Non-Compliance : Textilindustrie und Lerneffekte aus Katastrophen

Die schreckliche Katastrophe in einem Textilunternehmen in Bangladesch vor fast 3 Jahren schleicht sich langsam aus der allgemeinen Erinnerung. Hat die Textilbranche nachhaltige Konsequenzen gezogen oder ist inzwischen einfach nur Gras über die Geschichte gewachsen?

24. April 2013: Die Rana-Plaza-Fabrik in Bangladesch fällt in sich zusammen und bringt für 1.127 Menschen den Tod. Es war der traurige Höhepunkt einer ganzen Serie schwerer Unfälle in den mehr als 5.000 Textilfabriken in Bangladesch.

Rigorose Dumping-Politik der westlichen Textil-Anbieter

Als Gründe des Unglücks gelten massive bauliche und sicherheitstechnische Mängel, die bekannt waren, aber nicht behoben wurden, weil der Firmeninhaber keine finanziellen Mittel für Sanierungsarbeiten bereitstellte. Als Grund gilt aber auch die rigorose Dumping-Politik der westlichen Textil-Anbieter, wie Primark, Kik, H&M und C&A.

  • Wenn in westlichen Kaufhäusern T-Shirts für 5 Euro und Jeans für 10 Euro angeboten werden, so kann dies nur auf Kosten der Sicherheit in den Herstellerfirmen gehen, denen für dringend notwendige Sanierungsarbeiten zu wenig Mittel übrig bleiben.
  • Und wie so oft spielt auch Korruption bei der Nichteinhaltung von gesetzlichen Bestimmungen eine nicht unerhebliche Rolle. 

Die Unternehmen kündigten verschärfte Kontrollen an

Die massive Kritik in den westlichen Medien schien die betroffenen Unternehmen aufzurütteln.

Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit rückte auch die miserablen Arbeitsbedingungen und die absurd schlechte Bezahlung für die Arbeitnehmerinnen in den Textilfabriken in den öffentlichen Fokus.

Die betroffenen Unternehmen kündigten an, ihre Zulieferer in Zukunft besser zu kontrollieren und nur noch Hersteller zu beauftragen, die

  • wirksame Maßnahmen gegen Korruption ergriffen haben,
  • die baulichen und sicherheitsrechtlichen Mindeststandards einhalten,
  • ihren Arbeitnehmerinnen menschenwürdige Arbeitszeiten einräumen,
  • einen Mindestlohn gewähren und
  • ihren Arbeitnehmern ein Mindestmaß an Mitbestimmung zugestehen (Stärkung der Gewerkschaften). 

Korruption der vor Ort tätigen Kontrolleure

Die Menschenrechtsorganisation „Transparency International“ hat am 11.12.2015 einen Leitfaden vorgestellt, mit dessen Hilfe vor allem die Korruption in der Lieferkette der Textilindustrie bekämpft werden soll. Transparancy weist darauf hin, dass gerade in Bangladesch die Korruption nicht nur die Führungsebene betrifft, sondern häufig die vor Ort tätigen kleineren Inspektoren bestochen werden, um z. B. Sicherheitsgesetze zu umgehen. Gleichzeitig ist die Verflechtung zwischen Politik und Textilindustrie sehr eng. Viele Politiker sind an Textilunternehmen beteiligt und deshalb an kostenintensiven Sicherungsmaßnahmen nicht interessiert.

Die Textilienanbieter müssen Druck ausüben

An exakt dieser Stelle kommen wieder die großen westlichen Textilienanbieter ins Spiel. Allein diese wären in der Lage, den notwendigen Druck aufzubauen, um die Arbeitsbedingungen der Textilarbeiterinnen grundlegend zu verbessern.

  • Die effektivste Sanktion auf dem freien Markt ist immer noch der Entzug von Aufträgen, aber auch der trifft als letzte in der Kette schließlich die Arbeitnehmerinnen, die Näherinnen, die ihren Arbeitsplatz verlieren könnten.
  • Unter dem Strich wird eine Lösung nur darin liegen können, dass die Handelsketten in den westlichen Ländern sich darüber einig sind: Ein T-Shirt für 5 und eine Jeans für unter 10 Euro, das ist nur möglich mit absurd schlechten Arbeitsbedingungen in den Herkunftsländern und bei unterirdisch schlechten Löhnen der Näherinnen. 

Textilbündnis zur Bekämpfung der Korruption

Für Bangladesch ist Deutschland der zweitgrößte Exportmarkt. 90 % des gesamten Exportes betreffen Textilien. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hat ein Textilbündnis ins Leben gerufen, in dem sich die deutschen Unternehmen zusammenschließen können, um die Korruption und die Umgehung von gesetzlichen Mindeststandards zu bekämpfen.

  • Einige große Textilanbieter haben sich dem Bündnis angeschlossen in der Erkenntnis, dass es nicht unbedingt umsatzfördernd ist, wenn ein Unternehmen ständig mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird.
  • Die Firma Otto z. B. hat sich verpflichtet, nur noch Zulieferer zu beauftragen, die die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation einhalten.
  • Diese Normen umfassen sowohl die Arbeitszeiten als auch den Arbeitsschutz.

Teile der Textilbranche haben also durchaus etwas verstanden, das gilt aber wohl leider nicht für alle Unternehmen.

Bisher beschämend niedrige Entschädigungszahlungen für die Opfer

Nach dem Unglück in Bangladesch haben die Textilanbieter einen Opferfonds gegründet. Kurz nach dem Unglück in Bangladesch hatten die Konzerne 30 Millionen Euro als Soforthilfe versprochen. Nicht einmal die Hälfte wurde bisher eingezahlt. Dies wiederum ist für die beteiligten Unternehmen eher beschämend.

  • 29 westliche Unternehmen ließen in dem in Bangladesch kollabierten Gebäude arbeiten.
  • Diese 29 Unternehmen sind gut für einen Jahresgewinn von zusammen 15 Milliarden Euro.
  • Da erscheint es doch eher blamabel, wenn eine Summe von 30 Millionen als Entschädigungsleistung nur unter Schwierigkeiten einzusammeln ist.

Für eine tiefgreifende Änderung der Unternehmenskultur der Textilunternehmen spricht dies jedenfalls nicht. Auch die westlichen Verbraucher sind eher vergesslich. Das Leid der betroffenen Familien vor Ort ist dagegen noch lange nicht vorbei.

Schlagworte zum Thema:  Notfallmanagement, Umweltschutz, Gefahrstoff, CSR, Haftung