ESG-Transformation in Unternehmen

Herr Kroker, wieso sollten Unternehmen die eigene ESG-Transformation vorantreiben?
Sie haben keine Wahl, denn der regulatorische Druck steigt. Und auch der Druck der Kunden steigt: Geschäftskunden haben zunehmend ihre Zulieferer im Visier und diese – gerade Mittelständler – sollen dann die Nachhaltigkeitsziele ihrer Kunden unterstützen. Die CSRD, die EU-Taxonomie und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz befeuern diese Entwicklung noch weiter.
Wie gut sind Unternehmen auf diese regulatorischen Anforderungen vorbereitet?
Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen, die das Thema derzeit noch gar nicht auf der Agenda haben und auch noch keine Unternehmensfunktion dafür haben. Dreiundfünfzig Prozent der Unternehmen sagten in einer Studie, sie würden sich noch in einem frühen Stadium der Transformation befinden. Dann haben wir aber zunehmend auch Mittelständler, die das Thema auf die Agenda nehmen, weil sie sagen, „wir sind ein Familienunternehmen, wir haben eine Verpflichtung gegenüber Gesellschaft, Kunden, allen Stakeholdern“. Und dann gibt es die Unternehmen, die dem Druck des Kapitalmarkts, der Investoren, der Fremd- und Eigenkapitalgeber ausgesetzt sind. Diese müssen agieren, sie haben keine Wahl.
Regulatorischer Druck: Für ESG-Verweigerer läuft die Uhr ab
Was droht Unternehmen, die ESG komplett ausblenden?
Es dauert nicht mehr lange, bis diesen Unternehmen der Verlust des Geschäftsmodells droht. Entweder weil sie Teil einer Lieferkette größerer Unternehmen sind. Oder weil sie an Endverbraucher verkaufen. Heute schon verschicken Einkäufer großer Unternehmen Fragebögen an mittelständische Zulieferer, um abzufragen, was sie in Sachen ESG tun. Für Geschäftskundenlieferanten besteht das Risiko, ausgelistet zu werden. ESG ist daher eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die im Zweifel ins Geschäftsmodell eingreift. Ich glaube, dass durch den regulatorischen Druck in zwei Jahren die Uhr für diese Unternehmen abläuft.
Ist ESG vor allem ein Reportingthema?
Es ist auch ein Reportingthema. Ich kann dieses Reportingthema aber nur dann sinnvoll umsetzen, wenn es Teil der Unternehmensstrategie wird. Es wird nicht funktionieren, eine Abteilung aufzubauen, die nur den Reportingverpflichtungen nachkommt. Das Reporting ist kein Selbstzweck, sondern es soll Ziele und einen Pfad aufzeigen. Dazu sind Daten elementar – ohne Daten keine intersubjektive Nachprüfbarkeit, die Kapitalmärkte und Eigenkapitalgeber zunehmend fordern.
Sie sprechen mit sehr unterschiedlichen Unternehmen. Worin besteht der größte Handlungsdruck hinsichtlich ESG für Unternehmen?
Der größte Handlungsdruck besteht beim Emissions-Abbaupfad (Net-Zero-Ziel). Unternehmen müssen sich die Frage stellen, wo sie 2030, 2045 oder 2050 stehen. Innerhalb unserer „Pathways to Paris“-Initiative bieten wir dafür ein kostenloses Tool an, das wir gemeinsam mit dem WWF entwickelt haben. Hier lassen sich zwei Transformationspfade nebeneinander abbilden für meine Branche: Was bedeutet es, wenn wir nichts machen? Und wie sieht der Transformationspfad aus, wenn bestimmte mitigierende Maßnahmen ergriffen werden?
Nachhaltigkeit beschäftigt alle Unternehmensbereiche
Mit welchen Stakeholdern in den Unternehmen sprechen Sie im Regelfall?
Die Nachhaltigkeitsthematik zieht sich quer durch alle Unternehmensbereiche: Das ist ein Board- und CEO-Thema. Nachhaltigkeit muss in der Unternehmensstrategie verankert sein. Das ist ein CFO-Thema, weil neben den Financials auch die Nonfinancials im Reporting relevant werden. Das ist ein CSO- und ein CHRO-Thema, weil es eines Kulturwandels bedarf und weil es Mitarbeitende sehr stark betrifft. Auch Tax und Legal haben damit zu tun, zum Beispiel wenn es darum geht, Fördermittel von öffentlichen oder globalen Institutionen zu bekommen. Das heißt, der Druck kommt aus jeder Kurve.
Was sind die wichtigsten Stellschrauben, mit denen das C-Level die ESG-Transformation vorantreiben kann?
Unternehmenskultur und Unternehmensstrategie. Ohne die Verankerung dort wird es schwierig, denn dann wird das Reporting zum Selbstzweck. Sie müssen in der Vorstandsverzielung und in der Unternehmensstrategie Kriterien für Nachhaltigkeit haben. Unternehmen werden zunehmend nicht zum Selbstzweck reporten, sondern weil es einer Steuerungslogik bedarf. Und die wird kommen.
ESG und die Auswirkungen auf Geschäftsmodelle
Wie beeinflusst das die Geschäftsmodelle von Unternehmen?
Geschäftsmodelle werden sich deutlich anpassen. Wo Unternehmen einen CO₂-Reduktionspfad nicht hinbekommen oder einen Transformationspfad vielleicht auch gar nicht hinbekommen können, werden sich Geschäftsmodelle verändern. Wir sehen das in vielen Bereichen, zum Beispiel in der Energieproduktion oder auch bei den virulenten Themen „Wasserstoff“ und „Green Fuels“. Da entstehen neue Geschäftsmodelle, während andere Geschäftsmodelle reduziert werden.
Geht der Wandel von Geschäftsmodellen schrittweise oder braucht es eine radikale Transformation in den Unternehmen?
Ich glaube, radikal ist immer gefährlich. Sie werden beispielsweise nicht über Nacht Produktionsprozesse in der Glas-, Zement- oder der Metallindustrie umstellen. Das ist eine Transformation, die Jahre brauchen wird. Am Ende des Tages müssen wir aufpassen, dass wir nicht zu schnell werden, um nicht den Standort Deutschland zu gefährden. Inzwischen liest man an der ein oder anderen Stelle von Deindustrialisierung – und daran kann niemandem gelegen sein. Es braucht Zeit, mit radikalen Schritten werden wir nicht zum Ziel kommen.
Wie ändert sich der Stellenwert von Nachhaltigkeitsthemen in der Beratung und Prüfung bei PwC?
Der Stellenwert nimmt deutlich zu. Wir wachsen stärker im Beratungsmarkt. Das Thema Nachhaltigkeit spielt auch in der Abschlussprüfung eine wesentliche Rolle. Vor der CSRD haben wir hohen Respekt – auch angesichts der Volumina, die auf uns zukommen. Das muss am Prüfermarkt bedient werden und daher bauen wir schon heute Personal auf, damit wir in zwei Jahren, wenn die CSRD für kapitalmarktorientierte Unternehmen wirksam wird, lieferfähig sind.
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