Objectives & Key Results (OKR): Fehler bei der Einführung

Objectives & Key Results (OKR) erfährt aktuell einen großen Zulauf. Die Ergebnisse sind aber oft nicht die gewünschten. Häufig stellt sich heraus, dass die Ziele von OKR-Einführungsprojekten gar nicht definiert sind: Welches Problem soll OKR eigentlich lösen?

Was OKR verspricht

Befragt man Unternehmen, warum sie OKR für die Umsetzung ihrer Strategie eingeführt haben, dann werden folgende Probleme häufig geschildert:

  1. Es gibt eine Lücke zwischen Strategie und Umsetzung.
  2. Es fehlt die horizontale und vertikale Ausrichtung in der Organisation auf die strategischen Ziele.
  3. Es fehlt der Fokus.
  4. Es fehlt an Transparenz über die Ziele und die Zielerreichung.
  5. Im Rahmen der Strategieumsetzung kann nicht schnell genug auf Unvorhergesehenes reagiert werden.

All das führt dazu, dass die strategischen Ziele schließlich nicht erreicht und Strategien nicht wirkungsvoll umgesetzt werden.

In diesem Kontext verspricht OKR die Lösung zu sein.

  • OKR bringt die Zielerreichung mit der Vision, der Strategie und den obersten Prioritäten des Unternehmens in Übereinstimmung.
  • OKR schärft den Blick für das Wesentliche und steigert damit die Produktivität durch Fokussierung auf die relevanten Ziele.
  • OKR unterstützt bei der Ausrichtung, so dass alle Mitarbeitenden ihren Beitrag zu den Unternehmenszielen kennen.
  • OKR fördert die Übernahme von Verantwortung und Verbindlichkeit.
  • OKR bringt durch die Messbarkeit Transparenz über den tatsächlichen Fortschritt.
  • OKR bietet ein Framework, das eine agile Strategieumsetzung ermöglicht.

Diese Versprechen treffen meist auf bestehende Initiativen in Unternehmen, die zum Ziel haben mehr Agilität, mehr Performance oder mehr Transformation in der Organisation voranzutreiben.

Daher gibt es wenig Gründe, die gegen eine Einführung von OKR sprechen, oder?

Doch es gibt ein tiefergehendes Problem, das unsere Aufmerksamkeit verdient.

Das Problem: Strategieumsetzung ist heute komplex, nicht nur kompliziert

Fast alle Unternehmen sind heute mit einem nie dagewesenen Maß an Veränderung und Komplexität konfrontiert.

In der Vergangenheit konnten Unternehmen auf Märkten, die sich nur langsam veränderten, ihre Leistung anhand ihres Output leicht messen. Die Beziehungen zwischen der Leistung des Unternehmens und dem Kundennutzen waren stabil und bekannt. Die Ursache-Wirkungs-Beziehungen waren linear und damit vorhersehbar.

Kompliziert versus...
Um solche so genannten komplizierten Probleme zu lösen, war linear-kausales Denken (wenn – dann – sonst) gefragt. Bei gegebenen Zielen und stabilen Rahmenbedingungen war dies die Grundlage zu guten Entscheidungen, planvollem Handeln und letztendlich Erfolg. Was es zur Lösung eines komplizierten Problems bedurfte, war das Wissen über die linearen Zusammenhänge, die Zerlegung des Problems, ein Plan und die konsequente Umsetzung.

So ist beispielsweise die Einführung einer Buchhaltungssoftware ein kompliziertes Problem das mit dem linearen Lösungsmuster: Ziel haben, analysieren, Entscheidungen treffen, planen und handeln gelöst werden kann.

...komplex
Bei komplexen Problemen sieht das anders aus. Sie sind komplex, weil sich das Problem in einem System “versteckt”. Es gibt kein “vorne” und kein “hinten”. Statt linearer Ursache-Wirkungszusammenhänge existiert ein hohes Maß an Wechselwirkungen. Damit lässt sich das Problem nicht zerlegen. Die Suche nach einem geeigneten Plan, einem Rezept, ist für solch Problemstellungen nicht effektiv.

Beispiele für komplexe Problemstellungen

So ist die Lösung eines Konflikts zum Beispiel ein komplexes Problem. Das Verhalten der Beteiligten verändert das Umfeld und das Umfeld wirkt sich auf das Verhalten der einzelnen Beteiligten aus. Daher gibt es bei der Lösung von komplexen Problemen oft Überraschungen, weil die Wirkung von einzelnen Maßnahmen nicht vorhersagbar ist.

Insbesondere dort, wo wir es mit Pionierarbeit zu tun haben, wo wir heute noch nicht das klare Ziel vor Augen haben und auch nicht den Weg dahin beschreiben können, haben wir es mit komplexen Problemstellungen zu tun.

Für solche komplexen Problemstellungen, für die es keine Rezepte gibt, ist eine klassische Prozesssteuerung auf Basis von durchdeklinierten Plänen ineffektiv. Stattdessen braucht es eine empirische Prozesssteuerung, die Inspektion und Anpassung beruht (siehe Abb. 1).

klassische vs. empirische Prozesssteuerung

In einem komplizierten Umfeld ist das WAS und das WIE bekannt: ein Plan/Lösungsweg kann definiert werden. Die Steuerung erfolgt gegen einen vorher festgelegten Plan.

