaftsaktivitäten entstehen, welche die Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie erfüllen (Taxonomie-KPI „Operating Expenditure“ [Opex]).
Hierbei ist zu betonen, dass es sich bei den Betriebskosten der EU-Taxonomie um eine spezifische Auslegung dieser Kennzahl handelt, die vor allem die „investitionsnahen“ Kosten von Unternehmen umfasst, die allerdings nicht kapitalisiert (bilanziert) werden. Beispiele sind Kosten für Forschung und Entwicklung, Gebäudesanierung sowie Wartung/Reparatur von Vermögenswerten des Sachanlagevermögens.
Gesamtinvestitionen:
Anteil an den Gesamtinvestitionen, die ein Unternehmen in Wirtschaftsaktivitäten investiert, welche die Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie erfüllen (Taxonomie-KPI „Capital Expenditure“[Capex])
Aktuelle Reporting-Pflichten
Die Reporting-Pflichten werden aktuell in mehreren Stufen ausgerollt (s. Abb. 2).
Im ersten Schritt haben berichtspflichtige Unternehmen ihre Wirtschaftsaktivitäten dahingehend zu überprüfen, ob sie taxonomiefähig sind. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, inwiefern diese Aktivitäten auch taxonomiekonform sind, d.h. die Nachhaltigkeitskriterien der EU-Taxonomie erfüllen. Auf dieser Basis lassen sich dann taxonomiekonforme Umsätze, Investitionen und Betriebsausgaben reporten (Beispiel zum Umsatz s. Abb. 3).
Aufgaben des Nachhaltigkeitscontrollings im Rahmen der EU-Taxonomie
Die EU-Taxonomie bringt vielseitige Aufgaben für Unternehmen mit sich. Diese beziehen sich in der Finanzfunktion besonders auf die Bereiche „Accounting“, „Finance/Treasury“, „Investor Relations“ und das (Green) Controlling. Abb. 4 zeigt eine Übersicht zu den Stakeholdern (äußerer Kreis) und Finanzbereichen (innerer Kreis), die von der EU-Taxonomie betroffen sind.
Das Nachhaltigkeitscontrolling befasst sich im Kern mit der Erweiterung des Controlling-Regelkreises auf soziale und ökologische Unternehmensziele und hat damit den Aufbau einer integrierten Unternehmenssteuerung zum Ziel. Dem Regelkreis liegt dabei die klassische Controlling-Logik zugrunde:
Zu Beginn sind Ziele festzulegen (Plan) und Maßnahmen für deren Umsetzung zu definieren. Es gilt dann die erreichte Performance zu ermitteln (Ist) und entsprechende Korrekturmaßnahmen einzuleiten, wenn unerwünschte Plan-Ist-Abweichungen auftreten.
Kurzfristige und langfristige Perspektiven der EU-Taxonomie
Die Aufgaben, die auf das Nachhaltigkeitscontrolling im Rahmen der EU-Taxonomie zukommen, lassen sich grundsätzlich in eine kurzfristige und eine langfristige Perspektive unterscheiden:
Aufgrund der Dringlichkeit der Taxonomie-Thematik wird kurzfristig vor allem das Reporting von taxonomierelevanten Informationen im Fokus des Nachhaltigkeitscontrollings stehen. Die Informationsbedürfnisse von Politik, Kreditgebern, Investoren, Behörden und anderen Stakeholdern machen es für Unternehmen notwendig, taxonomiekonforme KPIs zur Messung ihrer Nachhaltigkeitsleistung zu entwickeln, zu bewerten und zu berichten. In diesem Kontext kann das Nachhaltigkeitscontrolling mit seiner Methodenkompetenz die Bildung von Kennzahlen und die Definition damit zusammenhängender Reporting-Prozesse innerhalb der Finanzfunktion koordinieren und begleiten.
Dabei wird es, zumindest was die erste Berichtsperiode betrifft, noch darauf ankommen, dass taxonomierelevante Informationen innerhalb der etablierten Reporting-Systeme und auf Basis von bestehenden Buchungsdaten abgeleitet werden. Langfristig wird es für das Green Controlling darüber hinaus darum gehen, die EU-Taxonomie konsequent in seine Hauptprozesse (strategische und operative Planung, Ergebnisrechnung, Management Reporting etc.) zu integrieren sowie das bestehende Controlling-Instrumentarium auf seine Taxonomierelevanz hin zu überprüfen.
Ausblick
Die EU-Taxonomie ist ein Rahmenwerk der nachhaltigen Unternehmensführung, das in den kommenden Jahren als Instrument zur Umsetzung des EU Green Deals weiter an Bedeutung gewinnen wird. Sie bietet einen einheitlichen und vergleichbaren Standard, mit dem Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsleistung nachvollziehbar bewerten und transparent berichten können. Ein wesentlicher Mehrwert der EU-Taxonomie liegt darin, dass sie für die Bewertung der unternehmerischen Nachhaltigkeitsleistung finanzielle und nicht-finanzielle Daten kombiniert. Dazu ist es notwendig, dass Nachhaltigkeitsmanager, Controller, Risikomanager, Buchhalter und andere Vertreter des Finanzbereichs noch enger zusammenarbeiten, um den Anforderungen des Rahmenwerks gerecht zu werden.
Die EU-Taxonomie trägt damit zu einer stärkeren Integration von Nachhaltigkeit in unternehmerische Planungs-, Entscheidungs- und Reporting-Prozesse bei. Für das Controlling wird es zukünftig vor allem darauf ankommen, die EU-Taxonomie in seine Prozesse und Instrumente zu integrieren. Für die erfolgreiche Umsetzung der EU-Taxonomie in der Praxis ist neben dem Controlling auch eine Involvierung der anderen Bereiche der Finanzfunktion notwendig. Obwohl in der Zukunft noch weitere Anpassungen und Ergänzungen, insbesondere im Hinblick auf eine „social taxonomy“, zu erwarten sind, sollten sich Controller dennoch frühzeitig mit dem Themenkomplex auseinandersetzen, um auf diese Entwicklungen vorbereitet zu sein.
Anmerkung: Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem White Paper „EU-Taxonomie für Sustainable Finance“ des Fachkreises „Green Controlling for Responsible Business“ im Internationalen Controller Verein (ICV), dem die drei AutorInnen angehören.
Die Autorinnen und Autoren:
Andrea Engelien (Beraterin für Nachhaltigkeitscontrolling und -strategieentwicklung),
Stefan Jordan (Projektleiter im Bereich Nachhaltigkeit & Umwelt in der Konzernleitung der Deutschen Bahn)
Dr. Marco Möhrer (Controller bei der Robert Bosch GmbH, Promotion zur Messung von Nachhaltigkeit in Unternehmen)
für den Fachkreis „Green Controlling for Responsible Business” im ICV
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