Interview: LkSG nach den Wahlen – alles neu?

Viele Unternehmen haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zu implementieren. Die politische Diskussion um eine Abschaffung sorgt nun für Verunsicherung. Anne-Kathrin Gillig, Head of ESG bei KPMG Law, gibt im Interview eine Einschätzung.

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet große Unternehmen schon seit 2023, Berichtsmechanismen, Instrumente und Monitoringsysteme zu menschenrechtlichen Aspekten in ihren Lieferketten zu etablieren. Bereits 2024 gab es Vorstöße, das Gesetz wieder abzuschaffen. Mit den neuen Mehrheitsverhältnissen nach der Bundestagswahl könnte dies Realität werden. Das sorgt in den Unternehmen für Verunsicherung – war die ganze Arbeit umsonst?

Frau Gillig, die CDU hat im Wahlkampf in einem Sofortprogramm angekündigt, das LkSG nach einem Wahlsieg abschaffen zu wollen. Nun deutet sich eine Koalition mit der SPD an. Wie wahrscheinlich macht das eine Abschaffung?

Das ist schwer zu sagen. Beide Parteien sehen in ihren Wahlprogrammen eine Vereinfachung vor und kritisieren bestimmte Aspekte des LkSG, unter anderem die zu umfangreichen Berichtspflichten. Durch die „Verknüpfung“ mit der europäischen Richtlinie Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) wird das LkSG nach meiner Einschätzung aber nicht einfach abgeschafft. Vielmehr erwarte ich punktuelle Erleichterungen für Unternehmen.

Ist eine Abschaffung einfach so möglich?

Dazu müsste ein Gesetzentwurf mehrheitlich angenommen werden. Einen solchen Vorstoß gab es bereits im vergangenen Juni, er wurde abgelehnt. Es ist jedenfalls in unserem Rechtsstaat nicht möglich, eine Abschaffung etwa per Kanzlerdekret zu beschließen.

Anne-Kathrin Gillig, KPMG Law

Herausforderungen bei der Umsetzung des LkSG

Ist die Aufregung um das Gesetz gerechtfertigt?

Ich denke, der Zweck des Gesetzes ist absolut konsensfähig. Unser Wohlstand beruht auf unseren Handelsbeziehungen mit Drittländern. Deshalb haben wir meiner Meinung nach auch eine moralische Verpflichtung, für bestimmte Standards in den Lieferketten zu sorgen. An der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes entzündet sich der Streit. Man muss sich fragen: Geht es dadurch irgendjemandem besser? Wenn man sich strikt am LkSG orientiert, ist die Umsetzung sehr aufwändig. Ein Beispiel: Ausgangspunkt ist die Durchführung einer umfassenden Risikoanalyse. Das für die Überwachung des Gesetzes zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) fordert dazu Auskünfte von sämtlichen unmittelbaren Zulieferern. Hier sollte angesetzt werden. Auf der Wirkungsebene können Unternehmen ihre Lieferanten nur durch vertragliche Verpflichtungen zu einem bestimmten Verhalten anhalten. Da kann man die Vorgaben sehr unterschiedlich auslegen: Wenn man das richtig macht, mit gezielten Präventionsmaßnahmen und individuellen Regelungen für jeden einzelnen Lieferanten, ist es ein Bürokratiemonster. Auf der anderen Seite gibt es unter Umständen Unternehmen, die einfach einen allgemeinen Code of Conduct erstellen oder etwas in ihre AGB schreiben und das dann nicht mehr kontrollieren.

Das BAFA hat die Prüfung der LkSG-Berichte in der Vergangenheit mehrfach verschoben. Hat das dazu beigetragen, dass das Gesetz nicht mehr allzu ernst genommen wurde?

Als das LkSG am 1. Januar 2023 in Kraft trat, gingen die Prognosen einhellig in die Richtung „erst einmal abwarten, wie strikt das umgesetzt wird“. Wider Erwarten hat das BAFA dann bei ab diesem Zeitpunkt verpflichteten Unternehmen aus bestimmten Sektoren (Anm. d. Red.: Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten im Inland) angeschrieben und konkret nach der organisatorischen Verankerung und dem Beschwerdemechanismus gefragt. Diese Sorgfaltsmaßnahmen mussten ab dem 1. Januar 2023 vorliegen. Das hat viele Unternehmen aufgerüttelt und zum Handeln bewegt.

Ausblick auf die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD

Unabhängig vom LkSG steht die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD bereits in den Startlöchern. Sie soll bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden und das LkSG ablösen. Doch auch bei der CSDDD sind noch Änderungen zu erwarten. Wie wird es mit der Supply Chain Due Diligence weitergehen?

Sollten die Änderungen der CSDDD wie im Omnibus-Entwurf vorgesehen umgesetzt werden, wird es kleinere Erleichterungen für Unternehmen geben. Unter anderem würde die Pflicht zur Beendigung von Lieferbeziehungen bei Verstößen entfallen, wenn damit produktionskritische Lieferketten unterbrochen werden würden. Insgesamt bliebe der menschenrechtliche Pflichtenkatalog mit dem des LkSG identisch. Im Gegensatz zum LkSG bezieht sich die EU-Richtlinie aber auch auf umweltrechtliche Aspekte, was neu wäre.

Sie sprachen von „kleineren Erleichterungen“ – unter anderem wird diskutiert, ob die in der CSDDD vorgesehene zivilrechtliche Haftung gestrichen wird. Das wäre keine Kleinigkeit.

Der Aspekt der zivilrechtlichen Haftung ist der größte Unterschied zwischen der CSDDD und dem LkSG. Würde diese, wie in der Omnibus-Richtlinie nun vorgesehen, in die Hände der Mitgliedsstaaten gelegt, ist fraglich, ob Deutschland angesichts der aktuellen politischen Mehrheitsverhältnisse hiervon Gebrauch machen würde.

Abwarten oder weitermachen? Empfehlungen für Unternehmen

Wie sollten sich Unternehmen angesichts der Unklarheit zum Fortgang der Lieferkettenregulierung verhalten?

Man kann natürlich sagen, man dreht alles wieder zurück und spart Kosten. Dabei darf man aber das Risiko von Reputationsschäden nicht außer Acht lassen, so schwer messbar diese auch sind. Stellen Sie sich vor, ein DAX-Unternehmen streicht seine Prozesse zur Risikobewertung und in der Presse steht dann „Unternehmen XYZ schafft menschenrechtliche Sorgfalt ab“. Das kann und möchte sich kein Unternehmen leisten.

Meine Empfehlung für die nächsten Monate ist, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Unternehmen sollten schauen, wie sie ihre Geschäftsprozesse mit vertretbarem Aufwand sinnvoll anpassen können, um kommende Anforderungen zu erfüllen. Dazu sollte jetzt in den Unternehmen die Informationsgrundlage geschaffen werden, insbesondere zu den mit der CSDDD neu hinzukommenden umweltbezogenen Risiken. Nur wenn der Werkzeugkasten sortiert ist, kann bei einem Rohrbruch das passende Werkzeug schnell gezückt werden.

Danke für das Gespräch!


Schlagworte zum Thema:  Lieferkette, Sorgfaltspflicht