2.1.1 Integrität und Loyalität

 
Definition: persönliche Integrität
"Persönliche Integrität ist die fortwährend aufrechterhaltene Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems und der persönlichen Ideale mit dem eigenen Reden und Handeln."[1]

Für unsere Zwecke muss die Definition sicher von der persönlichen Integrität, die "nur" den Abgleich mit eigenen Wertemaßstäben beinhaltet, erweitert werden auf die Übereinstimmung des Handelns jeder Einzelperson mit den Wertemaßstäben des Unternehmens, was ich gleichzeitig mit dem Begriff Loyalität verbinde.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz bewusst von Interpretationen des Begriffs Loyalität distanzieren, die dahin gehen, dass loyal ist, wer sich den Wertemaßstäben eines Anderen unterwirft, selbst wenn diese seinen eigenen teilweise widersprechen. Ich bin der – vielleicht radikalen – Ansicht, dass unser Handeln sich nur in dem positiven Überschneidungsbereich unserer persönlichen Integrität und der Einhaltung der Wertemaßstäbe des Unternehmens bewegen darf. Und das nicht ohne Grund: Meines Erachtens krankt unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem genau daran, dass zu viele Menschen – aus Angst um ihren Arbeitsplatz oder vor Machtverlust – ihre persönlichen Wertemaßstäbe zugunsten der davon abweichenden Wertemaßstäbe des Unternehmens, für das sie arbeiten, zurückstellen. Das führt zu einem ständig empfundenen Widerspruch, der täglich Spannung erzeugt und letztlich krank macht, jeden Einzelnen und das ganze System.

Mir ist klar, dass es auch Fälle geben mag, in denen die Wertemaßstäbe eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin von denen des Unternehmens insofern abweichen, als diese "lässiger" mit der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften oder ethischer Grundsätze umgehen als es die "Corporate Governance" vorsieht. In solchen Fällen wird es auch zu Spannungen kommen, die letztlich vermutlich zu einer Entlassung führen werden. Im ersten Fall dagegen wird eine konsequente Person eher freiwillig selbst das Unternehmen verlassen, um den ständigen Widerspruch aufzulösen.

Damit die Wertemaßstäbe des Unternehmens bekannt sind, müssen diese natürlich formuliert und kommuniziert werden, was heute in den sogenannten "Corporate Governance-Regelungen" auch an vielen Orten bereits praktiziert wird. Unterstützung für eine konkrete Ausgestaltung eines "Corporate Governance Kodex" kann man sich im "Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)"[2] holen, der wesentliche gesetzliche Vorschriften zur Organisation deutscher (allerdings börsennotierter) Unternehmen darstellt und national und international anerkannte Standards guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung enthält.

Er wurde von einer extra dafür eingerichteten, aber tatsächlich von Regierung und Politik unabhängigen Regierungskommission der Bundesrepublik Deutschland als Selbstregulierungsmaßnahme der deutschen Wirtschaft entwickelt und am 26.2.2002 erstmals vorgestellt (letzte Aktualisierung mit "Sustainability-Update" vom 28.4.2022). Der Kodex hat keine rechtliche Bindung und wird daher erwartungsgemäß in Teilen auch nicht von allen betroffenen Unternehmen eingehalten. Dennoch oder gerade deshalb kann er als Grundlage für eine eigene Definition von Werten wie Integrität und Loyalität hilfreich sein. Der Kodex wird regelmäßig im Bundesanzeiger veröffentlicht.[3]

[1] Pollmann, Arnd: Integrität: Aufnahme einer sozialphilosophischen Personalie. Transcript, Bielefeld 2005, ISBN 978-3-89942-325-9.
[2] Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex: Deutscher Corporate Governance Kodex: (in der Fassung vom 28. April 2022): https://dcgk.de//files/dcgk/usercontent/de/download/kodex/220627_Deutscher_Corporate_Governance_Kodex_2022.pdf
[3] Bundesministerium der Justiz (Hrsg.): Bundesanzeiger Homepage: https://www.bundesanzeiger.de

2.1.2 Antikorruption

 
Definition: Korruption
"Korruption ist der Missbrauch einer Vertrauensstellung. Der Missbrauch beginnt, wenn im Rahmen einer öffentlichen und/oder privaten und/oder wirtschaftlichen und/oder politischen Verantwortung, Vorteile erlangt werden oder erlangt werden sollen. Auftreten kann sie z. B. bei Genehmigungen, Posten- oder Auftragsvergaben, Verträgen, gesellschaftspolitischen Handlungen. Der Missbrauch besteht darin, Vorteile zu erlangen oder zu gewähren, auf die keine Ansprüche bestehen."[1]

Im ersten Moment sieht es so aus, als sei dem nichts hinzuzufügen. Tatsächlich ist der Begriff aber auslegbar. Erinnern wir uns an den Lobbyisten Karlheinz Schreiber, der Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre Provisionen in Millionenhöhe für die Vermittlung von Flugzeug- und Panzergeschäften kassiert hatte und vor Gericht unter anderem den Ausspruch brachte: "Damals war Schmiergeld absetzbar".[2]

Ich meine, wir bewegen uns bei diesem Kriterium – auch wenn ich es als klares "K.o.-Kriterium" ansehe – dennoch in einem Graubereich, der einer genaueren Definition in jedem Unternehmen bedarf. Bedeutet z. B. die Flasche Wein, die ein Lieferant Ihrem Einkaufsleiter zu Weihnachten schenkt, bereits einen Verstoß gegen die Antikorruption...

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