In einem komplexen Umfeld ist entweder das WAS und/oder das WIE nicht bekannt: ein Plan ist nicht effektiv. Empirie: Die Idee, dass wahres Wissen aus tatsächlicher, lebendiger Erfahrung kommt.

Strategieumsetzung: Herausforderungen in der VUCA-Welt

Genau vor diesen komplexen Problemen ist unsere heutige VUCA Welt geprägt. Dies führt zu Herausforderungen in der Umsetzung von strategischen Zielen:

  • Schnell sind strategische Ziele überholt, weil das Unternehmen in einem dynamischen Umfeld eingebettet ist. Was vor einem halben Jahr noch erstrebenswert war, kann jetzt überholt sein. Macht das strategische Ziel vor diesem Hintergrund noch Sinn?
  • Zwischen einem bereitgestellten Produkt oder einer Serviceleistung, Output, und tatsächlichem Kundennutzen, Outcome, liegt Unsicherheit. Der Output umfasst Ergebnisse, die zum Erreichen des Outcome beitragen (s. Abb. 2). Ein einfaches Beispiel ist z.B. der Outcome, die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Ein Output, der zur Erreichung dieses Ziel beitragen kann, könnte ein Onlineshop sein. Was vor einem halben Jahr noch als Lösung für ein Kundenproblem angesehen wurde, kann sich heute als falsch erweisen. Sollen wir die Umsetzung des Outputs trotzdem konsequent durchsetzen?

Outcome vs. Output

Ziele können auf unterschiedlichen Wirkungsebenen definiert werden.

OKR als Framework für eine agile Strategieumsetzung für komplexe Problemstellungen

Gerade bei Umsetzung von strategischen Themen mit einem großen Anteil an Komplexität scheitern Vorgehensweisen, die auf der klassischen Prozessteuerung, d.h. die Steuerung gegen langfristig Pläne, beruhen. Steuert ein Unternehmen auf diese Weise führt das bei komplexen Problemstellungen oft dazu, dass Pläne permanent angepasst werden müssen:

  • weil der Kontext sich dynamisch verändert,
  • weil Themen aufgrund der Wechselwirkungen nicht zerlegbar sind,
  • weil auch der Weg oder selbst das Ziel sich verändern kann.

Und für diese komplexen Problemstellungen kann OKR als Framework für eine agile Strategieumsetzung unterstützen.

Die Anwendung von OKR löst sicher keine Probleme in Unternehmen. Sie unterstützt aber die Menschen sich kritisch mit den Fragen auseinanderzusetzen:

  • „Wohin wollen wir?“ und
  • „Woran wir erkennen, dass wir unser Ziel erreicht haben?“

Und diese Reflektion kann insbesondere Mehrwert für die Organisation schaffen, wenn das zugrundeliegende Problem wirklich verstanden wurde.

Standardfehler beim OKR-Einsatz

Wenn OKR nicht die gewünschten Ergebnisse bringt: Vier typische Gründe.

  1. Fehlender Bezug zur Strategie: OKR wird oft als Ersatz für eine fehlende Strategie genutzt. OKR wird losgelöst vom strategischen Rahmen betrachtet.
    Richtig stattdessen: OKR wird als Teil eines integrierten Strategieprozess betrachtet. OKR setzt die Durchführung der strategischen Analysen und die Festlegung des strategischen Rahmens voraus. Nur in diesem Rahmen kann OKR als Framework für eine agile Strategieumsetzung funktionieren (s. Abb. 3).
  2. Fehlende Outcome-Orientierung: Im Fokus der Definition von Objectives und Key Results steht der Output oder die Aktivität.
    Richtig stattdessen: Klarheit über den Outcome wichtig, weil die Leistung des Unternehmens nicht einfach über den Output gemessen werden kann. Bei der Definition von Objectives und Key Results werden Ziele auf Ebene des Outcome definiert. Sie stellen die Wirkung in den Vordergrund, die das Unternehmen tatsächlich erreichen will.
  3. Klassische Prozessteuerung gegen einen Plan: OKR wird bei der Zieldefinition genutzt, um einen langfristigen Plan umzusetzen. Der Fokus liegt auf den Erfüllungsgrad bei der Umsetzung eines Plans. Dies kann bei der Lösung von komplizierten Problemstellungen gut funktionieren.
    Richtig stattdessen: Für komplexe Problemstellungen braucht es darüber hinaus eine kritische Auseinandersetzung in kürzeren Intervallen auch über die Wirksamkeit der Strategie und der OKR selbst. Dies zeigt sich insbesondere an der Durchführung von Reviews und Retrospektiven.
  4. Fehlender „Kümmerer“: Die Einführung von OKR wird, überspitzt dargestellt, über das Ausrollen einer Excel Vorlage durchgeführt. Die Teams müssen OKR nur in die Vorlage eintragen und zu gewissen Terminen Rechenschaft ablegen.
    Richtig stattdessen: Es braucht in der Organisation die Rolle des OKR „Kümmerers“. Oft wird dieser auch bezeichnet als „OKR Champion“, „OKR Master“ oder „OKR Professional“. Nur über eine solche Rolle können Teams sich in der Anwendung von OKR weiterentwickeln.

Integrierter Strategieprozess

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