Interview: Umweltschutz in einer globalen Lieferkette

Professor Dr. Rainer Grießhammer ist Mitglied der Geschäftsführung des Öko-Instituts in Freiburg und Träger des Deutschen Umweltpreises. Im Gespräch mit der Haufe-Redaktion beschreibt er, welche Herausforderungen das Thema Umweltschutz an die soziale Unternehmensverantwortung stellt.

Er nennt Positiv-Beispiele aus der Praxis und erläutert, welche Möglichkeiten ein deutsches Unternehmen hat, um sicherzustellen, dass bei seinen Zulieferern etwa in Asien oder Afrika auch auf die Umwelt geachtet wird.

Herr Professor Grießhammer, was hat das Öko-Institut mit Corporate Social Responsibiltiy (CSR) zu tun?

Wir streben eine nachhaltige Wirtschaft, nachhaltige Unternehmen und nachhaltigen Konsum an. Es geht nicht nur um Umweltschutz. Entsprechend spielen in vielen unserer internationalen Projekten, zum Beispiel in Afrika und Asien, sozio-ökonomische Auswirkungen eine große Rolle.

Wir haben dabei auch erkannt, dass sich positive Veränderungen für die Umwelt, beispielsweise im Bereich des E-Schrott Recyclings, nur Hand-in-Hand mit den sozialen Bedingungen verbessern lassen.

Bei CSR beschäftigen wir uns auch mit der Frage, was CSR objektiv bewirkt – das analysieren wir beispielsweise im europäischen Projekt IMPACT. Und wir unterstützen Unternehmen, ihre CSR- und Produkt-Performance zu messen und zu verbessern, wie aktuell bei einem Projekt mit der Deutschen Telekom, in dem wir für und mit dem Unternehmen zusammen ein Bewertungsmodell entwickelt haben.

Welchen Stellenwert nimmt der Umweltschutz bei der CSR ein?

Umweltschutz ist grundsätzlich ein Teil von CSR – genauso wie soziale und ökonomische Aspekt. Je nach Sektor und Thema liegen die Prioritäten unterschiedlich. Bei vielen Themen gibt es auch Überschneidungen. Bei Schadstoffen zum Beispiel profitieren in der Regel Arbeiter, Konsumenten und Umwelt zusammen von verbesserten Regelungen. Bei sozialen Aspekten wie Arbeitszeiten, Gewerkschaftsfreiheit oder Kinderarbeit gibt es weniger klare Überscheidungen. Aber CSR und nachhaltiger Konsum müssen eben ökologisch und sozialverträglich sein.

Kritiker behaupten, dass CSR zu wenig transparent und nicht messbar sei. Sehen Sie das auch so? Nach welchen Standards können Manager ihr Unternehmen ausrichten, um nachhaltig zu wirtschaften?

Tatsächlich gibt es bei CSR drei Grundprobleme: erstens werden die Produkte meist nur marginal behandelt, sprich im Nachhaltigkeitsbericht wird ausführlich zu Themen wie etwa Frauenförderung, Lieferantenschulungen oder Sponsoring geschrieben. Bei den Produkten beschränken sich die Angaben allerdings oft auf nur ein Produkt, das besonders hervorgehoben wird. Da steht dann beispielsweise bei einem Automobilhersteller etwas über ein Niedrigverbrauchs-Auto aber nicht, ob und wie der Verbrauch der gesamten produzierten Pkw-Flotte aussieht.

Zweitens setzen Standards wie die Global Reporting Initiative (GRI) oder der Deutsche Nachhaltigkeitskodex auf die gute und vollständige Berichterstattung, machen aber keine Zielvorgaben wie etwa: „Euer Prozess muss um 30 Prozent besser sein als der Branchenschnitt“. Das führt dann auch dazu, dass Bürger und Politiker schwer erkennen können, wo die Unterschiede liegen – und drittens öffnet das natürlich Tür und Tor für Greenwashing. Die Changemaker-Initiative von Utopia geht hier einen anderen Weg – hier werden von den Unternehmen anspruchsvolle Ziele und Umsetzungsmaßnahmen verlangt.

Welche unabhängigen Organisationen kontrollieren, ob Standards eingehalten werden?

Einerseits wird überprüft, ob die Berichterstattung vollständig und gut ist, zum Beispiel bei der Global Reporting Initiative (GRI), andererseits, ob die Berichterstattung in der Praxis stimmt, wie etwa bei Auditierungen. Beides hat in der Vergangenheit schon zu Verbesserungen geführt. Gerade multinationale Unternehmen stehen hier verstärkt im Rampenlicht.

Ist eine globale Lieferkette überhaupt kontrollierbar? Und wenn ja, wie?

