Bezogen auf die staatliche Finanzpolitik bedeutet Nachhaltigkeit, dass der Staat in der Lage sein muss, seine Aufgaben stetig, d.  h. auf Dauer, zu erfüllen. Intergenerativ gerecht erfüllt er diese, wenn er den vollständigen Ressourcenverbrauch einer Periode erwirtschaftet, diesen also durch Ressourcenaufkommen ausgleicht.

Die politischen Entscheidungsträger benötigen Informationen darüber, ob die interperiodische Gerechtigkeit zunächst geplant und später – beim Periodenabschluss – auch erzielt wird. Hierzu ist ein Ergebnishaushalt erforderlich, in dem auf Planungsebene der gesamte Aufwand einer Periode (Ressourcenverbrauch) durch Ressourcenaufkommen (Ertrag) erwirtschaftet wird. Dass die Vorgaben des ausgeglichenen Haushalts im Vollzug auch eingehalten wurden, wird ex post mit der Ergebnisrechnung dargelegt (politische Kenntnisnahme). Da die jahrhundertelang von den Kommunen sowie von Land und Bund weiterhin eingesetzte Kameralistik nicht den Ressourcenverbrauch, sondern den Geldverbrauch darstellt, ist ein Wechsel zur Doppik für alle staatlichen Ebenen angezeigt.

Vollständig umgesetzt ist dieser bisher nur auf kommunaler Ebene; in Baden-Württemberg wird das neue kommunale Haushaltsrecht (NKHR) seit 2020 in allen Gemeinden angewendet. Der Einsatz der kommunalen Doppik ermöglicht auch die Darstellung der Folgekosten von einzelnen Projekten und damit der tatsächlichen finanziellen Auswirkungen für die nächsten Generationen. Damit basieren Entscheidungen der Gemeinderäte auf einer besseren Grundlage als bisher. Das Informationsproblem der gewählten Repräsentanten und Bürger verringert sich.

Abzuwarten bleibt, ob diese Grundlagen freiwillig Berücksichtigung bei der Entscheidung finden werden, denn allein durch ein neues Haushaltsrecht werden nachhaltigere kommunalpolitische Beschlüsse nicht gefasst. Die Frage wird sein, welche Schlüsse der Gemeinderat oder die Bürgerschaft aus den neu gewonnenen Informationen zieht. Sicherlich werden der Haushaltsausgleich schwieriger darstellbar und die Leistungsfähigkeit einer Kommune in einem neuen Licht erscheinen. Ob die Erkenntnisse des NKHR bei künftigen (Investitions-)Entscheidungen berücksichtigt werden, ist in Baden-Württemberg stark von der persönlichen Einschätzung und Darstellung des Bürgermeisters abhängig. Dieser ist nicht nur Verwaltungschef, sondern auch Politiker. Das Motivationsproblem muss hier gelöst werden.

Neu gesetzte Messlatte

Vielmehr als das NKHR selbst wird darum entscheidend sein, welche haushaltspolitische Messlatte durch das Land nun gelegt wird. Bisher war dies in der Kameralistik die Mindestzuführung vom Verwaltungs- zum Vermögenshaushalt. Sofern diese erreicht wurde, war der Geldverbrauch einer Gemeinde ausgeglichen. Nicht betrachtet wurde der Ressourcenverbrauch bzw. ob das Gemeindevermögen zu- oder abnimmt. Auch die Vollvermögensrechnung der Kommunen im badischen Landesteil konnte dies nicht bewerkstelligen, da zum Teil auch dort nicht das ganze kommunale Vermögen erfasst oder aber nicht nach einheitlichen Vorgaben bewertet war.

Wenn nun der Erhalt des kommunalen Vermögens die Messlatte sein wird, liegt diese deutlich höher und die Gemeinden müssen vor diesem Hintergrund die Einnahmen und/oder die Ausgaben entsprechend anpassen, damit das in der 1. Eröffnungsbilanz ausgewiesene Eigenkapital nicht nach wenigen Jahren aufgezehrt sein wird.

Landkreise und Zweckverbände

Aber auch das Verhältnis zwischen den Kommunen und Landkreisen ist durch die Einführung des NKHR nicht nur in Baden-Württemberg durch das Fehlen einer eigenständigen Finanzierungsgrundlage letzterer (z. B. Hebesatzrecht bzw. Anteil auf die Einkommensteuer) und die Verknüpfung über die Kreisumlage spannungsreicher geworden. So klagten einzelne Gemeinden gegen die Art und Höhe der Umlage.[1] Im Ergebnis müssen die umlagepflichtigen Kommunen vor Festlegung der Kreisumlage angehört und deren Belange angemessen berücksichtigt werden. Da im NKHR der ausgeglichene Ergebnishaushalt für eine nachhaltige Finanzpolitik des Kreises ausreichend ist, müssen Überschüsse in der Regel nicht erwirtschaftet werden und können an die finanzierenden Kreisgemeinden zurückgegeben werden. Fiskalisch kann der Kreishaushalt mit dem eines Zweckverbands verglichen werden, bei dem diese Praxis üblich ist. Allerdings verfügt ein Landkreis über ein demokratisch gewähltes Entscheidungsgremium[2] und kann sich – anders als ein Zweckverband – selbst weitere Aufgaben geben, womit nochmals der Spannungsbogen zwischen dem Kreistag und den finanzierenden Landkreiskommunen aufgezeigt wird. Die neueste Rechtsprechung stärkt letztendlich die Position der Städte und Gemeinden, welche die Kreisumlage entrichten und politisch gegenüber ihren Einwohnern vertreten müssen (z. B. durch Minderleistungen oder Einnahmeerhöhungen auf Gemeindeebene).

[2] Vgl. § 22 LKrO BW.

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