Maßnahme und Nutzen

Veränderungen im Produktions- und Distributionsnetzwerk wie Entscheidungen für den Aufbau neuer Standorte, sei es für ein Lager, Hub oder eine Produktionsstätte, haben eine lange zeitliche Tragweite. Deshalb werden diese Entscheidungen bereits heute oft mit großer Sorgfalt von Unternehmen vorbereitet und getroffen. Neben diesen sehr langfristigen Entscheidungen werden mittelfristig, innerhalb des existierenden Produktions- und Distributionsnetzes, Volumen und damit Produkte auf bestimmte Standorte allokiert. Auch diese Entscheidung hat einen erheblichen Einfluss auf die ESG-Konformität des Netzwerks, da sie Gewichtungen zwischen den Standorten und Transportwegen maßgeblich verändern kann.

Traditionelle Kriterien für die Standortentscheidung sind mehrheitlich kostengetrieben, wie z. B.:

  • regulatorische Vorschriften (möglichst gering),
  • Betriebskosten (möglichst günstig),
  • lokale Steuern (möglichst niedrig),
  • Subventionen (möglichst hoch) oder
  • die Verfügbarkeit von Fachkräften (möglichst hoch).

Diese traditionellen Kriterien werden jetzt ergänzt durch Nachhaltigkeitskriterien der ESG-Dimensionen. Zu diesen gehören z. B.:

  • das lokale Klima (z. B. möglichst kalt für Serverfarmen),
  • existierende Gebäude (die z. B. nur umgebaut und nicht neu gebaut werden müssen),
  • lokale Sozialgesetzgebung oder
  • Zugang zu einer nachhaltigen Infrastruktur (z. B. Nähe zum Bahnnetz).

Zusätzlich zu diesen Nachhaltigkeitskriterien existieren auch sog. Hybridkriterien, die sowohl einen positiven Einfluss auf die Kosten als auch auf die Nachhaltigkeit haben. Zu diesen gehört z. B. die Nähe zu Kunden oder das Aufbauen eines Ökosystems mit anderen Unternehmen, um sich langfristig in Richtung der Kreislaufwirtschaft ("Circular Economy") zu entwickeln.

Durch das Einbeziehen von Nachhaltigkeitskriterien in Standortentscheidungen, können Unternehmen zukünftige Risiken aus den ESG-Dimensionen reduzieren (z. B. verschärfte zukünftige Gesetzgebung, die zu teuren Anpassungen zwingen würde) und ihr Image bei Kunden und Lieferanten verbessern. Zusammenfassend zeigt Abbildung 3 sowohl die qualitative als auch quantitative Bewertung eines Netzwerks beispielhaft auf.

Abb. 3: Bewertungsansatz für ein nachhaltiges Supply Chain Netzwerk

 
Praxis-Beispiel

Automobilwerk mit Wasserkraft

Die Entscheidung für den Bau einer Produktionsstätte für Kohlefasern eines deutschen OEMs in den USA basierte vor allem auf der Verfügbarkeit von umweltfreundlichen Energiequellen. So bot die Region Moses Lake im Bundesstaat Washington, neben qualifizierten Arbeitskräften und günstigen Infrastruktur- und Steuerbedingungen (traditionelle Kriterien), auch den Zugang zu regenerativer Energie aus Wasserkraft (Nachhaltigkeitskriterien). Auf diese Weise reduziert der OEM die Emissionen des Scope 2 Energieverbrauchs des Werks auf ein Minimum.

Anforderungen an Controlling und KPI-System

Einer der wirkungsvollsten Hebel, um Standortentscheidungen in eine stärker ESG-konforme Richtung zu beeinflussen, ist ein interner CO2-Preis. Durch diese interne Bepreisung können Unternehmen die Emission einer Menge CO2 mit einem monetären Wert versehen. Das gilt auch, wenn es nur wenige oder gar keine Gesetze oder externe Vorschriften gibt, die ihre CO2-Emissionen betreffen. Voraussetzung für die Berechnung dieses kalkulatorischen Preises ist eine volle Transparenz über die CO2-Emissionen von möglichen Entscheidungen. Aufgabe für das Controlling ist die Herstellung dieser Transparenz, um mittels eines CO2-Preises ESG-Aspekte monetär zu bewerten und in Entscheidungen einfließen zu lassen. Hier kann es ggf. auch sinnvoll sein, zukünftige Szenarien für mögliche Entwicklungen des CO2-Preises zu simulieren. Darüber hinaus können bei Standortentscheidungen, neben den CO2-Kosten, auch weitere Nachhaltigkeitskriterien zuzüglich zu den konventionellen Kriterien Berücksichtigung finden. Hier sind Scoring-Modelle eine einfache Methode, um mehrere Kriterien zu gewichten und in die Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen.

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