So gut wie keine Lieferkette lässt sich hinsichtlich sozialer Auswirkungen flächendeckend kontrollieren. Das Öko-Institut hat die Schwierigkeiten in einer Studie zu Notebooks aufgezeigt. Notebooks haben rund 2.000 Einzelteile und Hunderte von Zulieferern. Aber man kann sich durchaus auf Hot Spots konzentrieren, die ja überwiegend gut bekannt sind. In der IT-Industrie sind das die Rohstoffentnahme unter anderem von Coltan/Tantal, Kobalt, Zinn sowie der arbeitsintensive Zusammenbau der Geräte.

Welche Möglichkeiten hat ein deutsches Unternehmen um sicherzustellen, dass bei seinen Zulieferern etwa in Asien oder Afrika auch auf die Umwelt geachtet wird?

Das hängt stark vom Sektor und der Art der Lieferkette ab. Sobald das letzte Unternehmen der Wertschöpfungskette eine ausreichend hohe Marktmacht und zudem direkte Vertragsbeziehungen mit den Unternehmen hat, in denen Missstände vermutet werden, ist der Einfluss enorm – und der ist positiv wie negativ möglich.

In anderen Bereichen ist das schwieriger. Wenn zum Beispiel ein Mittelständler kleine Mengen von Rohstoffen aus Krisengebieten in Afrika benötigt, ist er alleine eher machtlos. Im Einzelfall kann aber auch der Lieferant mächtig sein, zum Beispiel weil es nicht viele Hersteller eines bestimmten Produktes/Einzelteils gibt. Ein innereuropäisches Beispiel wäre Bosch in der Automobilindustrie. Das Unternehmen ist für verschiedene Teile der einzige Zulieferer.

In welchen Ländern und in welchen Branchen sehen Sie beim Umweltschutz aktuell den größten Handlungsbedarf in Sachen soziale Unternehmensverantwortung?

Beim Umweltschutz muss man unterscheiden zwischen den klassischen lokal oder regional bedeutsamen Umweltbelastungen wie beispielsweise Emissionen ungeklärter Abwässer und den globalen Umweltbelastungen wie etwa Treibhausgas-Emissionen. Im ersten Bereich sind vor allem Unternehmen in Schwellenländern noch lange nicht auf gutem Niveau. Beim zweiten Bereich spielen große und multinationale Unternehmen die größere Rolle – vor allem über ihre Produkte, die eben in der klassischen CSR-Berichterstattung unterbelichtet sind.

Aber auch hier gibt es Vorreiter zum Beispiel Bosch-Siemens-Hausgeräte. Das Unternehmen bietet bei den Haushaltsgeräten ein Supereffizienz-Portfolio an. Das Unternehmen agiert aber nicht nur am Markt, sondern setzt sich auch politisch aktiv für Klimaschutz und Effizienzanforderungen ein. Ein weiteres Beispiel für politisches Engagement ist die Initiative " 2 Grad - Deutsche Unternehmer für Klimaschutz".

Ist es günstiger Umwelt- und Sicherheitsstandards weltweit zu verbessern oder lohnt es sich, wieder mehr am Standort Deutschland zu produzieren?

Aus entwicklungspolitischer Sicht haben wir seit Jahren gefordert, dass mehr für die Entwicklung asiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Staaten getan wird. Auch die Millenium-Ziele erfordern dies. Jetzt, wo die Entwicklung dieser Regionen wirklich in Gang kommt – interessanterweise durch wirtschaftliche Faktoren und weniger durch Entwicklungshilfe – sollte man die nachhaltige und umweltgerechte Entwicklung vor Ort unterstützen.

Auf politischer Ebene wird national und EU-weit diskutiert, ob CSR verpflichtend oder weiter freiwillig gehandhabt werden soll. Wofür plädieren Sie?

Grundsätzlich ist es sinnvoll, die Berichtspflichten von Unternehmen auszuweiten, auch über den klassischen Finanzbereich hinaus. Da ist die Welt einfach weiter als vor 100 Jahren und die Unternehmen sind auch weiter. Dennoch darf man sich von Berichtspflichten keine automatischen Verbesserungen erwarten, auch wenn man parallel ein Auditierungs- und Zertifizierungssystem einführen würde. Es ist schwer vorstellbar, CSR für unterschiedlichste Branchen, Unternehmen und Regionen so zu verankern, dass es vor Ort garantiert positive Wirkungen erzielt. Stattdessen geben Berichtspflichten und gute Berichte den Konsumenten und dem Staat die entscheidenden Informationen, wo was verändert werden muss.

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Professor Grießhammer.


Bettina Brucker M. A., Freie Journalistin und Autorin