Rz. 41

"Sustainable Finance Readiness" bezeichnet die Fähigkeit eines Unternehmens, seine Finanzierungsstrukturen mit Nachhaltigkeitskomponenten, sprich Sustainable-Finance-Produkten, strategisch zu verknüpfen. Dafür muss ein hoher Reifegrad der Nachhaltigkeitsleistung des Unternehmens vorhanden sein. Ist dieser Reifegrad bei einem Unternehmen nicht gegeben, darf es nach unserem Verständnis keine Sustainable-Finance-Instrumente anwenden, da sonst die Voraussetzungen für ein klassisches Greenwashing erfüllt sind. Die Betrachtung der Unternehmen und Einschätzung ihrer Nachhaltigkeitsleistung muss immer ganzheitlich stattfinden, denn einzelne Sustainable-Finance-Anwendungen bedeuten noch lange nicht, dass ein gesamtes Unternehmen dadurch nachhaltig geworden ist.

 

Rz. 42

Analog zur "Credit Story" müssen Unternehmen für einen erfolgreichen Kapitalmarktauftritt künftig auch eine wirksame "Sustainability Story" aufbauen und kommunizieren. Um Unternehmen im Zuge der Transformation ihrer Geschäftsmodelle als Bank optimal begleiten zu können, ist die Bewertung ihrer Nachhaltigkeitsleistung und damit der Einschätzung der Transformationsfähigkeit der Organisation die zentrale Aufgabe vieler Experten innerhalb der Nachhaltigkeitsbereiche im Corporate Finance. Unternehmen, die künftig eine wirksame Sustainability Story mit "Enabler Qualität" vorweisen können, werden vom Kapitalmarkt mit einer höheren Zukunftsfähigkeit eingestuft und deshalb mit einem attraktiveren Zugang zu Fremdkapital belohnt. Für die anderen Unternehmen drohen Mehrkosten für Kapital oder sogar Engpässe in der Kapitalbeschaffung und damit klare Wettbewerbsnachteile.

 

Rz. 43

 
Hinweis

Aktuell werden viele Versuche unternommen, mit einem objektiven und strukturierten Ansatz die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen mittels Fragebögen bzw. Tools bewerten zu können. Die Ergebnisse sind noch in den wenigsten Fällen zufriedenstellend, da Standardisierung und Datenqualität fehlen. Deshalb sind erfahrene ESG-Experten mit langjähriger Berufserfahrung gefragt, welche die Ergebnisse in der Kombination aus Fachwissen und angewandten Kriterien final bewerten (Expert Judgement).

 

Rz. 44

Damit einem Unternehmen die Sustainable Finance Readiness zugesprochen werden kann, müssen sowohl im strategischen Setting als auch in der Operationalisierung des Nachhaltigkeitsmanagements verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein.

5.2.1 Bewertung des strategischen Settings

 

Rz. 45

Um das strategische Setting eines Unternehmens einschätzen zu können, schauen sich die Experten zuerst die Prozesse um die Schwerpunktsetzung von möglichen Themenfeldern an.

 
Praxis-Tipp

Wichtige Fragestellungen, für welche wir die Bereitstellung von Antworten in der Kapitalmarktkommunikation empfehlen, sind:

  • Wurden eine Umfeldanalyse und ein systematischer Stakeholder-Engagement-Prozess durchgeführt?
  • Wurden Impacts und die damit verbundenen Risiken und Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette erkannt?
  • Wie sieht die Transformationsfähigkeit des Unternehmens aus? Hat das Geschäftsmodell "Enabler Qualifikationen" für das Thema Nachhaltigkeit und welchen Purpose verfolgt die Organisation?
  • Welche signifikanten Risiken i. V. m. dem Geschäftsmodell existieren?
  • Wie wurde die Auswahl der Schwerpunktthemen durchgeführt? Wurde dazu eine wirksame Materialitätsanalyse durchgeführt und wie war das Management involviert?
 

Rz. 46

Darüber hinaus wird die Frage gestellt, welche Schwerpunktthemen letztendlich ausgewählt wurden und ob sich das Unternehmen dabei auf das notwendige Mindestmaß reduzieren konnte? Je stärker ein Unternehmen in der Lage ist, die Anzahl an Themen zu reduzieren, desto höher der Reifegrad (weg vom "Vollständigkeitsprinzip" hin zum "weniger ist mehr"; Rz 34).

Sobald die Prozesse um die Schwerpunktsetzung der Themen betrachtet wurden, stellen sich weitere Fragen, z. B. wie sich das Unternehmen strategisch zu diesen aufgestellt hat und welche dazugehörigen Zielsetzungen formuliert wurden?

 
Hinweis

Sustainability-Risiken sollten ein integraler Bestandteil des bestehenden Risikomanagements sein unter Verwendung der gleichen Definitionen und Schwellenwerte (thresholds).

5.2.2 Bewertung des operativen Nachhaltigkeitsmanagements

 

Rz. 47

Damit die gesetzten Zielsetzungen erreicht werden können, müssen Maßnahmen abgeleitet und deren Wirksamkeit auf die Erfüllung der Zielsetzungen durch KPIs gemessen werden. Oftmals werden diese Verknüpfungen in einem übersichtlichen Corporate-Responsibility-Programm dargestellt. Ein positiver Indikator für das operative Nachhaltigkeitsmanagement ist die organisatorische Nähe zu Unternehmensstrategie und Entscheidungsträgern. Daher sollte transparent gemacht werden, welche Verantwortlichkeiten, Qualifikationen und Berichtswege innerhalb der Organisation vorhanden sind. Wichtig ist auch die Betrachtung der jeweiligen Datenqualität und des entsprechenden Konsolidierungskreises der Daten.

 

Rz. 48

Abschließend wird bewertet, wie die Steuerung und die dazugehörige Kommunikation bzw. Reportings in den Entscheidungsfindungsprozess des Managements integriert sind. Am Ende geht es in der Betrac...

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