Sustainable Performance Accounting (SPA)
Grundkonzeption von SPA
SPA nutzt die Logiken und Mechanismen der klassischen Betriebswirtschaft, genauer: der Buchführung. Für eine Verknüpfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsdaten schlägt SPA vor, neben der Finanz-Buchhaltung (F-Buchhaltung) eine zweite Buchhaltung anzulegen. Die ESG-Buchhaltung orientiert sich ebenfalls an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB). ESG steht hier für Nachhaltigkeitssachverhalte und deckt Umwelt (Environment, E), Soziales (Social, S) und gute Unternehmensführung (Governance, G) ab. Die integrierte ganzheitliche Buchhaltung (S-Buchhaltung, F-ESG-Buchhaltung) setzt sich dabei aus der Finanz-Buchhaltung und der ESG-Buchhaltung zusammen. SPA stellt eine buchhalterisch in sich geschlossene Systematik zur Erfassung von negativen und positiven ESG-Effekten in der Bilanz und GuV dar.
SPA berücksichtigt sowohl betriebliche ESG-Sachverhalte (finanzielle Wesentlichkeit, Outside-in Perspektive) als auch ESG-Gemeinwohlsachverhalte (Wesentlichkeit der Auswirkungen, Inside-out Perspektive), also negative und positive externe Effekte. Betriebliche ESG-Sachverhalte entsprechen der finanziellen Wesentlichkeit gemäß European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Diese Perspektive wird als Outside-in Perspektive bezeichnet, denn sie beinhaltet die finanziellen Auswirkungen, die ökologische und gesellschaftliche Dynamiken auf Unternehmen haben. ESG-Gemeinwohlsachverhalte entsprechen der Wesentlichkeit der Auswirkungen gemäß ESRS. Diese Perspektive wird auch Inside-out-Perspektive bezeichnet, die die Impacts von Unternehmen auf Umwelt und gesellschaftliche Systeme abbildet. Durch diese Gliederung ist SPA unter anderem anschlussfähig an die europäischen Nachhaltigkeitsstandards (European Sustainability Reporting Standards, ESRS).
Grenzen der bisherigen Bilanzierung und Änderungen durch SPA
Sustainable Performance Accounting schlägt eine Erweiterung der Buchhaltung um eine ESG-Buchhaltung vor, die sich an den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) orientiert und eine Art Bilanzierungshilfe darstellt. Damit Nachhaltigkeitssachverhalte in steuerungsrelevanten Performancegrößen (S-Performance; mit „S“ für sustainable bzw. nachhaltig) integriert werden können, sind diese buchhalterisch zu erfassen und zu bilanzieren. Das geht in der klassischen Finanzbuchhaltung nicht ohne Weiteres, da nach HGB und IFRS sowohl für die Aktivierung von Vermögensgegenständen/-werten als auch die Passivierung von Rückstellungen bestimmte Ansatzkriterien erfüllt sein müssen, die bei den hier diskutieren ESG-Sachverhalten nicht erfüllt sind. Letztendlich mangelt es bei den ESG-Aktiva an einem wahrscheinlichen Cash-Zufluss und bei den ESG-Passiva an einem wahrscheinlichen Cash-Abfluss. Dennoch sind in der SPA-Konzeption diese dem Unternehmen zuzuordnenden positiven und negativen externen ESG-Effekte Gegenstand der S-Performance und daher erfolgswirksam in der ESG-Buchhaltung zu erfassen.
Auf Basis der S-Buchhaltung (Sustainable, also nachhaltige Buchhaltung) können S-Performance-Kennzahlen ermittelt und anhand von Nachhaltigkeitsinformationen von Rahmenwerken - wie beispielsweise den ESRS - erläutert werden. So wird beispielsweise die etablierte Performance-Kennziffer EBIT (Earnings before interests and taxes) zum SEBIT (Sustainable EBIT) erweitert. Die nachhaltige Buchhaltung bei SPA steht dabei für Nachhaltigkeit im weiteren Sinne. Nach SPA ist ein Unternehmenserfolg dann nachhaltig, wenn das wirtschaftliche Handeln sich finanziell trägt und bei dieser Berechnung alle ESG-Sachverhalte (Nachhaltigkeit im engeren Sinne) berücksichtigt wurden. [Hinweis: Bei ESG steht das „S“ für „Social“; ansonsten aber für „Sustainable“].
