Horváth: Chancen zur nachhaltigen Geschäftsmodellerweiterung

Nachhaltigkeit verursacht nur Bürokratie und Kosten? Nein, sagt Svenja Stöveken: Nachhaltigkeit schafft konkrete Chancenbereiche für zukunftsträchtige Geschäftsmodelle. Notwendig dazu ist die Umsetzung einer nachhaltigen Strategie - und nicht nur einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Svenja Stöveken ist Leiterin der Business Unit Strategy bei Horváth und Expertin für die Themen Strategie und Nachhaltigkeit. Bei der diesjährigen Strategiekonferenz von Horváth hielt sie einen Vortrag über die "Transformation von einer Nachhaltigkeitsstrategie zu einer nachhaltigen Strategie".

Jetzt oder nie!

Für Svenja Stöveken ist klar: Nie war die Notwendigkeit hin zu nachhaltigerem Verhalten notwendiger, alternativloser und relevanter als jetzt. Die Meeresspiegel steigen jährlich weiter an, die Emissionen aus fossilen Brennstoffen sind so hoch wie nie und die jährliche Kunststoffproduktion steigt weiter, als das sie reduziert wird.

Deutlich machte sie das unter anderem durch Aufzeichnungen zur Erderwärmung und auch durch den World Overshoot Day, der dieses Jahr auf den 04. Mai fiel – also der Tag, an dem alle natürlichen Ressourcen, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht sind. Basierend auf diesem Datum verweist Stöveken darauf, dass die Gesellschaft bis Jahresende "auf Pump", also auf Kosten der Zukunft und zukünftiger Generationen lebt. Die Zeit sei gekommen, umzudenken und nachhaltiges Handeln in den Mittelpunkt zu stellen.

Nachhaltigkeitsaspekte mit der Unternehmensstrategie verbinden

Auch wenn es sowohl in der Gesellschaft als auch in Unternehmen eine wachsende Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit gibt, so würden viele Unternehmen aufgrund der multiplen globalen, wirtschaftlichen und politischen Krisen Nachhaltigkeit in ihrer Strategie depriorisieren. Wobei das gar nicht sein müsste – viel eher lassen sich Nachhaltigkeitsaspekte mit der Unternehmensstrategie verweben, sodass nachhaltiges Handeln nicht mehr nur als separates Maßnahmenpaket verstanden werden muss, so Stöveken.

Nachhaltigkeit als Booster für langfristigen Unternehmenserfolg

Die Synergie zwischen den Säulen People, Planet und Profit ist der Schlüssel, um das gesamte Potential von Nachhaltigkeit als Booster für den künftigen Unternehmenserfolg zu nutzen. Stöveken betont allerdings, es ginge bei Nachhaltigkeitsaspekten nicht um kurzfristige Rendite, sondern viel mehr um langfristiges Wachstum und Rentabilität. Dazu können Unternehmen Nachhaltigkeit als Hebel für ihr Wachstum und zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen nutzen.

Es gelte, so Stöveken weiter, das Geschäftsmodell in all seinen Dimensionen zu hinterfragen und nachhaltige Ansätze zu integrieren. Es sei ein Paradigmenwechsel erforderlich, bei dem die Ingredienzen von Nachhaltigkeit und Strategie neu kombiniert werden. Und sie ist überzeugt, nur indem wir die Dinge weiterdenken und miteinander verbinden, können wir von Nachhaltigkeitsstrategien zu nachhaltigen Strategien kommen und die langfristig Value generieren.

Svenja Stöveken

Monetäre und non-monetäre Werte schaffen

Diese Werte können sowohl monetärer als auch non-monetäre Art sein. So können durch die Verbindung mit Nachhaltigkeit unter anderem Kapitalkosten gesenkt, Margen verbessert und somit auch die Attraktivität für Investoren gesteigert werden. Gleichzeitig stärken Unternehmen mit einem starken ökologischen Fußabdruck aber auch ihre Reputation, können Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit nehmen und schaffen sich somit einen weiteren Vorteil in der Rekrutierung von Arbeitskräften.

Insbesondere junge Menschen werden immer stärker von Nachhaltigkeitsaspekten beeinflusst und berücksichtigen diese auch bei der Wahl ihres Arbeitgebers, sodass eine nachhaltige Strategie zur Rekrutierung und Bindung von Talenten immer wichtiger wird, weiß Stöveken.

Neun Chancenbereiche als Basis für Synergieeffekte zwischen Nachhaltigkeit und Profitabilität

Zur Unterstützung der Entwicklung einer nachhaltigen Strategie analysierte Horváth die Nachhaltigkeitsstrategien und -maßnahmen von über einhundert erfolgreichen und nachhaltigen Unternehmen und leitete darauf basierend neun Chancenbereiche aus den Bereichen Fair Economy und Circular Economy ab (s. Titelbild):

  • Zugang zu Produkten: Der direkte oder indirekte Zugang zu Produkten für benachteiligte Kunden wird vereinfacht.
  • Zugang zur Ökonomie: Die Wirtschaftskraft von Kunden und Konsumenten zur Erschließung neuer Märkte wird gestärkt.
  • Zugang zum Unternehmen: Das Unternehmen oder Teile des Unternehmen wird zu anderen Stakeholdern geöffnet.
  • Servitization: Die Funktion eines Produkts wird als Dienstleistung verkauft.
  • Verlängerung der Lebensdauer: Die Nutzung eines Produkts wird so lange wie möglich verlängert.
  • Recycling: Mit Recycling wird teilweise oder vollständige Rückgewinnung erzielt.
  • Konversion: Materialreste, Emissionen und Restwerte werden in neue (Grund-)Produkte umgewandelt.
  • Substitution: Bei Rohstoffen, Produkten oder Prozessen werden nachhaltigere Alternativen eingesetzt.
  • Öko-Effizienz: Der Verbrauchs von Rohstoffen, Energie, Transportwege, Verschmutzung...wird verringert.

Enorme Potenziale nutzen

Nachdem ein Unternehmen sein Nachhaltigkeits-Ambitionsniveau festgelegt hat, bieten die verschiedenen Chancenbereiche die Möglichkeit, das eigene Geschäftsmodell hinsichtlich einer nachhaltigen Zukunft weiterzuentwickeln, zu transformieren und somit Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Stöveken betont, dass das Potential enorm ist. Denn hinter allen 9 Chancenbereichen haben sie und ihr Team unterschiedliche Geschäftsmodellmuster identifiziert die Unternehmen in vielfältiger Art und Weise für sich nutzen können um die nachhaltige Transformation voranzutreiben.

Von der Nachhaltigkeitsstrategie zur nachhaltigen Strategie

Grundsätzlich, so Stöveken weiter, müssen man von der Nachhaltigkeitsstrategie zur nachhaltigen Strategien kommen. D.h. zum einen muss der Entwicklungsprozess einer Strategie um Nachhaltigkeitsaspekte erweitert werden, um sicherzustellen, dass Nachhaltigkeit von Anfang an in die Planung und Umsetzung von Unternehmensstrategien integriert wird. Aber es muss auch gelingen, nicht das Thema Nachhaltigkeit isoliert zu betrachten. Vielmehr gilt es alle Themen so zu verbinden, dass echte Value Creation auf allen Ebenen gelingt. Hier hebt sie ergänzend hervor, dass die Einbindung der Mitarbeitenden von Beginn an essenziell ist, um die Transformation im Unternehmen voranzutreiben und Begeisterung zu schaffen. Gleichzeitig sei Nachhaltigkeit ein fortlaufender Lernprozess, bei dem Unternehmen Schritt für Schritt besser werden und dazulernen – "learning while walking" also. Es ginge darum loszulegen, auf diesem Wege Erfahrungen zu sammeln und alle Mitarbeiter proaktiv miteinzubeziehen.

Wichtig sei, dass Unternehmen jetzt den Handlungsbedarf erkennen, Nachhaltigkeit und Profitabilität als Synergie begreifen, nachhaltige Strategien entwickeln und die Chancenbereiche zur Unterstützung ihrer kontinuierlichen Transformation nutzen.

Schlagworte zum Thema:  Nachhaltigkeit, Steuerung, Strategie