Traditionelle Kostenrechnungssysteme wie die Zuschlagskalkulation berechnen den Preis für ein Produkt oder eine Leistung (beide Begriffe werden im Beitrag synonym verwendet) auf Grundlage der im Unternehmen vorhandenen Kostenstruktur. Vereinfacht gesagt wird für die Kalkulation auf die Kosten des Unternehmens ein Gewinnzuschlag und mögliche Rabatte addiert und man erhält einen kostenbasierten Marktpreis. Es wird also berechnet, was ein Produkt unter Berücksichtigung der aktuellen Struktur kosten wird.

Daraus resultiert häufig, dass der kalkulierte Preis über dem liegt, was die Kunden zu zahlen bereit sind. Dann muss man im Unternehmen nach Möglichkeiten suchen, die Kosten und/oder die Gewinnmarge zu reduzieren. Ein Grund für die oft zu hohen Kosten ist, dass Firmen Leistungsmerkmale für ein Produkt entwickeln und anbieten, von denen sie glauben, dass die Kunden sie wünschen, obwohl das häufig nicht der Fall ist. Das ist aber oft nicht bekannt, weil man sich nicht intensiv genug damit befasst herauszufinden, was die Kunden wirklich wünschen.

Genau hier setzt die Zielkostenrechnung (Target Costing) an: Vor der Durchführung der eigentlichen Kalkulation wird versucht herauszufinden, was Kunden von einem neuen Produkt erwarten und was für Preisvorstellungen sie haben. Die Zielkostenrechnung geht also von einem für ein Produkt am Markt zu erzielenden Preis und einer möglichen Verkaufsmenge aus. Von diesem Preis bzw. Umsatz wird unter Berücksichtigung des vom Unternehmen gewünschten Gewinns zurückgerechnet, welche Kosten maximal anfallen dürfen.

Ein Unternehmen rechnet damit, dass es mit einem neuen Produkt einen Umsatz von 5 Mio. EUR erreichen kann. Der Gewinn soll 10 % bzw. 500.000 EUR betragen. Demnach dürfen die Kosten für Entwicklung, Herstellung und Verkauf nicht höher als 4,5 Mio. EUR sein.

Bei der Umsetzung der Zielkostenrechnung müssen u. a. folgende Aspekte beachtet werden:

  • Einbeziehung möglichst aller mit Produktentwicklung, -herstellung und –verkauf betroffenen Stellen, z. B. Vertrieb, Service, Produktion, Einkauf, Entwicklung, Qualitätssicherung, Controlling.
  • Konsequente Markt- und Kundenorientierung, da es notwendig ist, so früh wie möglich zu erfahren, was die Kunden von einem Produkt erwarten und was sie hierfür zu zahlen bereit sind. Dazu gehört auch herauszufinden, welche Leistungsmerkmale für Kunden weniger wichtig sind und wofür sie nicht bereit sind, zusätzliche Entgelte zu bezahlen.
  • Frühzeitige Einbeziehung wichtiger (externer) Partner, z. B. Entwickler, Lieferanten oder Banken, um von Beginn an die Anforderungen klar zu kommunizieren und so die Kostenstrukturen günstig zu beeinflussen. Je eher die Partner wissen, wie ein Produkt aussehen und funktionieren soll, desto eher sind sie in der Lage, ein qualitativ und preislich gutes Angebot zu unterbreiten. Auch die Abläufe lassen sich besser gestalten, wenn alle Beteiligten zu einem frühen Zeitpunkt in die Produktentwicklung und -fertigung eingebunden sind. Je später dies geschieht, desto höher sind i. d. R. auch die Kosten, da oft nachträgliche Anpassungen benötigt werden.
  • Die Produkte müssen so beschrieben bzw. konzipiert werden, dass sie sich in zentrale Funktionen (das sind die Kundenwünsche) und Komponenten (das sind die technischen Anforderungen, die benötigt werden, um die Kundenwünsche zu erfüllen) unterteilen lassen. Kostenpositionen, die sich nicht ohne Weiteres auf Funktionen aufteilen lassen, z. B. Werbung oder Leitung, sollten gleichmäßig auf die Komponenten umgelegt werden.
  • Um die Zielkostenrechnung durchführen zu können, ist es notwendig, die Kosten für einen längeren Zeitraum zu berechnen. Ideal wären 10 Jahre, da so die Lebenszyklen der meisten Produkte abgedeckt werden können. In der Praxis wird aber, gerade bei kleinen Unternehmen, lediglich ein Zeitraum von 5 Jahren betrachtet, da es hier kaum möglich ist, verlässliche Prognosen für mehr als diese Spanne zu erstellen.

Ziel des Target-Costing ist es in erster Linie, das Unternehmen konsequent auf den Markt und die Kundenanforderungen auszurichten und die Produkte von Beginn an so zu entwerfen, dass nur geringe Kosten entstehen und die Produkte nur Funktionen enthalten, die sich die Mehrheit der Kunden wirklich wünscht.

In der Folge lässt sich teures "Over-Engeneering", also die Entwicklung und Bereitstellung eigentlich nicht gewünschter Leistungsmerkmale, vermeiden. Durch den regelmäßigen Kundenkontakt ist es möglich, das Unternehmen in allen Belangen besser auf die Erfordernisse des Marktes auszurichten. Mögliche Änderungen von Kundenwünschen können so schneller erkannt werden und man ist in der Lage, hierauf schneller und flexibler zu reagieren als Wettbewerber.

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