Studie Corporate Sustainability im Mittelstand

Überforderte Unternehmer, die sich gegen Nachhaltigkeitsvorschriften wehren. Dieses Bild wird in letzter Zeit häufig gezeichnet. Die Haufe-Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt: Das Bild ist differenzierter. Ein großer Teil der Führungskräfte begreift nachhaltiges Wirtschaften als Chance.

Die nachhaltige Transformation stellt den Mittelstand vor eine der größten Herausforderungen der kommenden Jahre. In der Öffentlichkeit entsteht - etwa im Zuge der Diskussion um das europäische Lieferkettengesetz oder die CSR-Richtlinie - immer wieder der Eindruck, dass Unternehmerinnen und Unternehmer die gesetzlichen Vorgaben ausschließlich als bürokratische Belastung wahrnehmen. Diesem Eindruck ist Haufe in der Studie „ Corporate Sustainability im Mittelstand“ nachgegangen. Dazu wurden Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Tiefeninterviews befragt. Die Studie zeigt: Mittelständler haben Nachhaltigkeit mehrheitlich als Chance für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen erkannt.

Nachhaltigkeit als Wettbewerbsvorteil oder Überforderung?

Die Studie differenziert vier Typen hinsichtlich unternehmerischer Nachhaltigkeit: Wegbereiter, Routiniers, Einsteiger und Skeptiker. Während die Wegbereiter intrinsisch motivierte Visionärinnen und Visionäre sind, die Nachhaltigkeit als elementaren Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie betrachten, ist bei den Routiniers nachhaltiges Management aufgrund externer Stakeholder-Forderungen zur gängigen Unternehmenspraxis geworden. Die Einsteiger befassen sich hingegen erst seit Kurzem mit dem Thema, weil anstehende Berichtspflichten und Kundenwünsche dies erfordern. Die Skeptiker empfinden Nachhaltigkeitsanforderungen vor allem als organisatorische und finanzielle Belastung und fürchten den externen Anpassungsdruck.

Drei von vier Typen sehen Nachhaltigkeit vor allem als Wettbewerbsvorteil: Der Aussage „Langfristig rechnet es sich für Unternehmen, Schrittmacher in Nachhaltigkeit zu sein“ stimmen 84 Prozent der Wegbereiter zu. Bemerkenswert: Auch die als Routiniers und Einsteiger klassifizierten Unternehmer haben hier eine hohe Zustimmung (100 Prozent der Routiniers, 81 Prozent der Einsteiger). Lediglich die Skeptiker stimmen dieser Aussage nur bedingt zu (33 Prozent).

Die Skeptiker halten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu 100 Prozent für eine „Überforderung des Mittelstands“. Ihnen stehen die Pioniere diametral gegenüber. Unter den Routiniers sehen 38 Prozent die Nachhaltigkeitsberichterstattung als Überforderung, unter den Einsteigern sind es 36 Prozent. Insbesondere die Einsteiger stimmen der Aussage „Ohne klare Vorgaben der Politik funktioniert Nachhaltigkeit nicht“ zu (55 Prozent). Nur 14 Prozent der Wegbereiter, 38 Prozent der Routiniers und 33 Prozent der Skeptiker sind dieser Ansicht.

Organisatorische Verortung meist im Top-Management

Nachhaltiger Wandel in Unternehmen wird maßgeblich von der Unternehmensspitze vorangetrieben (48 Prozent). Insbesondere CEOs vom Typ Wegbereiter geben häufig den Impuls für eine nachhaltige Ausrichtung und handeln als Agenda-Setter. In Familienunternehmen wird diese Motivation von den Eigentümerfamilien getragen.

Corporate Sustainability im Mittelstand organisatorische Verortung

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Die Studie gibt deutliche Hinweise auf einen Trend zur Professionalisierung des operativen Nachhaltigkeitsmanagements. Dies zeigt sich in der gezielten Rekrutierung von Absolventen von Studiengängen wie Nachhaltigkeitsmanagement, Sustainability Science oder Energie- und Nachhaltigkeitsmanagement. Auch Weiterbildungen der Mitarbeitenden wurden häufig genannt, was auf eine verstärkte Sensibilisierung und Qualifizierung im Bereich Nachhaltigkeit hindeutet.

Treiber für nachhaltiges Management

Die wichtigsten Treiber sind typenübergreifend die Erwartungen von Kunden oder Geschäftspartnern (39 Prozent), die Zukunftssicherung des Unternehmens (36 Prozent) sowie die Glaubwürdigkeit nachhaltiger Geschäftsmodelle (35 Prozent).

Die Tiefeninterviews lassen je nach Typ unterschiedliche Treiber erkennen. Für Wegbereiter stehen Werteentscheidungen der Führungskräfte und/oder Eigentümer sowie das Motiv einer langfristigen, vorausschauenden Zukunftssicherung des Unternehmens im Vordergrund. Routiniers nannten insbesondere Vorgaben des Gesetzgebers und von externen Kapitalgebern. Einsteiger nannten in den Gesprächen häufig die gestiegenen Erwartungen jüngerer Mitarbeiter und Bewerber als Treiber für Nachhaltigkeit. Bei den Skeptikern sind es weniger persönliche Überzeugungen, die zu Nachhaltigkeit führen, sondern bestehende oder sich abzeichnende Problemlagen wie Personalbeschaffung, Kundenbindung oder steigender Kostendruck.

Divergierende Haltungen zu Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung

Das Studienpapier schlüsselt des Weiteren auch auf, welche Hemmnisse die einzelnen Typen sehen und welche konkreten ESG-Maßnahmen sie anstoßen.

Insgesamt zeigt die Studie, dass der Mittelstand in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften kein monolithischer Block ist. Die Motive der Unternehmerpersönlichkeiten und ihre jeweilige Einstellung zu regulatorischen Anforderungen sind sehr unterschiedlich.


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