Anforderungen an die Neuausrichtung der Kostenrechnung

Die Kostenrechnung ist ein Standardinstrument der BWL. Doch auch Standards müssen der Zeit angepasst werden, meint Prof. Dr. Jürgen Weber, und identifiziert dafür drei Entwicklungen, die für Veränderungsdruck sorgen.

Die Kostenrechnung lässt sich mit Fug und Recht als ein Standardinstrument der Betriebswirtschaftslehre bezeichnen und ist mit der ihr innewohnenden Bewertungslogik Inbegriff betriebswirtschaftlichen Denkens. In den Unternehmen hat sie quasi Verkehrsgeltung erreicht und zählt an den Hochschulen zu den Standardelementen der betriebswirtschaftlichen Curricula. Ein zentraler Grund für ihren Erfolg liegt darin, dass sie eine Leistungserstellungs- mit einer Produktsicht verbindet. Sie hilft, die richtigen Produkte anzubieten und diese wirtschaftlich zu produzieren. Sie schafft die Basis, um zu auskömmlichen Budgets zu kommen und legt die Grundlage für eine wirksame Kostenverantwortung – um nur die wichtigsten Punkte auf der langen Liste ihrer Nutzenwirkungen zu nennen.

Vielen Managern fehlen Interesse und Verständnis gegenüber der Kostenrechnung

Allerdings ist die Kostenrechnung etwas aus dem Blickfeld der Controllerinnen und Controller geraten. Neue Instrumente (wie z.B. das Forecasting) oder Rollen (wie der Business Partner) stehen im Fokus und im Rechnungswesen geht es eher um IFRS als um Kostenrechnung. Anders als die Finanzbuchhaltung wird die Kostenrechnung auch nicht geprüft; es findet kein laufender Qualitätscheck statt. Dies gilt nicht nur für Einzeldaten, sondern auch für ihren konzeptionellen Ausbaustand. Wie gut die Kostenrechnung die Anforderungen im Unternehmen erfüllt und welche Qualität die von ihr gelieferten Daten haben, ist für die Controller selten transparent. Druck von Seiten des Managements – den Adressaten der Kostenrechnungsinformationen – fehlt. Das komplexe Instrument ist den Managern häufig ein Buch mit sieben Siegeln. Bei genauerem Hinsehen haben Kostenrechnungen in den Unternehmen – auch deshalb – erhebliche Schwachpunkte, etwa auf den Feldern Variantenkalkulation, Kundenerfolgsrechnung und Logistikkosten.

IFRS locken mit wesentlich einfacherer Lösung

Aktuell gibt es aber insbesondere drei Gründe, die Kostenrechnung wieder ins Visier zu nehmen. Zunächst wird nicht nur in Großunternehmen zunehmend die Frage nach den Kosten der Kostenrechnung gestellt. Kaum jemand kennt diese, aber die Kostenrechnung ist so komplex und bindet so viel Zeit der Controller, dass die Vermutung naheliegt, man könne sie entschlacken und dadurch Kosten sparen. Wer sich international auskennt, weiß auch, dass wir im deutschen Sprachraum die Kostenrechnung gerne sehr komplex gestalten. Die anglo-amerikanische Lösung ist viel einfacher. Wenn schon die IFRS-Welt die HGB-Welt abgelöst hat, warum soll Analoges nicht auch auf dem Gebiet der Kostenrechnung passieren?

Anstehender Umstieg auf S/4HANA erzwingt neue Überlegungen

In der Wirkung noch stärker ist der zweite Grund, sich wieder mit der Kostenrechnung zu beschäftigen: Die ERP-Basis steht vor einer grundlegenden Veränderung, zumindest in den Unternehmen, die mit der Software des Marktführers SAP arbeiten. Die alte R/3-Version wird durch SAP S/4HANA abgelöst. Hinsichtlich des Zeitpunkts des Übergangs besteht zwar Flexibilität; die Veränderung ist aber so groß, dass es zumindest längst an der Zeit ist, intensiv über den Wechsel nachzudenken. Dabei sind auch Antworten auf die Frage zu finden, was der Wechsel für die Kostenrechnung bedeuten wird bzw. bedeuten sollte.

Der dritte Grund für mögliche Veränderungen resultiert aus dem „Megathema“ Digitalisierung. Die Digitalisierung ist in einer Makroperspektive zugleich Element und Treiber einer schnelleren und unsteteren Entwicklung der Märkte („VUCA-Welt“). In den Unternehmen sind alle Funktionsbereiche betroffen, auch Finanzen und Controlling. Zwar ist Digitalisierung für viele Controller heute eher noch ein „Buzzword“; die Zahl der Beispiele für neue Möglichkeiten nimmt aber rasant zu. Die Kostenrechnung ist ein zentraler Bestandteil der Finanzwelt („small financial data“), die neue Welt von „big data“ verspricht eine ganz neue Qualität der Informationsversorgung. Für die Kostenrechnung stellt sich die zentrale Frage, ob sie überhaupt in einem solchen Umfeld überlebensfähig ist. Welche neuen Handlungsfelder ergeben sich für sie? Wie muss sie sich verändern, um ihre Chancen nutzen zu können? Reichen das klassische Periodendenken und die Abfolge einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung noch aus? Oder andersherum formuliert: Wie kann man die Kostenrechnung zukunftsfähig machen? Fortsetzung folgt!

Der Artikel erschien erstmals im Controller Magazin 6/2021.

Literatur-Tipp:
Zukunftsfähige Kostenrechnung in der Unternehmenssteuerung
Autor: Prof. Dr. Jürgen Weber

Die Veränderungen des Wettbewerbsumfelds („VUCA-Welt“) und insbesondere die Digitalisierung erfordern ein grundsätzliches Re-Design der Kostenrechnung. Der Autor gibt in diesem Buch konkrete Unterstützung bei der Neuausrichtung des bewährten Controllinginstruments. Anhand von fundierten Konzepten, Fallstudien und einem detaillierten Einblick in die Praxis erläutert er die unterschiedlichen Facetten und zeigt Ihnen Möglichkeiten, die Kostenrechnung in Ihrem Unternehmen zukunftsfähig auszurichten.

Bestell-Nr.:  E11210 | ISBN: 978-3-648-15525-7 | 1. Auflage 2021 | 300 Seiten | Preis: 69,95 EUR