Korrekte Betriebsratsvergütung als Compliance-Thema

Gesetzeswidrige Betriebsratsvergütungen sind in der Praxis wahrscheinlich nicht so selten, wie man im Hinblick auf die nur wenigen öffentlich diskutierten Fälle (siehe Opel und VW) zunächst glauben könnte. Manchmal wird allerdings nicht etwas "zugeschustert", sondern eher zu wenig gezahlt, weil Vorgaben zum Lohnfortzahlungsprinzip ignoriert werden.

Öffentlich gemacht werden gesetzeswidrige Vergütungen von Betriebsräten eher selten, sind sie doch Gegenstand des kollektiven Arbeitsrechts und damit eine eher interne Personalangelegenheit eines Betriebes.

Streng zu beachten ist aber der gesetzlich zwingende Grundsatz der ehrenamtlichen Ausübung des Amtes eines Betriebsrats, die somit grundsätzlich nicht vergütet werden darf.

Betriebsräte mit übernatürlichen Eigenschaften

Das Ehrenamtsprinzip verfolgt den gesetzgeberischen Zweck, eine ganze Reihe von als nahezu unvereinbar erscheinende Attribute zu vereinigen.

Der Grundsatz der Ehrenamtlichkeit soll

  • die Unabhängigkeit des Betriebsrats gewährleisten,
  • ihn gleichzeitig als regulären Arbeitnehmer und damit als Teil der Belegschaft ausweisen,
  • den Betriebsrat deutlich von einem mit besonderen Vorteilen ausgestatteten Arbeitnehmerfunktionär abgrenzen
  • und die Unparteilichkeit des Betriebsrats gewährleisten.

Grundsatz der Vergütung der hypothetischen Arbeitstätigkeit

Das Verbot der besonderen Vergütung der Betriebsratstätigkeit ist gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG verbunden mit einem

  • Anspruch auf Freistellung von der Arbeitspflicht während der erforderlichen Betriebsratstätigkeit.
  • Während der Betriebsratstätigkeit ist der Betriebsrat so zu stellen, als hätte er während dieser Zeit regulär gearbeitet.
  • Dies beinhaltet während der Tätigkeit als Betriebsrat einen Anspruch auf Lohnzahlung in Höhe des Arbeitslohns, den der Betriebsrat während seiner sonstigen Arbeit erzielt hätte (BAG, Urteil v. 18.5.2016, 7 AZR 401/14).
  • Zu vergüten ist aber grundsätzlich nur die fiktive Arbeitstätigkeit und nicht das Amt.

Gerade in großen Unternehmen kommt es manchmal zu erstaunlichen fiktiven Karrieren, denn die Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften sind hälftig mit Arbeitnehmer- und Arbeitgeber-Vertretern besetzt.  Dadurch entscheiden die Betriebsräte mit über über die Besetzung und Vergütung des Vorstands mit. Das kann auch die fiktiven Karriere der Betriebsräte befeuern.

Balanceakt zwischen Begünstigung und Benachteiligung

Was sich zunächst so selbstverständlich anhört, ist in der Praxis häufig mit erheblichen Bewertungsschwierigkeiten verbunden.

Das Lohnfortzahlungsprinzip bedeutet nämlich, dass der Betriebsrat durch seine Betriebsratstätigkeit keinerlei Nachteile gegenüber seiner sonstigen beruflichen Tätigkeit erleiden darf.

Deshalb sind bei der Berechnung des hypothetisch durch reguläre Arbeitsleistung erzielbaren Lohns auch verschiedene variable Lohnfaktoren in Rechnung zu stellen wie

  • Überstundenvergütung,
  • besondere Zulagen (abzüglich ersparter Aufwendungen beispielsweise bei einer Schmutzzulage),
  • leistungsbezogene Arbeitsentgelte wie Boni, Tantiemen und Provisionen,
  • Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie
  • Ausgleichszahlungen für eine hypothetisch mögliche berufliche Entwicklung (z.B. Beförderungen), die infolge der Betriebsratstätigkeit entfällt, §§ 37 Abs. 4 u. 5 , 38 Abs.3 BetrVG.

Dies sollten Unternehmen schon im Eigenen Interesse beachten, denn wenn der Weg und die Wahl in den Betriebsrat zu massiven Nachteilen führt, wird dies langfristig der Qualität der Arbeitnehmervertretung schaden.

Betriebspraxis ist häufig nicht gesetzeskonform

Doch nicht nur die korrekte Ausgestaltung des Lohnfortzahlungsprinzips wird gelegentlich vernachlässigt. In der Praxis war man in der Vergangenheit auch äußerst kreativ, um Betriebsräten trotz der klaren gesetzlichen Verbotsregeln besondere Entgelte zukommen zu lassen, etwa durch

  • Sitzungsgelder in Form von Aufwandsentschädigungen,
  • besondere Arbeitsfreistellungen, unter anderem die Gewährung von Sonderurlaub,
  • Beförderungen und damit einhergehende Lohnhöhergruppierungen, die der realen beruflichen Situation nicht entsprachen,
  • besondere Dienstwagenregelungen,
  • Gewährleistung besonderer betrieblicher Fortbildungsmaßnahmen.

Solche Praktiken widersprechen deutlich dem Zweck des Gesetzes, die Unabhängigkeit des Betriebsrates zu gewährleisten.

Strafrechtliche Verfolgung bleibt häufig aus

Für die Arbeitgeber bedeutet die Behandlung der Betriebsräte häufig eine Gratwanderung zwischen dem Verbot der Besserstellung einerseits und dem Verbot der Benachteiligung andererseits.

Bei Verstößen riskieren die Beteiligten grundsätzlich strafrechtliche Sanktionen. Gemäß §§ 78, 119 BetrVG werden Verstöße in diesem Zusammenhang strafrechtlich aber nur auf Antrag verfolgt, eine Vorschrift, die von Strafrechtlern zunehmend infrage gestellt wird und die schon häufig die strafrechtliche Ahndung von Verstößen (siehe Opel im Jahr 2012) verhindert hat.

  • Allerdings riskieren Arbeitgeber, die unrechtmäßige Vergütungen von Betriebsratsmitgliedern steuerlich absetzen, eine strafrechtliche Verfolgung wegen Steuerhinterziehung gemäߧ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO.
  • Außerdem erwägen Strafrechtler zunehmend die Anwendung des Untreuetatbestands gemäß § 266 StGB, wenn Zuwendungen an Betriebsräte ohne Rechtsgrundlage erfolgen.
  • Zivilrechtlich betrachtet sind sämtliche Vergütungsvereinbarungen, die gegen das Ehrenamtsprinzip verstoßen, gemäß § 134 BGB nichtig.

Fazit: Auch wenn bisher in der strafrechtlichen Praxis selten Sanktionen für unrechtmäßige Betriebsratsvergütungen umgesetzt wurden, so sollte dies für Betriebe kein Grund sein, auf eine Überprüfung und Kontrolle der Betriebsratsvergütungen im Rahmen der betrieblichen Compliance  zu verzichten. Wer Compliance im Unternehmen ernst nimmt, darf Regelbereiche nicht nur deshalb aussparen, weil bisher keine ernsthaften Sanktionen drohen. Letzteres könnte sich im übrigen im Rahmen einer geänderten strafrechtlichen Sichtweise auch sehr schnell ändern.

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