Sustainable Performance Accounting übersetzt die Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Allgemeinheit in die Rechnungslegung. Der Begriff „die Allgemeinheit“ wird im Folgenden als Sammelbegriff für Natur und Gesellschaft bzw. sozial-ökologische Systeme, die in Interaktion mit Unternehmen stehen. ESG-Gemeinwohlsachverhalte werden bei SPA gegen die neue Eigenkapital-Position „ESG-Kapital“ gebucht. Dadurch wird die Allgemeinheit implizit Gesellschafterin der Unternehmung.
Ein detailliertes Buchungsbeispiel ist Gegenstand folgender Open Access-Veröffentlichung.
Muster-Beispiel zur Anwendung im Unternehmen
Gegenstand des linken Teils der Überleitungsrechnung vom EBIT zum SEBIT ist das Ergebnis der doppelten Wesentlichkeitsanalyse des Musterunternehmens GreenAccounting AG.
An dieser Ergebnisdarstellung könnte die Überleitungsrechnung zum SEBIT ansetzen. Zu jedem ESG-Sachverhalt könnte der Buchungsbetrag in der ESG-GuV sowie der Hinweis auf die entsprechenden Seitenangaben des Nachhaltigkeitsberichts ergänzt werden, in dem der jeweilige ESG-Sachverhalt samt Bewertung erläutert wird.
Die Überleitung der GreenAccounting AG befindet sich rechts im rot umrandeten Feld. Für „positive“ ESG-Sachverhalte wird in der ESG-GuV ein Ertrag (aus der Aktivierung eines Aktivums in der ESG-Bilanz) dargestellt. Dies betrifft im konkreten Beispiel die CO2-Sequestrierung (3,5 Mio. €), die Mitarbeitergesundheit (4 Mio. €) sowie die Ausbildung der Auszubildenden (1 Mio. €). Dementsprechend ist für „negative“ ESG-Sachverhalte jeweils ein Aufwand in der ESG-GuV zu erfassen, da diese in der ESG-Bilanz zu passivieren sind. Dies betrifft zum einen die CO2-Emissionen durch die Produktion (- 28 Mio. €) sowie negative Auswirkungen durch Bestechung (- 3 Mio. €). Bei zwei weiteren „negativen“ ESG-Sachverhalten war eine Bewertung in diesem Beispiel nicht möglich, so dass hier keine ESG-Buchung erfasst werden konnte (Lohnspreizung, Resilienz). In der Summe beläuft sich die Belastung durch die ESG-GuV auf -22,5 Mio. €. Ausgehend vom EBIT der GreenAccounting AG in Höhe von 90 Mio. € ergibt sich durch Subtraktion von -22,5 Mio. € aus der ESG-GuV ein SEBIT von insgesamt 67,5 Mio. €, welches in diesem Beispiel die Sustainable Performance darstellt. Ganz rechts in der Überleitungsrechnung befindet sich zudem unter „weitere Details“ die relevanten Seitenangaben des Nachhaltigkeitsberichtes, wo die Details zu dem jeweiligen Sachverhalt aus der ESRS-Berichterstattung aufgeführt sind.
Aktuelle Grenzen von SPA
Für diverse Nachhaltigkeitsthemen gibt es noch keine (allgemein anerkannten) Bewertungsmethoden, da (einheitliche) Indikatoren, Grenzwerte und/oder Monetarisierungen ausstehen. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Erfassung in einer ESG-Buchhaltung und damit für eine letztendliche Berücksichtigung in S-Performance-Kennziffern. Hier braucht es - und gibt es bereits auch - weiterführende Forschungsbeiträge und kritische Diskussionen. Details sind im Rahmen weiterer Publikationen zu erarbeiten. Und solange gilt aus Sicht der Autoren: Besser unvollkommene Maßstäbe für die Internalisierung externer Effekte in der ESG-Buchhaltung zu verwenden, als gar keine Bewertung und Buchung durchzuführen.
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