Atemschutzgeräte: Novellierte DGUV Regel richtet Fokus auf das Auswahlverfahren
Die novellierte DGUV Regel 112-119 „Benutzung von Atemschutzgeräten“ hat vor allem folgende zwei Änderungen im Vergleich zur Vorgängerversion gebracht: Zum einen ist der Bereich Ausbildung, Fortbildung und Unterweisung nicht mehr Bestandteil dieser Regel, sondern ist in den DGUV Grundsatz 312-190 „Ausbildung, Fortbildung und Unterweisung im Atemschutz“ übernommen worden. Zum anderen wird der Auswahlprozess eines geeigneten Atemschutzgerätes für den jeweiligen Arbeitsplatz und für die zu schützende Person erstmals detailliert vorgegeben und beschrieben.
Auswahlverfahren von Atemschutzgeräten
Atemschutzgeräte können nur einen umfassenden Schutz bieten, wenn sie auf dem Gesicht des Trägers optimal aufliegen. Nur wenn die Dichtlinie ohne Unterbrechung der Gesichtsform folgt, ist der Träger durch den Atemanschluss beziehungsweise das Atemschutzgerät wirksam geschützt.
Durch das Auswahlverfahren inklusive Dichtheits- bzw. Anpassungsüberprüfung lassen sich die Modelle ermitteln, die den Beschäftigten den besten Schutz bieten. Nur wenn das Prüfverfahren abgeschlossen sind, kann das Atemschutzgerät final bestimmt werden und von den Angestellten bei der Arbeit getragen werden.
Atemschutz - Anpassungsüberprüfung nach Zulassung
Mit der DGUV Regel liegt den Unternehmen nun eine genaue Beschreibung für den eigenen Auswahlprozess von Atemschutzgeräten vor. Denn sich allein auf die Zulassung bzw. die Zertifizierung des Geräts zu verlassen, ist nicht ratsam. Beim Zulassungsprozess werden zwar alle einschlägigen Normen geprüft und die Dichtheit durch zehn Testpersonen in einer Prüfkammer mit einer festgelegten Partikelkonzentration in der Luft nachgewiesen. Die Werte der Testpersonen liefern dann auch eine Aussage darüber, ob die Atemschutzmaske eine vorgegebene nominelle Schutzklasse erfüllt. Für die Anwendung einer Atemschutzmaske im Betrieb reicht dies aber nur bedingt aus.
Die Anpassungsüberprüfung an den Testpersonen (Beurteilung der Passform) im Rahmen der Zulassung weist nämlich zwei gravierende Defizite auf. Zum einen werden nur die Gesichter und Köpfe der zehn Testpersonen vermessen und dokumentiert. Zum anderen werden an diesen Personen nur zwei Abmessungen ermittelt, nämlich die Gesichtsbreite sowie die Länge des Gesichts von der Nasenwurzel zum Kinn. Diese beiden Maße reichen aber bei weitem nicht aus, um das weite Spektrum menschlicher Kopf- und Gesichtsformen zu erfassen.
Mit der neuen DGUV Regel wird diese Bewertung dagegen entschieden „individualisiert“, da sie die spezifischen Bedingungen am Arbeitsplatz und alle physiognomischen Voraussetzungen des jeweiligen Trägers berücksichtigt. Ihr Fokus liegt also auf den konkreten Menschen und ihrem Arbeitsumfeld im Unternehmen. Beim Auswahlprozess eines Geräts zählen vor diesem Hintergrund alle Details des Kopfes und Gesichts eines Arbeitnehmers. Dabei geht es nicht nur um messbare physiognomische Merkmale, sondern im Rahmen eines Fragenkatalogs sollen die Beschäftigten über alle relevanten Merkmale informieren, so beispielsweise über Körperbehaarung, Körperschmuck oder Narben, die einen dichten Sitz der Atemschutzmaske beeinträchtigen könnten.
Atemschutzgeräte - qualitative oder quantitative Anpassungsüberprüfung
Neben den physiognomischen Merkmalen von Gesicht und Kopf liegt der zweite Schwerpunkt des Auswahl- und Anpassungsverfahrens in der Bewertung der Verhältnisse am Arbeitsplatz. Dazu müssen die Ergebnisse der aktuellen Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden, beispielsweise zu möglichen Schadstoffen in der Arbeitsumgebung. In diesem Kontext wird zwischen einer qualitativen und quantitativen Anpassungsüberprüfungen unterteilt. Die qualitative Anpassungsüberprüfung ist in erster Linie für partikelfiltrierende Halbmasken, Viertel- und Halbmasken geeignet. Die quantitative Anpassungsüberprüfung dagegen kann für alle Atemschutzgeräte angewendet werden. Befinden sich in der Luft am Arbeitsplatz Stoffe mit hohem Gefährdungspotential, sollte unbedingt die quantitative Anpassungsüberprüfung der qualitativen Methode vorgezogen werden.
Quantitative Dichtsitzprüfung für Atemschutzgeräte
Bei der quantitativen Anpassungs- bzw. Dichtsitzprüfung (Fit Test) misst die testende Person mit Hilfe eines sogenannten Partikelzählers die Partikelkonzentrationen innerhalb und außerhalb eines Atemschutzgeräts. Während des Tests führt der Atemschutzträger Bewegungs-, Atem- und Sprechübungen aus, die er auch im Arbeitsalltag machen würde. Das gemessene Verhältnis der Partikelanzahl zueinander bildet als Zahlenwert die Schutzwirkung ab, der sogenannte „Fit-Faktor“. Je nach Maskentyp muss ein bestimmter Wert erreicht werden, damit sie für die Anwendung im Betrieb in Frage kommt.
Qualitative Dichtsitzprüfung für Atemschutzgeräte
Bei der qualitativen Anpassungsprüfung wird dem Träger einer Atemschutzmaske ein Beutel über den Kopf gezogen, in dem eine stark riechende oder schmeckende Substanz gegeben wird. Dabei handelt es sich meist um Bittrex mit bitterem Geschmack, Saccharin mit süßem Geschmack oder Bananenöl mit starkem Bananengeruch. Wenn der Träger die hinzugegebene Substanz nicht riecht oder schmeckt, kann von einem ausreichenden Schutz der Maske ausgegangen werden. Das Verfahren hat allerdings gravierende Nachteile: Wie oben schon erwähnt, ist es lediglich für Halbmasken geeignet. Und wenn der Beschäftigte einen beeinträchtigten Geruchs- oder Geschmackssinn hat oder etwa erkältet ist, funktioniert das Verfahren auch nicht.
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