Besondere Anforderungen stellen sich bei der "Personalauswahl" (Selektion) dann, wenn – wie es das nachhaltige Personalmanagement fordert – v. a. unternehmensethische Problemstellungen zu lösen sind. Zum einen stellt sich die Frage, ob das Auswahlverfahren selbst bestimmten ethischen Kriterien genügt. Zum anderen ist zu klären, ob und wie das Auswahlverfahren dazu beitragen kann, die "richtigen", d. h. die ethisch denkenden und handelnden Mitarbeiter zu gewinnen[1]

Im Hinblick auf das Auswahlverfahren sind insb. folgende Anforderungen zu erfüllen:

  • Schutz vor Diskriminierung: z. B. aufgrund von Geschlecht, Religion oder Rasse,
  • Schutz der Privatsphäre: z. B. sind Fragen nach der Partei- oder Konfessionszugehörigkeit oder auch nach dem Kinderwunsch nicht erlaubt,
  • Schutz vor negativen Folgen: z. B. durch Anwendung sog. Stressinterviews, bei der die Kandidaten bewusst unter Druck gesetzt und vorsätzlich in Angst versetzt werden,
  • Pflicht zur gegenseitigen Ehrlichkeit: z. B. sollen Unternehmen offen über die derzeitige wirtschaftliche Situation des Unternehmens, über die Entwicklungsmöglichkeiten der Stelle aufklären,
  • Mitsprache- und Feedbackrecht: z. B. sollten zukünftige Kollegen im Rahmen der Auswahlentscheidungen involviert werden; im Falle einer Absage sollten dem Kandidaten die Gründe erläutert werden.

Als wichtiges und am weitesten verbreitetes Selektionsinstrument zur Feststellung von Werteorientierungen bzw. Wertvorstellungen gilt das Vorstellungs- oder Einstellungsgespräch. Als weitere Auswahltechniken kommen Fragebögen, die Bearbeitung von Fallstudien, Gruppendiskussionen oder auch Rollenspiele in Frage, die einzeln oder kombinativ im Assessment Center angewandt werden können. Im Rahmen dieser Auswahlverfahren können spezifische Fragen gestellt (z. B. Welche Eigenschaften sollte eine gute Führungskraft haben? Was macht einen guten Mitarbeiter aus?) oder ethische Dilemma- und Konfliktsituationen diskutiert werden (s. die folgenden Beispiele).

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 1: Trolley-Dilemma

"Stellen Sie sich vor, Sie sind Lokführer eines Zuges, der unter Vollgeschwindigkeit auf eine Gleisbaustelle mit 5 Gleisarbeitern zurast. Um den Tod der 5 Gleisarbeiter zu verhindern, müssen Sie versuchen, den Zug anzuhalten. Während Sie die Bremsen betätigen, merken Sie, dass diese nicht funktionieren. Die einzige Möglichkeit, die sich Ihnen jetzt noch bietet, um den Tod der Gleisarbeiter zu verhindern, liegt darin, den Zug auf ein anderes, noch vor Ihnen liegendes Gleis umzuleiten. Unglücklicherweise befindet sich ebenfalls 1 Gleisarbeiter auf der alternativen Route. Sie müssen sich nun entscheiden, ob Sie aktiv eingreifen und den Tod eines Gleisarbeiters in Kauf nehmen, um die anderen 5 Gleisarbeiter zu retten."[2]

 
Praxis-Beispiel

Fallbeispiel 2: Ballonabsturz

"Ein Ballon muss Ballast abwerfen, sonst stürzt er ins Meer. Wer soll gehen? 4 Seminarteilnehmer sitzen in einem imaginären Ballon. Der Rest der Seminarteilnehmer bewertet das Verhalten der vier und deren Lösungsvorschläge. Wer verhält sich glaubhaft ethisch und trotzdem konstruktiv?"[3]

[1] vgl. hierzu und zum Folgenden Göbel 2016, S. 213 f.; Bak 2014, S. 64 ff.
[2] Holzmann 2019, S. 11.
[3] Conrad 2020, S. 376.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Sustainability Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge