Wenn man nach dem europäischen Handbuch zur Erstellung der SDGs geht, befindet sich Mannheim schon in der Endstufe 4 – völlige Ausrichtung des kommunalen Strategieplans an den SDGs. Wie kam es dazu? Mannheims Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz war von vielen seiner deutschen Bürgermeisterkollegen gewarnt worden, "wenn Du einen Leitbildprozess mit der Bürgerschaft für die Stadt erstellen willst, dann ist dies zunächst eine tolle Sache, weil jede und jeder involviert werden kann. Wenn dann aber das Leitbild vom Gemeinderat verabschiedet wird und Du kannst nach einem Jahr nicht liefern, hast Du ein Problem. Die Leute werden fragen, ‘wir waren da doch bei einem großen Leitbildprozess, wo finden wir die Umsetzung und wo sehen wir die Fortschritte?’"

Daher hatte sich Oberbürgermeister Dr. Kurz 2008 entschieden, mittels einer Verwaltungsmodernisierung, change, zunächst die Verwaltung zu modernisieren und danach einen Leitbildprozess mit der Bürgerschaft durchzuführen. Eines der Hauptprojekte von change war die Einführung einer Strategischen Steuerung. Dabei ging es um nichts Geringeres, als der Ausrichtung der Verwaltung an einer integrierten Gesamtstrategie und die Messung der Erfolge dieser Strategie über Indikatoren.

Damit der Strategieentwicklungsprozess auf ein solides Fundament gestellt werden konnte, wurden klassische Stakeholder in der Stadt (Vertreter der Unternehmen, Gewerkschaften etc.) und natürlich der Gemeinderat intensiv eingebunden. Dieser mehrere Workshops umfassende Prozess dauerte ca. 1 Jahr und am Ende stand eine integrierte Gesamtstrategie mit 7 strategischen Zielen (Bildungsgerechtigkeit, Toleranz, Stärkung von Unternehmen etc.) Die Erreichung der strategischen Ziele wurde mit Topindikatoren (bspw. dem Bruttoinlandsprodukt per Kopf) gemessen. Damit die Ziele erreicht werden, wurden in allen Dienststellen sogenannte Zieleworkshops durchgeführt, wo einmal die Gesamtstrategie erklärt wurde, Fragen beantwortet wurden und danach jede Dienststelle in einem Workshopformat gefragt wurde, was sie zur Erreichung der Gesamtstrategie beitragen können.

Hierbei ging es nicht um das klassische "ad on", sondern um kleines Umsteuern von vorhandenen Ressourcen.

 
Praxis-Beispiel

Zieleworkshop

Im Zieleworkshop mit dem Eigenbetrieb Friedhöfe hat dieser erarbeitet, dass er, wenn er muslimische Bestattungen anbot, wozu man seine Investitionen umsteuere, und in ein Waschhaus investieren musste, man als Eigenbetrieb Friedhöfe zum Thema Toleranz beitragen könne. Diese Zieleworkshops fanden dann zu jeder Haushaltsplanaufstellung statt. Als bspw. der erste SDG-Indikatorenkatalog für deutsche Kommunen von Bertelsmann entwickelt wurde, an dem Mannheim wie andere Städte auch beteiligt war, waren fast drei Viertel der ausgewählten Indikatoren eh schon im Mannheimer "Normal-"Monitoring. Nach 6 Jahren Gesamtstrategie war es 2015 an der Zeit, diese Gesamtstrategie fortzuschreiben, jetzt mit Bürgerbeteiligung, da das Umsetzungssystem in der Verwaltung funktionierte.

OB Kurz verkündete auf diversen Panels auf der Habitat III-Konferenz in Quito, dass sich die Stadt Mannheim zur Überarbeitung ihrer Gesamtstrategie an der Agenda 2030 und den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen nicht nur orientieren, sondern diese für ein Bürgerbeteiligungsverfahren zur Grundlage machen würde. Unterstützt wurde dieser große Beteiligungsprozess, der 1 Jahr dauerte, von der Servicestelle Kommunen in der Einen Welt-Engagement Global (SKEW).[1] Am Ende stand eine neue Stadtstrategie Mannheim 2030, die zusammen mit der Bürgerschaft aus den SDGs erarbeitet wurde und deren Fortschritt mit Topindikatoren jährlich gemessen wird. Die Fortschreibung erfolgt kontinuierlich über das Instrument der Urban Thinkers Campusse, einem Workshopformat der zivilgesellschaftlichen Kampagne (World Urban Campaign) von UN Habitat, bei dem Experten und Bürgerschaft Nachhaltigkeitsthemen lokalisiert diskutieren.

Die Erstellung eines Voluntary Local Reviews war somit zu großen Teilen schon erledigt, da Ziele, Maßnahmen und Indikatoren durch das Mannheimer Steuerungssystem (Strategische Ziele, Topindikatoren) eh schon da waren. Mannheim wurde aufgrund seiner Vorreiterrolle bei der Umsetzung der SDGs auch mit Unterstützung der SKEW wiederum vom Brookings Institute eingeladen, Teil eines weltweiten Netzwerks von Vorreiterstädten zu sein, der SDG Alliance. Dort vertreten sind unter anderem Accra, Yokohama, Helsinki, New York, Mexico, Buenos Aires und andere mehr. In der SDG Alliance wurde auch die Erstellung und der Rahmen für die VLRs diskutiert und gegenseitige >Unterstützung zur Umsetzung gegeben.

Mannheim war daraufhin eine der ersten Städte weltweit und in Deutschland die erste, die einen VLR erstellt hat. Warum ich dies hier betone, dazu später unten mehr. Der Mannheimer Voluntary Local Review gliedert sich auch klassisch: Vorwort des Oberbürgermeisters, Erklärung der Agenda 2030 und der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele, danach die von den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen mit der Bürgerschaft entwickelte M...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Sustainability Office. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge